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Darf man als Verteidiger die ganzen Akten kopieren?

AktenstapelUnd dann zum Auftakt des letzten Arbeitstages der Woche aus der schier unerschöpflichen Flut der Entscheidungen zum Ersatz von Auslagen für Kopien aus der Gerichtsakte. Es geht mal wieder um die Frage, ob der Verteidiger zu viel aus der Akte – die wohl digitalisiert zur Verfügung gestanden hat – ausgedruckt hat, nämlich die ganze Akte. Das LG Aachen sagt im LG Aachen, Beschl. v. 15.06.2016 – 61 KLs 22/15: Ja, der Verteidiger darf ggf. die ganze Akte ausdrucken, aber nicht ungeprüft…

„Ein Anspruch des Rechtsanwalts auf (pauschalen) Ersatz seiner Auslagen für Kopien aus Gerichtsakten besteht nur in dem Umfang wie deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten ist. Was in diesem Zusammenhang zur „Bearbeitung“ einer Sache sachgemäß ist, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung des. beigeordneten. Rechtsanwalts, sondern nach dem objektivem Standpunkt eines vernünftigen sachkundigen Dritten, Es kommt dabei auf die Verfahrensart und- den konkreten Sachverhalt sowie auf die aktuelle Verfahrenslage an. Eine bloße Erleichterung oder Bequemlichkeit reicht jedoch ebenso wenig, wie eine bloße Zweckmäßigkeit. Allerdings hat der Anwalt einen. gewissen nicht zu engen, sondern eher großzügigen Ermessensspielraum, den er allerdings auch pflichtgemäß handhaben muss, indem er den allgemeinen Grundsatz kostenschonender Prozessführung. Zu berücksichtigen ist, dass der Rechtsanwalt die Pauschale – auch gegenüber der Staatskasse.- nur in Rechnung stellen kann, soweit die Herstellung. der Dokumente zur sachgemäßen Bearbeitung durch ihn geboten, war. Die Darlegungs- und Beweislast dafür liegt also bei ihm (vgl. OLG Rostock, Beschl. v. 04.08.2014, Az.: 20 Ws 193/14 m.w.N. — zitiert nach. juris). Das ungeprüfte, vorsorgliche Ablichten der gesamten Verfahrensakte, welche regelmäßig für die Verteidigung in jedem Fall irrelevante Dokumente wie Verfügungen, Empfangsbekenntnisse etc, enthält, stellt allerdings insoweit keine ordnungsgemäße Ermessensausübung des Verteidigers mehr dar. Das Kopieren der gesamten Verfahrensakten mag- aus. Vereinfachungsgründen durchaus zweckmäßig sein, kann aber im Rahmen der Prüfung von Kostenerstattungsansprüchen nicht in gleicher Weise als geboten angesehen werden (vgl. OLG Köln, Beschl. v. 15.01.2015, Az.: 2 Ws 651/14 — zitiert nach juris).

Nach diesen Grundsätzen durfte der Verteidiger vorliegend nicht ungeprüft die gesamte Akte kopieren. Dies gilt umso mehr als dass seine Mandantin vorliegend nicht in allen Fällen Mitangeklagte war und dem Verteidiger eine digitale Hauptakte inklusive Fallakten und Sonderbänden zur Verfügung gestellt worden ist. Es. kann vorliegend dahinstehen, ob das Studium umfangreicher Akten „am Bildschirm“ für einen Rechtsanwalt tatsächlich beschwerlicher und für die Augen ermüdender ,ist als das Lesen von Akten auf Papier (a.A. – OLG Rostock, a.a.O., m.w.N.), da hieraus jedenfalls nicht die objektive Notwendigkeit hervorgeht, die vollständige Akte auszudrucken. Es ist dem Rechtsanwalt nämlich zumindest zuzumuten, digitalisierte Akten „am Bildschirm“ wenigstens daraufhin durchzusehen, ob und welche Teile er für seine weitere Tätigkeit, insbesondere während einer eventuellen Hauptverhandlung, zur sachgerechten Verteidigung des Mandanten auch in Papierform benötigt. Vor diesem Hintergrund hätte es dem Verteidiger oblegen darzulegen, welche Teile der Akte notwendigerweise hätten kopiert werden müssen.

Die Kammer ist aber der Auffassung, dass zumindest ein Teil der Akte von dem Verteidiger hätte ausgedruckt werden dürfen. Dieser Teil ist aber — da es an einer konkreten Darlegung des Rechtsanwalts fehlt — mit 20% der angesetzten Kopien zu bemessen. Unter Berücksichtigung der doppelt angesetzten 232 Kopien verbleiben bei insgesamt somit zu Grunde legenden 2.031 Kopien — 406 Kopien. Desweiteren ist zu- berücksichtigen, dass die heutigen Drucker über die Möglichkeit eines doppelseitigen Druckes verfügen und der Pflichtverteidiger gegenüber der Staatskasse zur kostensparenden Prozessführung verpflichtet ist, so dass die Kopierkosten insoweit um die Hälfte reduziert werden können. Insgesamt sind mithin – ohne weitere, hier nicht erfolgte Darlegung — nur 10% der Kopien — mithin 203 Kopien — erstattungsfähig.

Es ergibt sich mithin ein erstattungsfähiger Mindestbetrag von 47,95 € für 203 Kopien.“

Na ja, das wird teilweise auch – zu Recht – anders gesehen. Und was „irrelevant“ ist, wer bestimmt das eigentlich. Ist jedes „Empfangsbekenntnis“ irrelevant. Und warum muss ich darlegen, warum ein bestimmtes EB für mich für die Verteidigung von Bedeutung ist? Darf ich das als Verteidiger überhaupt?

Und: Warum muss man als Verteidiger eigentlich mit doppelseitig bedruckten Blättern/Akten arbeiten. Das tun die Gerichte i.d.R. doch auch nicht.

Lösung zu: Ich habe da mal eine Frage: Aktendoppel für den Mandanten, zulässig ja oder nein?

© haru_natsu_kobo - Fotolia.com

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Ich hatte am vergangenen Freitag die Frage gestellt: Aktendoppel für den Mandanten, zulässig ja oder nein? Die Statistik mit den Zugriffszahlen zeigt mir: Eine Frage, die die Praxis bewegt.

Nun, darf man oder darf man? Schön wäre es, wenn man die Frage mit einem klaren Ja beantworten könnte, wie es ein Kommentator getan hat, der anmerkt: „§ 147 Abs. 7 StPO i.V.m. EGMR und der GRC. Uneingeschränktes JA. “ Ich folge ihm gern, nur sieht es die (ober)gerichtliche Rechtsprechung leider anders und ist sehr viel zurückhaltender. So passt besser ein anderer Kommentar, nämlich: „Ich hab die Antwort, ich hab sie: Kommt drauf an :-)“ Und das verdeutlichen m.E. auch zwei Beschlüsse, auch die ich in dem Zusammenhang hinweisen möchte. Das ist einmal der OLG Braunschweig, Beschl. v. 26. 5. 2014, 1 Ws 144/14 u. 1 Ws 146/14 –  und dann der LG Aachen, Beschl v. 16.06.2014 – 67 KLs-901 Js 193/12-11/12 . Der OLG Braunschweig-Beschl. sieht es (viel) restriktiver als das LG Aachen, das aber auch eine Prüfungspflicht des Rechtsanwalts/Verteidigers bejaht, m.E. aber mehr Spielraum lässt. Fraglich ist dann natürlich, wie weit geht der und was muss der Verteidiger prüfen. Es stellt sich letztlich die Frage: Muss der Verteidiger mehr prüfen als für den eigenen Aktenauszug oder darf er dem Mandanten (unbesehen) alles das zur Verfügung stellen, was er für sich selbst auch kopieren kann.?

Allgemein wird man sagen können/müssen: Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung ist ein Aktendoppel zumindest dann erstattungsfähig  wenn seine Erstellung zur sachgemäßen Verteidigung erforderlich war, wie z.B. in einem umfangreichen Strafverfahren mit schwieriger Beweislage, in dem der Verteidiger auf den dauernden Besitz eines Aktenauszugs angewiesen war, oder bei gravierenden Straftaten, oder, wenn er ihn braucht, „um seine Verteidigung mit dem Verteidiger einzurichten“. Es hilft dabei sicherlich die Argumentation des LG. Und noch zwei Punkte:

  • Um Schwierigkeit bei der Erstattung/Festsetzung zu vermeiden, sollte der Pflichtverteidiger ggf. den Weg über § 46 Abs. 2 Satz 1 RVG gehen und die Feststellung der Erforderlichkeit des Aktendoppels durch das Gericht beantragen. Eine andere Möglichkeit zur Klärung ist, insoweit einen Vorschuss gem. § 47 RVG zu verlangen.
  • Und: Solche Konstellationen wie beim OLG Braunschweig sind natürlich „tödlich“. Es ist kaum nachvollziehbar – jedenfalls auf den ersten Blick -, wieso  2.864 Fotokopien, deren Erstattung verlangt wird, angefallen sein sollen, wenn die Ermittlungsakten zum Zeitpunkt des Akteneinsichtgesuchs auf lediglich 863 Seiten zuzüglich 149 „Sonderheft Haftbeschwerde“ zuzüglich etwaiger Doppelseiten angewachsen waren.

Ich habe da mal eine Frage: Aktendoppel für den Mandanten, zulässig ja oder nein?

© AllebaziB - Fotolia.com

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Die Frage der Notwendigkeit der Erstellung von Kopien ist eine Domäne, in der Rechtspfleger, Strafkammern und OLG-Senate gern mit dem Verteidiger streiten. Über die Notwendigkeit und Angemessenheit der Anfertigung von Kopien können manchmal ganze Romane geschrieben werden, was sicherlich dann die Frage nach der betriebswirtschaftlichen Sinnhaftigkeit stellen lässt. Ein Unterfall dieses „Streitgegenstandes“ ist die Frage, ob und welche Kopien aus der Akten der Verteidiger für den Mandanten anfertigen kann und ob ggf. auch ein Aktendoppel erlaubt ist. Die Frage spielt offenbar in der Praxis auch eine größere Rolle, da sie mir immer wieder auf Veranstaltungen gestellt wird, so vor kurzem noch auf einem Seminar in Hannover.

Ich gebe sie hier dann mal weiter, also: Aktendoppel bzw. Aktenauszug für den Mandanten, zulässig ja oder nein?  Lösung gibt es dann am Montag.