Schlagwort-Archive: AG Waldbröl

Muss die Mitwirkung des Verteidigers ursächlich für die Einstellung des Verfahrens sein?

© bluedesign – Fotolia.com

Als gebührenrechtlicher Opener bringe ich heute zunächst den AG Waldbröl, Beschl. v. 08.12.2017 – 40 Ds-225 Js 335/16-210/16, der folgenden Sachverhalt betrifft. Es geht um das Rechtsmittel eines Pflichtverteidigers, der sich gegen die Nichtfestsetzung einer zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG wendet. Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde: Nachdem am 10.11.2016 bereits ein Hauptverhandlungstermin stattgefunden hatte, wurde die Hauptverhandlung ausgesetzt, um weitere umfangreiche polizeiliche Nachermittlungen durchzuführen. Nach deren Abschluss erhielt der Verteidiger Anfang Mai 2017 Akteneinsicht. Am 31.5.2017 beantragte die Staatsanwaltschaft die Einstellung des Verfahrens gemäß § 154 StPO. Mit am 13.6.2017 formlos übersandtem, aber erst am 19.6.2017 zugegangenen Schriftsatz erhielt der Verteidiger zu diesem Antrag „Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb einer Frist von 10 Tagen nach Zugang dieses Schreibens.“ Nachdem keine Stellungnahme erfolgt war, stellte das Gericht das Verfahren mit Beschluss vom 27.6.2017 auf Kosten der Staatskasse ein. Erst am 30.6.2017 ging ein Schriftsatz des Verteidigers bei Gericht ein, mit dem dieser „ebenfalls anregte, das Verfahren gemäß § 154 StPO einzustellen.“ Der Verteidiger hat geltend gemacht, er habe mit seiner Anregung das Verfahren gefördert. Das Gericht hätte das Verfahren nicht vor Ablauf der gesetzten Frist einstellen dürfen.

Das AG setzt die Gebühr fest und führt dazu aus:

Nach der Anmerkung Absatz 2 zu Nr.?4141 VV soll der Rechtsanwalt die Zusatzgebühr nicht erhalten, wenn ein Beitrag zur Förderung des Verfahrens nicht ersichtlich ist (vgl. dazu und zum Folgenden Kroiß in Mayer/Kroiß, 7. Auflage 2018, RVG VV 4141, Rn. 14). An das Maß der Mitwirkung dürfen keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Es genügt jede auf die Förderung des Verfahrens gerichtete Tätigkeit, die objektiv geeignet ist, das Verfahren im Hinblick auf eine Verfahrensbeendigung außerhalb der Hauptverhandlung zu fördern. Weitergehende Anforderung an die Quantität oder Qualität der Mitwirkung, insbesondere im Sinne einer intensiven und zeitaufwendigen anwaltlichen Mitwirkung, bestehen nicht.

Hier wurde der Verteidiger zu einer beabsichtigten Einstellung nach § 154 StPO angehört, da eine dem Angeklagten nachteilige Kostenentscheidung getroffen werden sollte (vgl. Meyer-Goßner, § 154 StPO, Rn. 16; OLG Oldenburg, StrFO 2010, 352). Dessen Zustimmung war allerdings nicht erforderlich.

Indem er (nach nochmals erfolgter Akteneinsicht) schriftsätzlich angeregt hat, das Verfahren einzustellen, hat der Verteidiger das Verfahren gefördert.

Dass seine Tätigkeit nicht ursächlich für die Einstellung war, ist insoweit ohne Relevanz (vgl. Burhoff, 4. Auflage 2014, RVG VV 4141, Rn. 18; N. Schneider, in Schneider/Wolf, 8. Auflage 2017, RVG VV 4141, Rn. 42; LG Bonn Beschluss vom 27.10.2005, 37 Qs 47/05 [unveröffentlicht]). Der Umstand, dass das Verfahren auch ohne sein Zutun ohnehin eingestellt worden wäre, ist hingegen grundsätzlich unerheblich (vgl. N. Schneider, in Schneider/Wolf, RVG VV 4141, Rn. 11).

Etwas anderes kann auch im hiesigen Fall nicht gelten, in dem das Verfahren objektiv  ohne Zutun des Verteidigers bereits eingestellt worden war, da das Gericht die gesetzte Stellungnahmefrist versehentlich (aufgrund unerwartet langer Postlaufzeit des Anhörungsschreibens) nicht vollständig abgewartet hat. Es wäre willkürlich, wenn man den Vergütungsanspruch des Verteidigers für eine objektiv erbrachte Tätigkeit nur deshalb ablehnen würde, weil das Gericht bereits zuvor, ohne eine gesetzte Frist abzuwarten, das Verfahren eingestellt hat.

Ist ein iPod ein Mobiltelefon?

entnommen wikimedia.org by Yukinobu Zengame - Flickr. Licensed under CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

entnommen wikimedia.org
by Yukinobu Zengame – Flickr. Licensed under CC BY 2.0 via Wikimedia Commons

Interessante Frage, die beim AG Waldbröl in einem Bußgeldverfahren mit dem Vorwurf des Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO – ja, mal wieder Handyverstoß – eine Rolle gespielt hat. Nämlich die Frage: Ist ein iPod ein Mobiltelefon i.s. des § 23 Abs. 1a StVO? Der Amtsrichter ist davon ausgegangen, dass der Betroffene, während er seinen PKW geführt hat, mit einem Apple iPod etwas diktiert hat und dabei das Gerät auch während der Fahrt in der Hand gehalten hat. Da stellte sich dann die Frage: Mobiltelefon, ja oder nein, die das AG Waldbröl im AG Waldbröl, Urt. v. 31.10.2014 – 44 OWI-225 Js 1055/14-121/14 – verneint hat:

„Der Betroffene hat kein Mobiltelefon im Sinne des § 23 Abs. 1a StVO genutzt. Der Begriff des Mobiltelefons ist nicht gesetzlich definiert (vgl. König in Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 41. Auflage, § 23 StVO, Rn. 31). Unter Mobiltelefon versteht man ein tragbares Telefon, das über Funk mit dem Telefonnetz kommuniziert und daher ortsunabhängig eingesetzt werden kann (so zutreffend Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 3. Auflage, Rn. 1980; OLG Köln, NJW 2010, 546). Damit fallen Geräte wie das iPod, mit denen man nur über eine Internetverbindung ggf. telefonieren kann, nicht unter den Begriff des Mobiltelefons (vgl. Herrmann, NStZ 2011, 65, 67; Burhoff, Rn. 1981).

Eine Auslegung über den Wortlaut hinaus ist auch im Ordnungswidrigkeitenrecht unzulässig (verfassungsrechtliches Analogieverbot).

Durch sein Verhalten hat der Betroffene auch nicht gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen. Daher war er freizusprechen.2

Bei den Fundstellen kann und will ich nicht widersprechen 🙂 .

Die Kostenentscheidung ist dann allerdings nicht so schön. Seine eigenen notwendigen Auslagen muss der Betroffene nämlich gem. § 109a Abs. 2 OWiG selbst tragen. Begründet hat das Amtsrichter das damit, dass der Betroffene sich erstmals in der Hauptverhandlung unwiderlegbar dahingehend eingelassen habe, dass es sich um ein nicht zum telefonieren geeignetes iPod gehandelt hat. Na ja….