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Bin drin – der Online-Check-In und seine Folgen

entnommen wikimedia.org Urheber Mtcv

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Wir allen kennen den Online-Check-In und haben ganz vergessen, was es früher für ein Problem war, bei einer Flugreise einzuchecken. Heute ist man via Internet „schnell drin“. Was ich mich in dem Zusammenhang aber immer auch frage: Was ist denn nun eigentlich, wenn mir nach dem (Vorabend)Online-Check-In noch etwas dazwischen kommt mit der Folge, dass ich die Reise dann doch nicht antreten kann. Also, z.B., krank werde. Kann ich dann noch zurücktreten?

Dazu gibt es jetzt – nun ja schon etwas länger, aber ist erst jetzt veröffentlicht worden – eine Entscheidung des AG München. Das hat im AG München, Urt. v. 30.10.13 – 171 C 18960/13 (hier die PM) entschieden, dass der Versicherungsschutz einer Reiserücktrittsversicherung nicht beim Online Check-In ende, da damit die Reise noch nicht angetreten ist. Dazu aus der PM:

Am 3.4.13 buchte ein Düsseldorfer Kläger eine Flugreise vom 28.4.13 bis 17.5.13 von Frankfurt nach Santo Domingo. Gleichzeitig hat er eine Reiserücktrittsversicherung bei einer Münchener Versicherung abgeschlossen. Am Vormittag des 28.4.13 nutzte er das Angebot der Fluggesellschaft zum sogenannten Online Check-In. Kurz nachdem er eingecheckt hatte, erkrankte er so schwer, dass er nicht mehr flugfähig war und stornierte den Flug bei der Fluggesellschaft.

Nach den Versicherungsbedingungen der Reiserücktrittsversicherung beginnt der Versicherungsschutz mit der Buchung der Reise und er endet mit dem Antritt der Reise. Der Düsseldorfer Kläger verlangt nun von der Versicherung die Reisekosten erstattet. Er argumentiert, dass er den Flug aus medizinischen Gründen nicht angetreten habe. Die Versicherung weigert sich zu zahlen. Sie ist der Meinung, dass mit dem Einchecken die Flugreise angetreten wurde und damit der Versicherungsschutz geendet hat.

Der Richter gab dem Düsseldorfer Kläger Recht:
Das klassische Check-In-Verfahren am Flugschalter im Abfertigungsgebäude eines Flughafens diene der Kontrolle von Unterlagen, wie zum Beispiel Pass oder Visum, jedoch vorrangig der Gepäckaufgabe und der Übergabe der Bordkarte.

Das Online Check-In-Verfahren diene maßgeblich den wirtschaftlichen Interessen der Fluggesellschaften. Diese könnten Personal einsparen, wenn die Reisenden den Vorgang des Eincheckens in Eigenregie durchführen. Mit dem Online Check-In erkläre der Reisende der Fluggesellschaft gegenüber, dass er beabsichtigt, die vertraglich vereinbarte Beförderung durch die Fluggesellschaft abzurufen. Dieser Zeitpunkt ist aber noch nicht der faktische Reiseantritt. Das Gericht ist der Meinung, dass für den Reiseantritt der Reisende zumindest auch faktisch Leistungen der Fluggesellschaft in Anspruch nehmen muss, die unmittelbar mit der Beförderung verbunden sind. So nehme ein Reisender mit der Aufgabe von Gepäck am Flughafenschalter eine solche Leistung in Anspruch, da dieses Gepäck zum Zweck der Beförderung in den Frachtraum transportiert wird. Weiterhin könne man von einem Reiseantritt ausgehen, wenn der Reisende unter Vorlage seiner Bordkarte den Flugsteig passiert, um das Flugzeug betreten zu können. Das Gericht hat offen gelassen, ob durch die Vorlage der Bordkarte bei der Sicherheitskontrolle im Abflugbereich ein Reiseantritt erfolgt.

Das Urteil ist rechtskräftig.

„Let’s dance“ oder: „Seniorenballett“ mit 125 kg…

entnommen openclipart.org

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LTO weist in einem Beitrag auf das AG München, Urt. v. 30.08.13 – 281 C 11625/13 hin, zwar schon etwas älter, aber es passt m.E. ganz gut in die heutige „Kuriositäten-Reihe“. Die Meldung geht wohl zurück auf die PM des AG München, das die Schmerzensgeldklage eines 75 Jahre alten und 125 KG schweren „Balletttänzers“ abgewiesen hat, der sich an einer Ballettstange bei seinem Verein verletzt hatte.  Zu der Entscheidung heißt es in der PM:

„Der Kläger aus München ist Mitglied in einem Münchner Sportverein. Er ist 75 Jahre alt und 125 Kilogramm schwer und buchte einen Ballettkurs für Senioren bei seinem Verein. Am 20.3.12 benutzte er im Reha-Raum des Vereins die dortige Ballettstange. Diese Stange ist ausdrücklich für die Verwendung im Bereich Ballett, Rehabilitation und Gymnastik geeignet und besteht aus Profilschienen, die fest an der Wand befestigt sind. Die Halterungen sind stufenlos in der Höhe verstellbar. Es muss dafür lediglich eine Drehkopfschraube gelockert werden, um die Wandhalterung in der Wandschiene zu verschieben und anschließend diese Schraube in der für den Benutzer korrekten Höhe wieder angezogen werden. Hierfür ist kein besonderes Werkzeug erforderlich. Am 20.3.12 stellte der Kläger die Ballettstange für sich selbst ein.

Er gibt an, die Schraube richtig und fest verschraubt zu haben. Er sei auf dem linken Fuß seitlich zur Stange gestanden. Sein gesamtes rechtes Bein sei auf der Ballettstange gelegen. Die rechte Gesäßhälfte sei teilweise auf der Ballettstange gewesen, als die Ballettstange plötzlich unter ihm nachgab und etwa 50 Zentimeter bis auf Kniehöhe nach unten gerutscht sei. Er sei in diesem Moment in sein linkes Knie zusammengesackt und habe sogleich Schmerzen im Knie verspürt. Es wurde eine Knochenkontusion am Tibiakopf links und eine Innenmeniskusläsion festgestellt.

Der Kläger verlangt nun von seinem Verein Schmerzensgeld. Er ist der Meinung, dass das Gerät defekt war und im Übrigen der Verein dafür Sorge tragen muss, dass kein Bedienungsfehler entstehen kann.

Die Richterin wies seine Klage auf Schmerzensgeld zurück.

Derjenige, der sich selbst verletzt, könne einen anderen wegen dessen Mitwirkung nur dann in Anspruch nehmen, wenn dieser einen zusätzlichen Gefahrenkreis für die Schädigung geschaffen hat.

Derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenlage für andere schafft, hat Rücksicht auf diese Gefährdung zu nehmen und deshalb die allgemeine Pflicht, die notwendigen Vorkehrungen zu treffen, um die Schädigung anderer zu verhindern. Der Verkehrssicherungspflichtige, also der Verein, müsse deshalb nicht für alle denkbaren Möglichkeiten des Schadenseintritts Vorsorge treffen. Es würden diejenigen Vorkehrungen genügen, die nach den konkreten Umständen zur Beseitigung der Gefahr erforderlich und zumutbar sind. Das sind Maßnahmen, die ein umsichtiger und verständiger Mensch für notwendig und ausreichend halten darf, um andere vor Schaden zu bewahren. Danach sei der Verein verpflichtet gewesen, eine Ballettstange zur Verfügung zu stellen, die für den für das Gerät vorgesehenen Gebrauch geeignet ist. Bei zweckentfremdeter Nutzung bestehe keine Verkehrssicherungspflicht. Eine Ballettstange werde jedoch jedenfalls dann zweckentfremdet benutzt, wenn sie von einem Kursteilnehmer mit einem Gewicht von 125 Kilogramm vergleichbar einem Barhocker genutzt werde. Die Übungsleiterin habe auch nicht ihre Aufsichtspflicht verletzt. Der Kläger sei erfahren gewesen und die Handhabung der Ballettstange sehr einfach. Unter diesen Umständen habe keine Pflicht der Übungsleiterin bestanden zu prüfen, ob die Schraube richtig angezogen war.“

Fazit: Mit 125 kg auf einen Barhocker geht wohl, aber mit 125 kg auf eine Ballettstangen das geht wohl nicht. Insoweit dann: Finger weg.

Der Parkplatzkampf – ich will mehr als meinen eigenen…

entnommen wikimedia.org Autor: Urheber Mediatus

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Manchmal tun mir die (Zivil)Gerichte leid, wenn ich in Pressemitteilungen lese, was alles entschieden werden muss. So ist es mir auch bei der PM des AG München zum AG München, Urt. v. 11.06.2013 – 415 C 3398/13 – gegangen. Da geht es um einen Parkplatzkampf, allerdings der etwas anderen Art. Die Klägerin in dem Zivilverfahren hatte zwar einen Stellplatz, der zu ihrer Wohnung gehört. Im Grunde wollte sie aber mehr, nämlich auch noch einen Teil des daneben liegenden Stellplatzes. Das hat das AG München aber nicht mitgemacht. In der PM heißt es:

„Der Inhaber eines Stellplatzes darf diesen in seiner kompletten Breite ausnützen. Er darf sein Auto auch dann auf der rechten Hälfte parken, wenn dies dem Nutzer der danebenliegenden Parkfläche das Einsteigen erschwert. Das hat das AG München entschieden.

Eine Münchnerin parkte gewöhnlich ihren Opel Corsa auf dem Stellplatz, der zu ihrer Wohnung gehört. Der Stellplatz links neben ihr war an die Fahrerin eines Renault Kangoo vermietet. Von Zeit zu Zeit stellte diese ihren Renault nicht mittig auf der Parkfläche, sondern eher auf der rechten Hälfte ab. Dies störte die Fahrerin des Opel Corsa. Sie werde dadurch beim Einsteigen in ihr Fahrzeug behindert. Sie forderte ihre Nachbarin auf, dies zukünftig zu unterlassen und eine Unterlassungserklärung zu unterschreiben. Diese weigerte sich. Erstens mache sie das auch nur, wenn der Stellplatz links von ihr ebenso beparkt sei, da sie sonst nicht aus dem Auto aussteigen könne, zweitens könne die andere Autofahrerin ebenfalls weiter rechts parken. Die Besitzerin des Opel Corsa erhob daraufhin Klage vor dem Amtsgericht München und verlangte die Verurteilung der Fahrerin des Renaults dazu, es zu unterlassen, derart weit rechts zu parken, dass eine ungestörte Nutzung des Parkplatzes nicht möglich sei. Zwischen ihrem Fahrzeug (wenn es mittig geparkt sei) und dem anderen Fahrzeug müsse mehr als 50 Zentimeter an Zwischenraum verbleiben. Für den Fall der Zuwiderhandlung verlangte sie 5000 Euro.

Die zuständige Richterin wies die Klage jedoch ab: Die Klägerin habe keinen Unterlassungsanspruch, da eine Beeinträchtigung ihres Eigentums nicht vorliege. Das Parken der Renaultfahrerin stelle keine solche dar. Diese parke stets innerhalb der Grenzen ihres Parkplatzes. Sie sei zur Nutzung des kompletten Stellplatzes auch berechtigt. Dies ergebe sich schon daraus, dass sie auch ein breiteres Fahrzeug, das eventuell den gesamten Stellplatz benötigen würde, abstellen dürfte. Auch das Rücksichtnahmegebot sei nicht verletzt. Die Renaultfahrerin parke ihren PKW nur dann mehr rechts, wenn auch der Autofahrer auf ihrer linken Seite dies tue. Da das Rücksichtnahmegebot sich in beide Richtungen erstrecke, könne auch die Klägerin in einem solchen Fall nach rechts rücken.“

Ich frage mich immer, ob man über so etwas nicht reden kann. Aber vielleicht hat man ja und ist aus uns unbekannten Gründen nicht zu einem vernünftigen Ergebnis gekommen.

Und: Ceterum censeo: Hier geht es zur Abstimmung Beste Jurablogs Strafrecht 2014 – wir sind dabei, die Abstimmung läuft…

Aufpassen beim Ausparken – Beweis des ersten Anscheins gilt 30 m

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Eine Fahrzeugführerin ist in Münchnerin beim Ausparken ihres Pkw mit einem Taxi zusammengestoßen. Sie macht gegenüber dem Taxifahrer Schadensersatz geltend. Begründung: Sie habe sich mit ihrem Fahrzeug bereits auf der Straße befunden, als der Taxifahrer sie überholt und ihren Wagen dabei gestreift habe. Der Taxifahrer hat demgegenüber geltend gemacht, die Fahrzeugführerin habe ihren Wagen so plötzlich aus der Parklücke zurückgesetzt, dass ein Zusammenstoß nicht mehr zu vermeiden gewesen sei.

Das AG hat im AG München, Urt. v. 25.01.2013 – 344 C 8222/11 dem Taxifahrer Recht gegeben und auf § 10 StVO hingewiesen. Danach müsse jeder, der vom Fahrbahnrand anfahren wolle, sich so verhalten, dass er andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährde. Der Auspark-Vorgang als solcher sei erst nach einer Fahrt von mindestens 30 Metern vollständig abgeschlossen. Geschehe vorher ein Unfall, spreche der erste Anschein für ein Verschulden des Ausparkenden. Diesen ersten Anschein habe die Autofahrerin im konkreten Fall nicht erschüttern können (zur PM v. 19.08.2013 – 36/13 des AG München geht es hier).

Das abgestellt Fahrrad fällt um – und dann?

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Als ich die PM vom 15.07.2013 zum AG München, Urt. v. 11.06.2013, 261 C 8956/13 entdeckt hatte, war meine rster Gedanke: Klar, dass das AG Münster sich mit einer solchen Frage befassen musste – Münster „Weltstadt des Fahrrades“. Bei genauerem Hinsehen, war es aber dann das AG München, das sich mit der Frage nach der Haftung für ein umgefallenes Fahrrad befassen musste.

Das AG München geht davon aus, dass das Parken eines Fahrrades auf dem Gehweg als Gemeingebrauch grundsätzlich zulässig ist, soweit das Rücksichtnahmegebot gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern beachtet wird. Erleide jemand einen Schaden an seinem PKW und geht er davon aus, dass dieser durch ein umgefallenes Fahrrad entstanden ist, habe er das aber zu beweisen. Verschuldensunabhängige Schadensersatzansprüche existieren für abgestellte Fahrräder nicht.

Im entschiedenen Fall hatte eine Münchnerin den BMW Mini ihres Vaters Ende Juni 2012 in der Maximiliansstraße abgestellt. Als sie ein paar Stunden später zurückkam, fand sie dort ein Fahrrad vor, das auf den rechten Kotflügel des PKWs gefallen war. Der Mini wies Kratzer sowie eine Delle am rechten Kotflügel auf. Bei Nachforschungen stellte sich heraus, dass das Fahrrad vorher durch seinen Besitzer auf dem Gehweg abgestellt worden war.

Die Reparatur des BMWs kostete 1745 Euro, die der Eigentümer des Wagens von dem Besitzer des Fahrrades verlangte. Schließlich habe dieser sein Fahrrad so abgestellt, dass es auf sein Auto fallen konnte. Dies sei grob fahrlässig gewesen. Jedes Fahrrad müsse so abgeschlossen werden, dass eine Beschädigung von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen sei. Der Fahrradfahrer hätte einen angemessenen Sicherheitsabstand einhalten müssen.

Der Besitzer des Fahrrades weigerte sich zu zahlen. Er habe sein Fahrrad ordnungsgemäß abgestellt. Was dann passiert sei, wisse er nicht.

Der Mini-Fahrer erhob Klage vor dem Amtsgericht München. Das hat die Klage abgewiesen: Zwar habe der Kläger einen Schaden an seinem PKW erlitten, es fehle aber der Nachweis der schuldhaften Verursachung des Schadens durch den Fahrradfahrer. Das Parken eines Fahrrades auf dem Gehweg sei als Gemeingebrauch grundsätzlich zulässig, soweit das Rücksichtnahmegebot gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern beachtet werde. Verschuldensunabhängige Schadensersatzansprüche existierten für abgestellte Fahrräder nicht. Nachdem das Fahrrad nicht befestigt gewesen sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass es von einem Dritten aus einer zunächst gesicherten Position fortbewegt wurde – etwa um Platz für ein eigenes Fahrrad zu schaffen – und erst so in die das Eigentum des Klägers gefährdende Position gebracht wurde. Ein solches Verhalten eines Dritten wäre dem Fahrradfahrer nicht zuzurechnen. Die Behauptung des Klägers, der Beklagte selbst habe sein Fahrrad so abgestellt, dass es auf sein Auto fallen konnte, habe jener nicht beweisen können. Ein Schadenersatzanspruch sei deshalb nicht gegeben.

 Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.