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Pflichtverteidiger für den inhaftierten Mandanten

Inzwischen kann man es als h.M. bezeichnen, dass auch in den Fällen der Beiordnung eines Pflichtverteidigers nach der neuen Vorschrift des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO das Verfahren des § 142 Abs. 1 StPO beachtet werden und dem Beschuldigten t und i.d.R. genügend Zeit gegeben werden muss, eine Auswahlentscheidung zu treffen.

So jetzt auch das OLG Koblenz, Beschl. v. 02.02.2011 – 2 Ws 50/11. Dabei sind auch psychische Belastungen des Beschuldigten aufgrund der Inhaftierung zu berücksichtigen. Wird das Auswahlverfahren nicht eingehalten, wird der beigeordnete Verteidiger ggf. auf Antrag des Beschuldigten entpflichtet und ihm der von ihm später gewählte Verteidiger beigeordnet.

Lesetipp: Eisenberg zum Referentenentwurf des BMJ „Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG)“

Das BMJ hat ein „Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG)“ in der Pipeline. Dazu liegt bisher nur ein Referentenentwurf vor. Mit dem befasst sich Eisenberg in HRRS 2011, 64. Die Redaktion von HRRS schreibt zu dem Beitrag in ihrem letzten Newsletter:

„Der „Referentenentwurf des BMJ ,Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs (StORMG)‘ 2010“ ist Thema des gleichnamigen Aufsatzes von Prof. Dr. Ulrich Eisenberg, Berlin. Eisenberg untersucht in ihm kritisch die vorgesehenen Änderungen des Strafverfahrensrechts, die – entgegen dem Gesetzestitel – weit über die genannten Opfer- bzw. Deliktsgruppen hinausgehen. Eisenberg sieht bei den Vorschlägen des BMJ beweisrechtliche Grundlagen des Strafverfahrensrechts nicht beachtet. Er kritisiert insbesondere, dass der Entwurf den erforderlichen Schutz vor Falschbelastungen geringschätzt. Der Entwurf komme in mehrfacher Hinsicht Belangen solcher Berufsgruppen entgegen, für die Kriminalität positive Funktionen erfüllt. Als verdienstvoll wertet Eisenberg die vorgesehenen Konkretisierungen der Eignung der an Jugendgerichten und Jugendstaatsanwaltschaften Amtierenden.“

Ganz interessant m.E. die geplanten Änderungen bei § 140 StPO im Hinblick auf die Waffengleichheit. Damit kann man ggf. jetzt schon mal argumentieren.

Lesetipp: Beitrag zum Pflichtverteidiger für den Inhaftierten, StRR 2011, 4

In StRR 2011, 4 haben wir einen Beitrag zu § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO, und zwar zur Frage, ob die Vorschrift nur verfahrensbezogen ist oder auch die Inhaftierung in anderen Verfahren erfasst, wie das OLG Frankfurt und das LG Itzehoe – über beide Entscheidungen habe ich hier schon berichtet – meinen.

Die Autoren – ein RiAG und (s)ein Referendar sind anderer Auffassung. Die Argumente muss man mal gelesen haben, um im Verfahren vortragen zu können. Daher hier der Link.

Pflichtverteidigerbestellung bei Untersuchungshaft – verfahrensbezogen Ja oder Nein?

Ein Streitpunkt (vgl. hier und hier) bei der Auslegung der neuen Vorschrift des § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO ist die Frage, ob der Rechtsanwalt als Pflichtverteidiger auch dann zu bestellen ist, wenn die Untersuchungshaft  nicht in demjenigen Verfahren vollzogen wird, für welches sich der Verteidiger bestellt hat.

Das OLG Frankfurt sagt in seinem Beschl. v. 22.04.2010 – 3 Ws 351/10, auf den ich erst jetzt gestoßen bin: Dem Beschuldigten ist der Rechtsanwalt gleichwohl zum Pflichtverteidiger zu bestellen. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der gesetzlichen Neuregelung. Es werde dort ausschließlich die Vollstreckung von Untersuchungshaft als Anknüpfungspunkt für die Erforderlichkeit der Pflichtverteidigung genannt. Auch historische Argumente sprechen nach Auffassung des OLG für diese Sichtweise, da bereits zur alten Rechtslage anerkannt war, dass eine Beiordnung verfahrensunabhängig zu erfolgen hatte.

M.E. nach Sinn und Zweck der Neuregelung zutreffend.

Die erforderliche Auswechselung des „quasi aufgezwungenen“ Pflichtverteidigers

Kurz und trocken hat das LG Bochum in einem Beschl. v. 01.12.2010 – II 21 KLs 36 Js 370/10 – 25/10 – den Pflichtverteidiger ausgewechselt, nachdem dem Beschuldigten im Verfahren nach § 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO keine Gelegenheit gegeben worden war zur Pflichtverteidigerbestellung Stellung zu nehmen. Und zwar Auswechselung ohne Wenn und Aber, sprich: Ohne Sperenzchen bei der Frage der Kosten/gesetzlichen Gebühren.