Im „richtigen“ „Kessel Buntes“ gibt es heute zwei BGH-Entscheidungen zum Zivilrecht.
Und da kommt zunächst das BGH, Urt. v. 17.12.2019 – VI ZR 315/18. Es geht um den Ersatz von Sachverständigenkosten nach einem Verkehrsunfall, bei dem das Fahrzeug des Klägers beschädigt ist. Veursacht worden war der Unfall durch den Fahrer eines bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW. Der Kläger beauftragte einen Sachverständigen mit der Begutachtung des Schadens an seinem Kraftfahrzeug. Er schloss mit dem Sachverständigen eine Honorarvereinbarung ab, in der er die Schadensersatzansprüche auf Erstattung von Gutachterkosten zur Sicherheit an den Sachverständigen abtrat. Die Sicherungsabtretung sollte mit vollständiger Bezahlung der vom Sachverständigen berechneten Kosten erlöschen. Nach der Honorarvereinbarung sollte zum einen ein nach der Höhe des Nettoschadens prozentual berechnetes Grundhonorar bezahlt werden. Bei Nettoschäden bis 1.350 € betrug der vereinbarte Satz für das Nettogrundhonorar 30% des in der Vereinbarung näher definierten Nettoschadens. Daneben sollten verschiedene Nebenkosten, wie etwa Telekommunikations-, Porto-, Schreib- und EDV-Kosten, teils pauschal und teils nach Anfall berechnet werden können.
Der Sachverständige berechnete dem Kläger für seine Tätigkeit ein Honorar von brutto 704,96 EUR. Das Grundhonorar betrug 30 % des ermittelten Nettoschadens und wurde mit netto 365,60 EUR berechnet. Zusätzlich wurden dem Kläger Netto-Nebenkosten in Höhe von insgesamt 226,80 € in Rechnung gestellt. Die Beklagte beglich die Sachverständigenrechnung in Höhe von 407 €. Die Differenz von 297,96 EUR zahlte der Prozessbevollmächtigte des Klägers an den Sachverständigen. Der Kläger verlangt nun von der Beklagten die Erstattung dieses Differenzbetrages.
Das AG hat der Klage teilweise stattgegeben und die Beklagte zur Zahlung von 105,65 EUR verurteilt. Die vom AG zugelassene Berufung des Klägers hat das LG zurückgewiesen. Mit seiner zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren auf Ersatz der restlichen Sachverständigenkosten weiter. Der BGH hat aufgehoben und zurückverwiesen:
„2. Die Revision wendet sich aber mit Erfolg gegen die Erwägungen des Berufungsgerichts zur Höhe der für die Begutachtung des beschädigten Fahrzeugs erforderlichen Kosten. Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Höhe der vom Sachverständigen in Rechnung gestellten Honorarsumme nebst Nebenkosten und dem Inhalt der zwischen Geschädigtem und Sachverständigen geschlossenen Honorarvereinbarung komme im vorliegenden Schadensersatzprozess bei der Bestimmung der Höhe der zu ersetzenden Sachverständigenkosten keine Bedeutung zu, ist rechtsfehlerhaft.
a) Allerdings ist die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs in erster Linie Sache des nach 287 ZPO besonders frei gestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter erhebliches Vorbringen der Parteien unberücksichtigt gelassen, Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Es ist insbesondere nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, dem Tatrichter eine bestimmte Berechnungsmethode vorzuschreiben (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 5. Juni 2018 – VI ZR 171/16, VersR 2018, 1338 Rn. 12 und vom 24. Oktober 2017 – VI ZR 61/17, NJW 2018, 693 Rn. 14, jeweils mit mwN).
b) Im Streitfall hat das Berufungsgericht seiner Schätzung jedoch unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt.
aa) Ist wegen der Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Geschädigte gemäß 249 Abs. 2 Satz 1 BGB statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen. Sein Anspruch ist auf Befriedigung seines Finanzierungsbedarfs in Form des zur Wiederherstellung objektiv erforderlichen Geldbetrags und nicht etwa auf Ausgleich von ihm bezahlter Rechnungsbeträge gerichtet. Der Geschädigte ist nach schadensrechtlichen Grund-sätzen in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung frei. Er darf zur Schadensbeseitigung grundsätzlich den Weg einschlagen, der aus seiner Sicht seinen Interessen am besten zu entsprechen scheint. Denn Ziel der Schadensrestitution ist es, den Zustand wiederherzustellen, der wirtschaftlich gesehen der hypothetischen Lage ohne das Schadensereignis entspricht. Der Geschädigte ist deshalb grundsätzlich berechtigt, einen qualifizierten Gutachter seiner Wahl mit der Erstellung des Schadensgutachtens zu beauftragen (st. Rspr.; vgl. nur Senatsurteile vom 5. Juni 2018 – VI ZR 171/16, VersR 2018, 1338 Rn. 14 und vom 24. Oktober 2017 – VI ZR 61/17, NJW 2018, 693 Rn. 16, jeweils mwN).
bb) Der Geschädigte kann jedoch vom Schädiger nach 249 Abs. 2 Satz 1 BGB als erforderlichen Herstellungsaufwand nur die Kosten erstattet verlangen, die vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen in der Lage des Geschädigten zur Behebung des Schadens zweckmäßig und notwendig erscheinen. Er ist nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren den wirtschaftlichsten Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Allerdings ist bei der Beurteilung, welcher Herstellungsaufwand erforderlich ist, auch Rücksicht auf die spezielle Situation des Geschädigten, insbesondere auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie auf die möglicherweise gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten zu nehmen (sog. subjektbezogene Schadensbetrachtung). Auch ist der Geschädigte grundsätzlich nicht zu einer Erforschung des ihm zugänglichen Markts verpflichtet, um einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen. Aus dem Wirtschaftlichkeitsgebot ergibt sich allerdings eine Obliegenheit zu einer gewissen Plausibilitätskontrolle der vom Sachverständigen bei Vertragsabschluss geforderten bzw. später berechneten Preise. Verlangt der Sachverständige bei Vertragsabschluss Preise, die – für den Geschädigten erkennbar – deutlich überhöht sind, kann sich die Beauftragung dieses Sachverständigen als nicht erforderlich im Sinne des § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB erweisen. Der Geschädigte kann dann nur Ersatz der für die Erstattung des Gutachtens tatsächlich erforderlichen Kosten verlangen, deren Höhe der Tatrichter gemäß § 287 ZPO zu bemessen hat. Im Fall einer Preisvereinbarung kann der Geschädigte Ersatz in Höhe der vereinbarten Preise nur verlangen, wenn diese für ihn bei seiner Plausibilitätskontrolle beim Abschluss der Vereinbarung nicht erkennbar deutlich überhöht waren (Senatsurteile vom 5. Juni 2018 – VI ZR 171/16, VersR 2018, 1338 Rn. 15 und vom 24. Oktober 2017 – VI ZR 61/17, NJW 2018, 693 Rn. 17, jeweils mwN).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats bildet der vom Geschädigten in Übereinstimmung mit der Rechnung und der ihr zugrunde liegenden getroffenen Preisvereinbarung tatsächlich erbrachte Aufwand (ex post gesehen) bei der Schadensschätzung nach § 287 ZPO ein Indiz für die Bestimmung des zur Herstellung „erforderlichen“ (ex ante zu bemessenden) Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB. In ihm schlagen sich die beschränkten Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten regelmäßig nieder (vgl. Senatsurteile vom 5. Juni 2018 – VI ZR 171/16, VersR 2018, 1338 Rn. 17; vom 24. Oktober 2017 – VI ZR 61/17, VersR 2018, 240 Rn. 18 f.; vom 19. Juli 2016 – VI ZR 491/15, VersR 2016, 1387 Rn. 19; vom 22. Juli 2014 – VI ZR 357/13, VersR 2014, 1141 Rn. 16).
cc) Mit diesen Grundsätzen ist die Auffassung des Berufungsgerichts nicht zu vereinbaren, die vorstehend beschriebene Indizwirkung könne im Streitfall schon deshalb nicht Platz greifen, weil die Rechnung des Sachverständigen nicht vom Geschädigten selbst, sondern von dessen anwaltlichem Bevollmächtigten beglichen worden sei.
(1) Der Senat teilt nicht die Annahme des Berufungsgerichts, es sei bei einer Zahlung des (Rest-)Honorars durch einen Rechtsanwalt immer ausgeschlossen, dass diese Zahlung die eingeschränkte subjektbezogene Erkenntnismöglichkeit des Geschädigten als Laien widerspiegeln könne.
Hat der Geschädigte nämlich selbst eine Honorarvereinbarung mit dem Sachverständigen geschlossen, ohne bereits dabei rechtlich beraten worden zu sein, so kommt es für die Beurteilung der Erforderlichkeit des geltend gemachten Herstellungsaufwandes, soweit er sich unmittelbar aus der Preisvereinbarung ergibt, nach den oben dargelegten Grundsätzen darauf an, ob der Sachverständige bei Vertragsabschluss Preise verlangt hat, die – für den Geschädigten aufgrund einer Plausibilitätskontrolle erkennbar – deutlich überhöht sind. Denn die spätere Zahlung durch den Rechtsanwalt stellt in einem solchen Fall allein die Erfüllung der vom Geschädigten selbst eingegangenen Verpflichtung dar; die bei Eingehung der den Geschädigten bindenden Preisvereinbarung gegebenenfalls eingeschränkten Erkenntnismöglichkeiten schlagen sich deshalb auch in einem solchen Fall im Zahlbetrag nieder. Etwaige Erkenntnismöglichkeiten des in den Zahlungsvorgang eingeschalteten Rechtsanwalts zur Plausibilität der Preisvereinbarung oder Hinweise des Haftpflichtversicherers auf die Überhöhung vereinbarter Positionen haben keinen Einfluss auf die bestehenden Zahlungspflichten des Geschädigten und damit darauf, ob er deren Erfüllung für erforderlichen Herstellungsaufwand halten darf. Die Sorge des Berufungsgerichts, der anwaltliche Bevollmächtigte könne die Rechnung gerade deswegen begleichen, um in den Genuss der Indizwirkung zu kommen, greift in einem solchen Fall nicht durch.
Feststellungen, dass der Kläger schon bei Abschluss der Honorarvereinbarung anwaltlich beraten worden wäre, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Soweit die vom Rechtsanwalt des Klägers beglichene Rechnung – was revisionsrechtlich zu unterstellen ist – in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Preisvereinbarung steht, ist diese der Schätzung gemäß § 287 ZPO damit zugrunde zu legen, sollten – was das Berufungsgericht bislang nicht geklärt hat – die darin vereinbarten Preise aus der maßgeblichen Sicht des Klägers bei Abschluss der Vereinbarung plausibel gewesen sein.
Die Annahme einer Erweiterung der Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten durch die anwaltliche Vertretung und Beratung kommt im Streitfall allerdings hinsichtlich der Prüfung der Frage in Betracht, ob etwaige Abweichungen zwischen Preisvereinbarung und Rechnung oder sonstige Gründe für deren Überhöhung – etwa der Umstand, dass geltend gemachte Nebenkosten tatsächlich nicht angefallen sind – für den anwaltlich beratenen Geschädigten erkennbar waren. Das schließt das Eingreifen der Indizwirkung aber nicht von vornherein aus.
(2) Aus der Entscheidung des erkennenden Senats vom 26. April 2016 – VI ZR 50/15 (VersR 2016, 1133 Rn. 12), die das Berufungsgericht heranzieht, ergibt sich nichts anderes. Auch in diesem Urteil hat der Senat – wie das Berufungsgericht im Ansatz richtig erkennt – darauf abgehoben, dass der Grund für die Annahme einer Indizwirkung des vom Geschädigten tatsächlich erbrachten Aufwands bei der Schadensschätzung darin liegt, dass bei der Bestimmung des erforderlichen Betrages im Sinne von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die besonderen Umstände des Geschädigten, mitunter auch seine möglicherweise beschränkten Erkenntnismöglichkeiten, zu berücksichtigen sind und sich diese regelmäßig im tatsächlich aufgewendeten Betrag niederschlagen. Im dortigen Fall war der Geschädigten durch die Beauftragung des Sachverständigen aufgrund der an Erfüllungs statt erfolgten Abtretung ihrer Kostenerstattungsansprüche jedoch kein Kostenaufwand entstanden.
So liegt es hier aber nicht. Bei der im Streitfall erfolgten Sicherungsabtretung des Schadensersatzanspruchs auf Erstattung von Gutachterkosten sollte nach den getroffenen Vereinbarungen eine etwaige Kürzung der geltend gemachten Kosten durch die gegnerische Haftpflichtversicherung ohne Einfluss auf die Ansprüche des Gutachters gegen den Geschädigten bleiben. Nach dem von der Revision in Bezug genommenen vorinstanzlichen Vorbringen des Klägers, das mangels entgegenstehender Feststellungen des Berufungsgerichts für das Revisionsverfahren als zutreffend zu unterstellen ist, hat der anwaltliche Bevollmächtigte des Klägers, der zugleich Geschädigter ist, die Restforderung des Sachverständigen auf Anweisung sowie namens und in Vollmacht des Geschädigten aus dem Gesamtschadensbetrag ausgeglichen, welchen die Beklagte zur Schadensabwicklung an den Prozessbevollmächtigten des Klägers gezahlt hatte. Damit handelt es sich bei der Restzahlung rechtlich und wirtschaftlich um finanziellen Aufwand des Klägers, der diesen unmittelbar belastet. Dass die Rechnung des Sachverständigen vom Geschädigten „persönlich“ beglichen wird, ist keine Voraussetzung für den Eintritt der Indizwirkung.
Das Berufungsurteil war daher aufzuheben und die Sache gemäß § 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO mangels Entscheidungsreife zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Das Berufungsgericht wird zu prüfen haben, inwieweit die Zahlung des Rechnungsrestbetrages auf der Grundlage einer aus Sicht des Geschädigten plausiblen Preisvereinbarung erfolgte und etwaige nach der Honorarvereinbarung nicht gerechtfertigte Positionen für ihn oder seinen anwaltlichen Vertreter erkennbar waren. Vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die vom Berufungsgericht für höchstrichterlich klärungsbedürftig gehaltene Frage, ob die vom BVSK in seiner Honorarbefragung 2015 vorgegebenen Nebenkosten allgemein als geeignete Grundlage einer Schätzung nach § 287 ZPO angesehen werden können, nach den eigenen Erwägungen des Berufungsgerichts nicht entscheidungserheblich war. Denn das Berufungsgericht hat bei seiner Schätzung selbstständig tragend darauf abgestellt, dass die vom BVSK vorgegebenen Nebenkosten im Streitfall aufgrund eigener Erfahrung des Berufungsgerichts den in der maßgeblichen Region üblichen Kosten sowie den Sätzen des JVEG – soweit dort vorgegeben – entsprechen.“
Pingback: BlogScan 7.KW 2020