Pauschgebühr für die Revisions-HV, oder: Antrag ohne Augenmaß

Bild von Christian Dorn auf Pixabay

Heute dann aus dem Gebührenrecht mal eine Entscheidung des BGH zur Pauschvergütung nach § 51 RVG. Also für den Pflichtverteidiger. Und gleich vorweg: Über die Entscheidung habe ich mich geärgert. Nicht über den BGH, der eine Pauschgebühr nicht bewilligt hat – er ist da sonst, auch was die Höhe angeht, m.E. schon recht großzügig. Nein, geärgert habe ich mich über den Antragsteller und mich gefragt, ob der sich eigentlich vor seinem Antrag mal ein wenig mit Rechtsprechung und Literatur zu § 51 RVG befasst hat.

Hier dann der BGH, Beschl. v. 15.01.2020 – 1 StR 492/15 -, aus dem sich auch die Eckdaten für die Antragstellung entnehmen lassen:

“ 1. Der Antragsteller wurde dem Angeklagten G. durch Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 28. Juni 2016 als Verteidiger für die Hauptverhandlung vor dem Bundesgerichtshof bestellt.

Gegenstand des Verfahrens waren Revisionen des Angeklagten G. und eines Mitangeklagten. Der Angeklagte G. hatte mit seiner Revision im Wesentlichen die Bestimmung der nicht geringen Menge des Wirkstoffgehalts von Schlafmohnkapseln durch das Landgericht beanstandet. Der Senat hat ein Sachverständigengutachten hierzu eingeholt und diesen Sachverständigen sowie den der ersten Instanz im Termin vom 27. Oktober 2016 angehört. Die Revisionshauptverhandlung dauerte von 10.36 Uhr bis 11.52 Uhr und – nach einer Unterbrechung – von 12.04 Uhr bis 12.45 Uhr und somit insgesamt eine Stunde und 57 Minuten. Am 8. November 2016 wurde das Revisionsurteil verkündet.

Mit Schriftsatz vom 3. September 2019 hat der Antragsteller beantragt, ihm eine Pauschgebühr in Höhe von 4.400 € für das Revisionsverfahren und von jeweils 1.400 € für die Wahrnehmung der beiden Termine unter Anrechnung der gesetzlichen Gebühren zu bewilligen, und die Auszahlung von weiteren 5.213 € zuzüglich Umsatzsteuer beantragt. Er trägt vor, das Mandat habe den Kanzleibetrieb etwa acht Monate dominiert, wegen des Umfangs des Verfahrens und dem damit verbundenen Arbeitsaufwand hätten mehrfach Mandate abgelehnt werden müssen, die Anreise zu den Terminen vor dem Bundesgerichtshof und die Rückreise zum Kanzleisitz in W. mit dem eigenen PKW habe jeweils drei Stunden gedauert und die Hauptverhandlung sei sehr umfangreich gewesen.

2. Die Voraussetzungen gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG für die Bewilligung einer Pauschgebühr liegen nicht vor.

a) Danach ist eine Pauschgebühr festzusetzen, die über die gesetzlichen Gebühren hinausgeht, wenn dies wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache oder des betroffenen Verfahrensabschnitts geboten erscheint. Die Bewilligung einer Pauschgebühr ist ein Ausnahmefall, der nur vorliegt, wenn objektiv eine überdurchschnittliche anwaltliche Leistung erforderlich wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. Juni 2015 – 4 StR 267/11 Rn. 5 und vom 19. Januar 2017 – 2 StR 549/15 Rn. 1). Entscheidend ist, ob die konkrete Strafsache selbst umfangreich war und infolge dieses Umfangs eine zeitaufwendigere, gegenüber anderen Verfahren erhöhte Tätigkeit des Verteidigers notwendig machte. Dabei ist nur der Zeitaufwand berücksichtigungsfähig, der allein aus verfahrensbezogenen Tätigkeiten des Pflichtverteidigers herrührt, nicht hingegen solcher, der seinen Grund in nur verteidigerbezogenen persönlichen Umständen hat (BGH, Beschluss vom 1. Juni 2015 – 4 StR 267/11 Rn. 5 m.w.N.). Deshalb sind Fahrzeiten bei der Entscheidung über die Bewilligung einer Pauschgebühr nicht zu berücksichtigen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 1. Februar 2005 – 2 BvR 2456/04; BGH, Beschluss vom 1. Juni 2015 – 4 StR 267/11 Rn. 6). Entscheidend ist lediglich, ob die konkrete Strafsache selbst umfangreich war, und deshalb, gegebenenfalls auch infolge komplizierter Rechtsfragen, die im Vergleich zu anderen Verfahren zeitaufwendigere Tätigkeit des Verteidigers bedingte.

b) Dies war hier nicht der Fall. Die Strafsache hatte keinen besonderen Umfang. Das angefochtene Urteil, das zwei Angeklagte betraf, umfasste 26, die Revisionsbegründung zwölf und die Antragsschrift des Generalbundesanwalts sieben Seiten, wobei sich Revisionsbegründung und Antragsschrift hauptsächlich mit der Bestimmung der nicht geringen Menge des Wirkstoffgehalts von Schlafmohnkapseln befassten. Dies war auch nahezu ausschließlich die Thematik des ersten Hauptverhandlungstermins. Auch dessen Verhandlungsdauer war unter Berücksichtigung dessen, dass zwei Revisionen zu behandeln waren und auch eine Verhandlungspause enthalten war, nicht außergewöhnlich lang. Sonstige überdurchschnittlich schwierige Rechtsfragen wies die Strafsache nicht auf. Beim zweiten Hauptverhandlungstermin handelte es sich lediglich um den Verkündungstermin, der keine besondere Vorbereitung erforderte.“

Wie gesagt: Mich ärgert der Beschluss oder besser die Antragstellung. Denn wie kann man bei den Eckdaten auf die Idee kommen, einen solchen Pauschgebührantrag zu stellen. Das musste zum Scheitern verurteilt sein. Von daher: Zustimmung von mir für den BGH, Beschluss. Bei allem Verständnis für anwaltliches Bestreben nach mehr Gebühren/Einnahmen, aber: So geht es nicht. Man muss schon Augenmaß behalten. Und immer auch daran denken: Bad case makes bad law. Und das wollen wir doch alle nicht.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert