Die Karnevalszüge rollen bzw. stehen in den Startlöchern. Und das bedeutet für Anlieger am Zugweg: Sie müsen nicht nur den Lärm „ertragen“ und wahrscheinlich hinterher auch die Überreste 🙂 , sondern ggf. müssen sie auch Parkplätze vor ihrem Haus räumen oder kommen nicht zu ihren Häusern. Und das gibt dann ggf. Ärger, wie das schon etwas ältere VG Düsseldorf, Urt. v. 26.11.2013 – 14 K 4613/13 – zeigt. Da war es ein Kinderkarnevalszug, für den Platz geschaffen werden musste. Es wurde für bestimmte Straßen ein Durchfahrtsverbot verhängt. Dagegen wandte sich ein Anlieger. Das VG Düsseldorf hat seine Klage abgewiesen:
„Nach diesen Maßstäben steht dem Kläger jedoch kein Anspruch auf die begehrte Ausnahmeregelung nach § 45 StVO zu. Aus Gründen der Sicherheit und Ordnung musste hier zur gefahrfreien Durchführung des Kinderkarnevalsumzuges die verkehrsrechtliche Anordnung getroffen werden, da eine das allgemeine Risiko erheblich überschreitende Gefahrenlage vorlag. Die textlich niedergelegte Anordnung ist auch umgesetzt worden. Dass die zeichnerische Darstellung der abzusperrenden Straße im Bereich C1.straße / F.straße von der textlich niedergelegten Fassung abweicht, ist rechtlich nicht erheblich, da es sich um einen offensichtlichen Fehler handelt. Denn die Absperrung der C. Straße und damit die Sicherung des äußeren Veranstaltungsbereichs konnte effektiv nur dadurch erreicht werden, dass die C1.—straße erst in Höhe der F.–straße und nicht bereits in Höhe der L1.straße abgesperrt wurde.
Nach dem vom Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entwickelten Maßstab setzt die Vorschrift nur – aber immerhin – eine das allgemeine Risiko deutlich übersteigende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts voraus. Erforderlich ist somit eine entsprechende konkrete Gefahr, die auf besonderen örtlichen Verhältnissen beruht.
Vgl.: BVerwG, Urteil vom 23. September 2010 – 3 C 37/09 – NZV 2011, S. 156 ff..
Eine derartige Gefahrenlage lag hier für den Zeitraum des Karnevalsumzuges für die Teilnehmer und Besucher nach den Einschätzungen der Polizei vor, so dass im Rahmen der präventiven Gefahrenabwehr die Absperrung notwendig war.
Gegenüber dieser Gefahrenlage hatten die Interessen des Klägers, mit seinem PKW bis vor seine Haustür zu gelangen, zurückzutreten. Es war ihm auch nicht verwehrt, zu seinem Haus zu gelangen, sondern er war lediglich in der Wahl seiner Fortbewegungsmöglichkeit beschränkt. Dabei ist es dem jungen und gesunden Kläger durchaus zuzumuten, während der Zeit der Absperrung von einem weiter entfernt gelegenen Parkplatz zu Fuß zu seinem Wohnort zu gelangen. Auch hätte er sich rechtzeitig vor der Sperrung über die Maßnahmen informieren und entsprechende Vorkehrungen treffen können, zumal er erst weggefahren ist, als die Sperre schon eingerichtet war (z.B. das Mitnehmen eines Mantels bei 0 Grad, was sich aus Sicht des Gerichts angesichts der Außentemperaturen ohnehin angeboten hätte).
Darüberhinaus liegt hier keine Ermessensreduzierung auf Null vor, die allein einen Anspruch begründen könnte. Gemäß 45 Abs. 1 S. 1 StVO liegt es im Ermessen der Behörde, ob und welche Maßnahmen sie zur Abwehr der Gefahr ergreift. Die Ermessensentscheidung der Beklagten kann das Gericht nur eingeschränkt daraufhin überprüfen, ob sie die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens überschritten hat und ob sie von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 114 VwGO). Dabei kann die Behörde ihre Ermessenserwägungen auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (§ 114 S. 2 VwGO). Bei der Entscheidung über eine verkehrsregelnde Anordnung nach § 45 Abs. 1 S. 1 StVO hat die zuständige Straßenverkehrsbehörde im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens sowohl die Belange des Straßenverkehrs und der Verkehrsteilnehmer zu würdigen als auch die Interessen etwa betroffener Anlieger in Rechnung zu stellen. Dabei sind die Belange Einzelner nur insoweit zu berücksichtigen, soweit deren geschützte Individualinteressen berührt werden,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 6. Dezember 2006 – 8 A 4840/05 – juris; König, in: Hentschel, a.a.O. § 42 Rdnr. 28 a.
Gemessen an diesen Maßstäben ist eine Rechtsverletzung des Klägers nicht zu erkennen. Die Beklagte hat das ihr nach § 45 Abs. 1 Satz 1 StVO eingeräumte Ermessen, ob und welche Maßnahmen sie zur Beseitigung der Gefahrenlage ergreift, auch unter Berücksichtigung des Interesses von Anliegern, jederzeit mit ihrem PKW bis vor die Haustür fahren zu können, fehlerfrei ausgeübt. Es ist nicht feststellbar, dass die Beklagte sich von sachfremden Erwägungen hätte leiten lassen, wesentlichen Sachverhalt nicht aufgeklärt oder verkannt bzw. die Interessen des Klägers nicht erfasst oder nicht ausreichend abgewogen hätte. Dabei stellt es insbesondere keine sachfremde Erwägung dar, aus Gründen der Gefahrenabwehr ein Ausfahren aus dem abgesperrten Bereich zuzulassen, hingegen das Einfahren in den abgesperrten Bereich zu untersagen. Denn das Gefahrenpotential für die Teilnehmer und Besucher des Kinderkarnevalszuges ist nach den nachvollziehbaren Ausführungen der Beklagten insofern unterschiedlich zu beurteilen.
Eine Rechtsverletzung des Klägers ist auch nicht durch den Umstand begründet, dass er aus beruflichen Gründen jederzeit gehalten ist, seinen Wohnort mit einem PKW verlassen zu können. Denn unstreitig ergaben sich an dem Tag des Kinderkarnevalsumzuges keine Probleme bei dem Herausfahren aus dem abgesperrten Bereich.“