Und als zweite „Kessel-Buntes-Entscheidung“ mal wieder etwas zum manipulierten Unfall – „getürkter“ Unfall darf man ja nicht mehr schreiben, dann hagelt es gleich böse Kommentare. Zu der Frage „manipulierter Unfall“ hatte ich ja schon länger keine Entscheidung mehr. Jetzt bin ich durch das VerkehrsrechtsBlog des Kollegen Gratz auf das LG Hannover, Urt. v. 25.01.2017 – 11 O 97/15 – gestoßen (worden).
Gegenstand des Streits ist ein Verkehrsunfall am 27.11.2014 in Hannover-Laatzen, an dem der Pkw des Klägers, BMW 530 d mit Erstzulassung am 23.06.2008 und einem Kilometerstand von rund 186.000 km beteiligt war. Bei dem Pkw des Beklagten handelt es sich um einen Gebrauchtwagen mit einem Wert von ca. 1.200 EUR. Der Schaden ist fiktiv abgerechnet worden. Das LG hat die Klage, mit der rund 6.000 EUR geltend gemacht worden sind, abgewiesen. Es kommt aufgrund einer Gesamtbetrachtung und Würdigung „starker Indiztatsachen“ zu der Überzeugung: Manipulierter Unfall.
An die Spitze stellt das LG:
„Die Darlegungen des Klägers, warum sein Fahrzeug gerade am behaupteten Unfallort in Laatzen – der Kläger ist wohnhaft in Arnsberg und hat nach eigenen Angaben keine Bezüge zu Hannover – geparkt war, sind ebenso wie seine Schilderung des gesamten Ablaufs des Unfalltages nicht plausibel und stehen zudem auch in wesentlichen Punkten im Widerspruch zu den Angaben der Zeugin pp..
So ist schon kaum verständlich, dass sich der Kläger statt für einen längeren Aufenthalt bei seiner Verwandtschaft – gerade für deren Besuch hat der Kläger mit seiner Familie doch offenbar die nicht unerhebliche Wegstrecke auf sich genommen – dafür entschieden haben will, die Zeit für einen Spaziergang in Hannover auf dem Rückweg zu nutzen. Es widerspricht nach Auffassung der Kammer zudem der Lebenserfahrung, dass man mit einem viereinhalb-jährigen Kind nach einem anstrengenden Tag bzw. einer erheblichen Zeit im Auto noch einen Spaziergang machen will bzw. “shoppen” geht, anstatt nach Hause zu fahren.
Insgesamt kann das Gericht die Ausführungen des Klägers, sie hätten in Hannover als einer Stadt, zu der sie keinerlei Bezüge haben, auf dem Rückweg deshalb spazieren gehen wollen, weil sie genug Zeit gehabt hätten, schlichtweg nicht nachvollziehen. Eine solche Überlegung hält das Gericht vielmehr für abwegig.
Hinzu kommt, dass sich die Schilderung auch nicht mit den geographischen Verhältnissen in Einklang bringen lässt. So würde man als Verkehrsteilnehmer von Hannover aus in aller Regel zunächst die Autobahn 2 in Richtung Westen nehmen, um nach Arnsberg zu gelangen. Aufgrund dessen würde ein Navigationsgerät – der Kläger will ja “nach Navi” gefahren sein – vom Zentrum aus – dort will der Kläger offenbar zunächst gewesen sein – das Fahrzeug nach Norden wieder auf die A2 in Richtung Westen leiten. Vor diesem Hintergrund erschließt sich auch nach den eigenen Angaben des Klägers nicht, wie dieser in das deutlich südlich von Hannover gelegene Laatzen bzw. konkret zum Vorfallsort gekommen sein will. Bezeichnenderweise konnte der Kläger hierzu auf Nachfrage auch nichts sagen. Entsprechendes gilt für die Version der Zeugin pp.. Nach der Abfahrt von der Autobahn 2 ist der Vorfallsort schlichtweg nicht durch ein längeres Fahren auf einer Straße erreichbar, zumal dazwischen bereits das eigentliche Ziel – das Zentrum von Hannover – liegt.“
Des Weiteren steht das Vorbringen des Klägers auch deutlich im Widerspruch zu den Angaben der Zeugin pp., die nichts von einem geplanten Spaziergang bekundet hat, sondern von einer spontanen Überlegung “Shoppen” zu gehen, gesprochen hat.
Na ja, so ganz stark finde ich das Argument nicht, aber die anderen Indizien reichen m.E. auch:
- Es handelt sich bei dem vom Kläger behaupteten Unfallgeschehen um einen leicht zu beherrschenden, unkomplizierten und vergleichsweise gefahrlosen Fahrvorgang, bei dem der behauptete Fahrfehler bzw. Anlass des Unfalls nicht nachvollziehbar war, zumal der insoweit gehaltene Vortrag des Klägers weder konstant noch mit der Aussage des Zeugen pp. bzw. weiteren Umständen kompatibel war.
- Die Haftungslage war zu Lasten der Beklagten eindeutig.
- Bei dem klägerischen Fahrzeug handelt es sich um ein leistungsstarkes älteres Fahrzeug der Oberklasse mit hohem Kilometerstand, welches wegen der vergleichsweise hohen Unterhaltskosten allgemein nur relativ schwer verkäuflich sein dürfte. Zudem war dieses Fahrzeug in der konkreten Art der Ausgestaltung der Schädigung sehr gut geeignet, für den Kläger eine Einnahmequelle zu generieren. Das “Schädigerfahrzeug” ist – jedenfalls ausweislich der Angaben des Zeugen pp. – als minderwertiges Fahrzeug anzusehen.
- Hinzu kommt die Abrechnung auf fiktiver Basis.
- Schließlich der für manipulierte Unfallereignisse typische Umstand, dass der Fahrer des gegnerischen PKW nicht mitverklagt wurde.