Nach der „Fake-News-Entscheidung vom OLG Koblenz (vgl. Fake-News vom „übergeordneten“ OLG Koblenz“, oder: „unprofessionelle Zeit- und Geldverschwendung“ bei Poliscan) nun noch – wie Freitags häufiger – eine Entscheidung mit gebührenrechtlichem Einschlag. Es geht um den Ersatz von Farbkopien (Nr. 7000 VV RVG) und den dazu ergangenen LG Ravensburg, Beschl. v. 14. 12. 2016 – 2 KLs 230 Js 24143/15. jug. Dort hatte eine Kollegin als Pflichtverteidigerin die Festsetzung der Auslagen für 195 Farbkopien beantragt. Davon sind 35 Farbkopien als erstattungsfähig angesehen worden. Die Erinnerung der Kollegin hatte keinen Erfolg. Das LG meint:
„Ein Verteidiger hat keinen Anspruch auf Auslagenersatz für Farbkopien, die er nur deshalb angefertigt hat, um Ermittlungs- und Gerichtsakten mit allen Textmarkierungen zur Verfügung zu haben. Es ist weder zur sachgemäßen Bearbeitung einer Rechtssache noch für eine effektive Verteidigung geboten oder förderlich, Aktenseiten – die hier Vernehmungen von Zeugen und Beschuldigten betreffen – farbig zu kopieren, damit dort vorhandene Textmarkierungen auch auf der Kopie sichtbar werden.
Zunächst kann ein Verteidiger aus Markierungen in den Akten keine Schlüsse ziehen, die zur sachgemäßen Verteidigung seines Mandanten beitragen könnten. Textmarkierungen können im Laufe des Verfahrens von verschiedenen Personen oder von Verfahrensbeteiligten aus unterschiedlichen Gründen angebracht worden sein. Für den Verteidiger wird – wie hier – allermeist nicht ersichtlich sein, wer oder welcher Verfahrensbeteiligte in welchem Zeitpunkt und zu welchem Zweck Textstellen markiert hat. In Frage kommen Polizeibeamte, die – oft wechselnden – Sachbearbeiter der StA oder deren Vorgesetzte, der Ermittlungsrichter, der Vorsitzende, ein Berichterstatter, ein beisitzender Richter oder eine sonstige Person, etwa ein Vertreter eines Nebenklägers.
Zudem richtet sich der Umfang vorhandener Markierungen nach dem Verfahrensstand bzw. Zeitpunkt, in dem der Verteidiger Akteneinsicht nimmt. Hat er die Akten in einem frühen Verfahrensstadium eingesehen, bedeutete ein entsprechender Anspruch des Verteidigers, dass bei erneuter späterer Akteneinsicht wiederum Farbkopien zu fertigen wären, um den aktuellen Stand der Textmarkierungen bzw. deren etwaiges Anwachsen festhalten und nachvollziehen zu können. Abgesehen davon, dass sich dies schon aus Kostengründen nicht rechtfertigen lässt, stellt es keine Aufgabe der Verteidigung dar, angebrachte Textmarkierungen festzustellen oder Überlegungen darüber anzustellen, wer, wann und warum solche Markierungen angebracht hat oder haben könnte. Die Frage, ob anderes gilt, wenn aus der Akte eindeutig hervorgeht, wer und aus welchen Gründen Textpassagen markiert hat, braucht hier nicht entschieden zu werden.“
Die Entscheidung geht m.E. zu weit, wenn sie offenbar einen Anspruch des Verteidigers auf den Ersatz von Farbkopien grundsätzlich verneinen will, es sei denn der Verteidiger weiß, wer aus welchen Gründen Textpassagen markiert hat. Denn allein schon, dass Textpassagen (unterschiedlich) farblich markiert sind, kann für die Verteidigung von Bedeutung sein, wobei die Frage, wer markiert hat, was dem Verteidiger möglicherweise zunächst nicht bekannt ist, zu Befragungen der verschiedenen Sachbearbeiter führen kann. Das können nur Polizeibeamte, Angehörige der Staatsanwaltschaft und/oder Richter sein, die mit der Sache befasst waren, sonstige Personen, wie z.B. die von der Strafkammer angeführten Vertreter eines Nebenklägers scheiden ebenso aus wie Mitverteidiger. M.E. zieht auch nicht das (fiskalische) Argument, dass ein entsprechender Anspruch des Verteidigers dazu führe, dass bei erneuter späterer Akteneinsicht wiederum Farbkopien zu fertigen wären. Abgesehen davon, dass das eben ein rein fiskalisches Argument ist – was die Strafkammer auch nicht unterschlägt – „schon aus Kostengründen nicht“ -. kann man dem nur entgegenhalten: Dann ist es eben so. Denn auch dann, wenn es nur um Markierungen und/oder Randbemerkungen geht, die nach einer ersten Akteneinsicht auf einer Seite hinzu geführt worden sind, ist eine zweite Kopie dieser Seite im Rahmen einer weiteren Akteneinsicht zulässig. Für die farblichen Markierungen kann nichts anderes gelten.
Was mir allerdings nicht ganz klar ist: Wieso sind 35 Farbkopien erstattet worden?
Zu den 35 bezahlten Farbkopien: Farbfotos bzw. deren farbige Ausdrucke wären mein erster Gedanke. Eine halbwegs umfangreiche Tatortdokumentation zum Beispiel. Sowas lässt sich regelmäßig nicht sinnvoll s/w kopieren. Da dürfte der Erstattungsanspruch klar sein?
Ja, in die Richtung ging meine Überlegung auch. Ich frage mich nur, warum das LG das dann in seiner unerforschlichen Weisheit nicht eben schreibt/anmerkt.
Vielleicht waren ja Richter vom LG Ravensburg und OLG Koblenz gemeinsam auf einer Veranstaltung für Richter mit dem Thema „Belehrungen von oben nach unten“
Ein Schelm, wer Böses dabei denkt 🙂
Es kann sich um keine ortskundige Anwältin gehandelt haben, denn natürlich billigt ein schwäbisches Gericht keine überflüssigen Farbkopien. Die Anwältin sollte froh sein, dass sie die Akte nicht auf Butterbrotpapier abschreiben musste.