Aus dem Süden der Republik erreichte mich vor einiger Zeit eine Anfrage, die mich zunächst ein wenig ratlos zurückgelassen hat. Es ging nämlich um Beratungshilfe – und Beratungshilfe kann ich nicht. Aber von dem Problem, zu dem nachgefrgat wurde, hatte ich so noch nie gehört. Und zwar hatte die Anfrage folgende Fragestellung:
„Lieber Herr Burhoff,
zunächst einmal wünsche ich Ihnen ein frohes neues Jahr 2017 🙂 .
Ich habe folgendes Problem: Mir liegt ein Beratungshilfeschein vor. Ich habe sodann gegenüber dem Gericht die Beratungsgebühr abgerechnet. Das Gericht hat nunmehr einen Beschluss erlassen mit folgendem Wortlaut: Der Antrag auf Erstattung der Beratungsgebühr in Strafsachen entsteht nicht, wenn im weiteren Verfahren eine gebührenrechtliche Tätigkeit ausgeübt wird. Eine Vertretung des Antragstellers in dem Verfahren 27 Cs…. erfolgt, so dass Beratungshilfe nicht vergütet werden kann.
Der Antragsteller erschien hier mit dem Beratungshilfeschein sowie dem Strafbefehl. Sodann haben wir Einspruch eingelegt und AE beantragt. Wir haben bislang immer so abgerechnet. Ich konnte dazu leider nichts finden. Können Sie mir helfen?“
Und da ich dazu auch nichts finden konnte, habe ich die Anfrage an meinen Mitautor aus dem RVG-Kommentar weitergeleitet. Der macht da Beratungshilfe (in der demnächst anstehenden Neuauflage). Der muss/sollte es wissen. Aber vielleicht hat hier ja auch jemand eine zündende Idee.
Die Begründung aus Süddeutschland erscheint mir zweifelhaft:
Nach 2501 VV RVG entsteht die Beratungsgebühr für die Beratung. Sie ist, so steht in Abs. 2, auf eine weitere Tätigkeit. Anrechnen bedeutet aber nicht den nachträglichen Entfall des Anspruchs. Zu diesem kann es schon allein deswegen nicht kommen, weil Beratung und weitere Tätigkeit durchaus zeitlich erheblich auseinanderfallen können, so dass die Gebühr bei Erledigung der weiteren Tätigkeit schon längst gezahlt wurde. Bei nachträglichem Entfall müsste es konsequenter Weise eine Erstattungsvorschrift geben, ich habe sie aber noch nicht gefunden.
Abgesehen davon wurde der § 15a RVG gerade wegen Anrechnungsproblematiken geschaffen, vielleicht lohnt der Hinweis auf diese Vorschrift.
Die Crux ist 2501 VVRVG Abs. 1, die Beratungsgebühr entsteht nämlich überhaupt nur, wenn die Beratung – zunächst – nicht mit einer anderen gebührenpflichtigen Angelegenheit zusammenhängt, für die Anrechnung ist nur Raum, wenn eine weitere Tätigkeit erst später nachfolgt. Hier hat der Kollege offenbar noch vor Erteilung einer Beratung erstmal Einspruch gegen den Strafbefehl eingelegt und sich somit eine Grundgebühr und Verfahrensgebühr verdient, neben der für eine Beratungsgebühr kein Raum ist. Das Gericht hat also m.E. Recht.
Kniffliger wäre die Frage, wenn der Mandant den Einspruch fristwahrend selbst eingelegt hätte und der Anwalt ausdrücklich nur Akteneinsicht beantragt hätte, aber auch hier könnte es sich um eine schon über Beratung hinausgehende Einzeltätigkeit handeln. Wenn man ganz sicher gehen will, muss man dem Mandanten wohl raten, erstmal bitte nur mit den Unterlagen zur Erstberatung zu erscheinen, die ihm das Gericht auf eigenen Auskunftsantrag herausrückt. Oder den augenauswischenden Unfug mit dem Beratungshilfeschein im Strafrecht gleich sein zu lassen.
Das lese ich anders 🙂
Beratungshilfe in Strafsachen wird bei Vorliegen der Voraussetzungen i.S. des § 1 BerHG
nach § 2 II S. 2 BerHG nur für eine reine Beratung gewährt. Der RA kann also nur eine erste Einschätzung anhand der Informationen abgeben, die ihm vom Mdt. unterbreitet werden. Auch wenn erst die Einsicht in die Ermittlungsakte eine sinnvolle Verteidigung ermöglicht, ändert dies daran aber nichts.
Gemäß Nr. 2500 VV RVG können vom Mdt. die Beratungshilfegebühr von 15 € verlangt oder ihm erlassen werden. Die Beratungsgebühr nach Nr. 2501 I VV RVG von 35 Euro gibt es nur bei reiner Beratung und ist vorliegend ohnehin durch die beantragt AE nach Nr. 2501 II VV RVG auf die Verfahrensgebühr der Nr. 4106 VV RVG anzurechnen.
Auch das lese ich anders bzw. habe ich anders verstanden 🙂
ok, wenn der RA zuerst die Beratung durchgeführt und abgerechnet hat – Zäsur – und dann erst die AE beantragt, kann man sich auch auf den Standpunkt stellen, daß die dann (weitere) sonstige Tätigkeit – die die Grundgebühr und Verf.gebühr auslöst – mit der bereits abgeschlossenen Beratung nicht mehr zusammenhängt und deshalb dann auch keine Anrechnung mehr auslösen kann.
Das Problem ist m. E. § 2 II 2 BerHG, wonach in Angelegenheiten des Strafrechts nur Beratung gewährt wird. Dabei ist die Beantragung der AE aus meiner Sicht nicht problematisch, da sie der Informationsbeschaffung dient. Ohne AE könnte allenfalls eine abstrakte Beratung über die allgemeinen Rechte und Pflichten eines Beschuldigten erfolgen. Eine weitere Beratung wäre nur anhand der Angaben des Mdt. möglich. Und dass die nicht immer mit dem Akteninhalt übereinstimmen, weiß jeder, der Strafrecht nicht mal so nebenbei mitmacht. Außerdem dürfte unbestritten sein, dass eine strafrechtliche Beratung ohne AE ein (grober) Anwaltsfehler ist (Stichwort Haftung).
Problematisch sehe ich die Einlegung des Einspruchs durch den Kollegen, weil hier eine Tätigkeit nach außen erfolgt. Man könnte höchstens sagen, dass das fristwahrend war, weil sonst die Beratung nach Rechtskraft des Strafbefehls sinnlos würde. Außerdem vertritt der Verteidiger den Beschuldigten ja nicht (anders als Zivilrechtler ihre Mandanten). Aber ob diese Argumentation greift, da habe ich meine Zweifel.
Ich lasse die Mdt. nach einer Erstberatung daher den Einspruch selbst einlegen (und helfe ggf. bei der Formulierung) und beantrage AE. Nach der AE entscheide ich mit dem Mdt., ob eine weitere Tätigkeit erfolgt. Dann scheidet BRH aber aus.
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