Gerade rechtzeitig für das heutige RVG-Rätsel ist gestern die Anfrage eines Kollegen gekommen, der an einer Vergütungsvereinbarung „bastelt“, und zwar wie folgt:
„….ich wälze das RVG-Buch und auch das zur strafrechtlichen Nachsorge, bleibe aber bei der Überarbeitung meiner Vergütungsvereinbarung an zwei (eigentlich drei) Punkten hängen:
Im Handbuch strafrechtliche Nachsorge findet sich ein Beispiel für eine VV auf Stundenbasis, darin wird abgerechnet im 30-Min-Takt bei einem Stundensatz von 280 Euro. Im RVG-Handbuch ist eine Entscheidung zitiert, wonach eine 15-Min-Takt Abrechnung bei einem Stundensatz von 400 DM (230 Euro) sittenwidrig sei (OLG Düsseldorf, RVGreport 2006, 420; auch nochmal bestätigt mit Urteil vom 18.2.2010; a.A: OLG Schleswig, AnwBl. 2009, 554). Es wird zwar darauf hingewiesen, daß andere Gerichte großzügiger sind (u.a. OLG Schleswig aaO und ausnahmsweise auch mal LG München, das bei 15 Minuten keine Bedenken hat), aber ist die 30-Min-Taktung schon irgendwo mal „durchgewunken“ worden? Ich finde nichts dazu.
Ich frage mich, ob es zulässig ist, und wenn ja, wie, einen Sockelbetrag in jedem Falle zu sichern, also etwa „Stundensatz iHv 250 Euro, aber mindestens ein Sockelbetrag als Pauschale in Höhe von 2.500 Euro; sobald ein Zeitaufwand von mehr als 10 Stunden anfällt, erfolgt die Vergütung nach Stunden.“ – im Hinblick auf die AGB-Rechtsprechung könnte das ja problematisch sein wegen der ungleichen Risikoverteilung zulasten des Mdt: er muss auf jeden Fall 2.500 Euro zahlen, auch wenn ich nur 30 min arbeite, aber wenn ich 10h 30min arbeite, muss er 2.625 Euro zahlen. Er hat also keine Chance, „günstiger“ wegzukommen, ich hingegen schon, für weniger Arbeit mehr Geld zu bekommen.
In München verlangen manche Kanzleien eine Art „Eintrittsgeld“, also die Zahlung eines Betrages X nur dafür, daß der Anwalt überhaupt das Mandat ANNIMMT. Ist sowas zulässig? Ob das dann fair / sachgerecht ist, darüber kann man sicher trefflich streiten…“.
Das muss ich mir auch erst mal überlegen 🙂 .
Die Kombination aus Pauschalhonorar und Stundenvergütung ist bei genauerer Betrachtung völlig unproblematisch und benachteiligt den Mandanten im Gegensatz zur Abrechnung im Halbstundentakt überhaupt nicht!
Der Preis der Dienstleistung unterfällt als essentialia negotii zunächst gerade keiner AGB-Prüfung. Bei Abschluss der Vereinbarung weiß der Mandant ja gerade, dass er pauschal ein Kontingent an X Stunden für die Pauschale kauft und das unabhängig davon, ob der Anwalt das volle Kontingent braucht oder nur 10 Minuten. Im Gegensatz dazu wird er beim Halbstundentakt dadurch benachteiligt, dass er jedes Mal, wenn der Anwalt einen Finger hebt, wieder eine volle halbe Stunde bezahlen muss und er schlicht nicht abschätzen kann, wieviele „halben Stunden“ im Laufe des Mandantes insgesamt anfallen. Bei der Pauschale weiß er das von Anfang an: denn sie fällt nur ein einziges Mal an. Da ist nichts mit bösen Überraschungen etc.
Tipp: wenn man die in der Pauschale enthaltenen Stundenanzahl so bemisst, dass der virtuelle Stundensatz bei voller Ausschöpfung unter dem liegt, was danach pro Stunde zu bezahlen ist, kann selbst der Argwöhnischste nicht mehr meckern.
Das System wird auch Ground Fee + Billable Hour genannt. Dies schützt insbesondere den Experten, der aufgrund seiner Erfahrung zeitlich deutlich effizienter arbeiten kann, als andere Kollegen, vor dem Paradoxon, mit zunehmender Kompetenz stetig weniger zu verdienen. Denn nicht die reine Arbeitszeit ist das Werthaltige für den Mandanten, sondern das Ergebnis der Arbeit (auch wenn kein konkreter Erfolg geschuldet ist). Der Mandant weiß von Anfang an, was er zu erbringen hat und was er dafür bekommt.