Der 54. VGT, der vom 27. – 29.01.2016 in Goslar stattgefunden hat, ist dann gestern zu Ende gegangen. Die Empfehlungen der verschiedenen Arbeitskreise sind inzwischen natürlich schon onlone. Man findet sie insgesamt hier. Jetzt darf man gespannt sein, ob und was die Politik daraus macht.
Mich haben vor allem vier Arbeitskreise interessiert, darum will ich deren Ergebnisse hier dann auch einstellen.
Arbeitskreis I – „Moderne Messmethoden“ und Blutentnahme im Verkehrsstrafrecht
1. Der Arbeitskreis fordert, den für die Anordnung der Blutprobenentnahme bestehenden Richtervorbehalt in § 81 a Abs. 2 StPO zu streichen und eine originäre Anordnungskompetenz der Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft zu schaffen.
2. Der Arbeitskreis stellt fest, dass in Ermangelung hinreichender wissenschaftlicher Erkenntnisse die Atemalkoholanalyse gegenwärtig kein ausreichendes Beweismittel zur Feststellung „absoluter“ Fahrunsicherheit im deutschen Verkehrsstrafrecht ist.
3. Der Arbeitskreis fordert die Bundesregierung auf, vor dem Hintergrund vorhandener und laufender Studien zur Erforschung insbesondere nachfolgender Themen Forschungsaufträge zu erteilen:
– Begründung eines Grenzwertes für die AAK (Atemalkoholkonzentration) zur Feststellung der „absoluten“ Fahrunsicherheit
– Möglichkeit einer Rückrechnung der AAK auf den Tatzeitpunkt
– Ermittlung der erforderlichen Wartezeit für die Bestimmung der AAK bei Verdacht auf höhere Alkoholkonzentrationen
– Überprüfung der Plausibilität von Trinkmengenangaben.
Darüber hinaus fordert der Arbeitskreis die Bundesregierung auf, die Entwicklung weniger invasiver „moderner Messmethoden“ zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration zu fördern.
4. Das Ergebnis einer „beweissicheren“ Atemalkoholanalyse kann ein geeigneter Beweis im Rahmen einer Gesamtwürdigung zur Feststellung „relativer“ Fahrunsicherheit sein.
Dazu nur: Aha, Abschaffung des Richtervorbehalts. Nun dazu gibt es ja bereits eine Gesetzesinitiative, die seit 2010 im Bundestag vor sich hin schlummert. Da wollte man den Richtervorbehalt ganz abschaffen. Jetzt also Verlagerung der Zuständigkeiten auf die Staatsanwaltschaft. Was das bringen soll? Je nachdem, wie man das ausgestaltet, hat man m.E. dieselben Problem (?) wie bisher – nur an anderer Stelle. Der Punkt 2 überrascht mich nicht. Und auch Punkt 4 ist letztlich nicht neu, denn das Ergebnis einer AAK kann auch jetzt schon bei der Frage nach der „relativen“ Fahrunsicherheit herangezogen werden.
Arbeitskreis II MPU unter 1,6 Promille?
1. Es besteht ein Auslegungswiderspruch in der aktuellen Anwendung des § 13 Fahrerlaubnisverordnung (FeV): Dieser führt zu regional unterschiedlicher Praxis bei der Anordnung der Medizinisch-Psychologischen-Untersuchung (MPU).
2. Die Vorschrift des § 13 FeV bedarf daher umgehend einer eindeutigen Formulierung.
3. Der Arbeitskreis vertritt die Ansicht, dass aufgrund der Rückfallwahrscheinlichkeit die Anordnung der MPU bei Kraftfahrzeugführern bereits ab 1,1 Promille erfolgen sollte.
4. Der Arbeitskreis sieht keine fachliche Grundlage für die grundsätzliche Annahme von Eignungszweifeln im Verwaltungsverfahren aufgrund einmaliger Trunkenheitsfahrt unter 1,1 Promille.
5. Alkohol-Interlock stellt keine Alternative zur Begutachtung der Fahreignung dar.
Dazu nur: Kann man im Ergebnis nur begrüßen. Dann wäre das Rechtsprechungschaos vielleicht endlich beendet. Ob die Grenze allerdings auf 1,1 Promille gesenkt werden soll/muss, das kann man diskutieren.
Arbeitskreis V Neues Mess- und Eichwesen: Ausverkauf der Messsicherheit?
1. Der Arbeitskreis stellt fest, dass mit der Gesetzesänderung des Mess- und Eichrechts begrüßenswerte Verbesserungen unter anderem im Bereich der Dokumentations- und Verwenderpflichten erzielt wurden. Um eine höhere Akzeptanz der Verkehrsmessungen zu erreichen, bedarf es jedoch weitergehender Regelungen.
2. Bei Inverkehrbringen neuer oder veränderter Geschwindigkeitsmessgeräte ist die Rechtsprechung zum „standardisierten Messverfahren“ vorerst nicht anzuwenden.
3. Der Arbeitskreis fordert erneut bundeseinheitliche, ausführliche Messprotokolle. Diese verbindlichen Vorgaben für die Messprotokolle müssen Bestandteil der Gebrauchsanweisung werden.
4. Die den Verwender treffende Pflicht zum Führen einer Geräteakte ist in die Gebrauchsanweisung aufzunehmen.
5. Der Gesetzgeber wird aufgefordert sicherzustellen, dass alle für die Überprüfung des Messergebnisses erforderlichen Daten gespeichert und dem Betroffenen im Einzelfall auf Antrag zur Verfügung gestellt werden.
6. Der Arbeitskreis empfiehlt, eine zentrale Ansprechstelle für Nachfragen von Rechtsanwälten, Gerichten und Sachverständigen, die die Überprüfung des Messverfahrens betreffen, einzurichten.
Dazu nur: Auch die Forderungen sind zu begrüßen, die wussten, worum es beim „standardisierten Messverfahren“ geht. Sie setzen im Ergebnis teilweise das um, was von vielen – leider nicht von allen – Gerichten teilweise schon jetzt praktiziert wird. Die anderen und die Messgerätehersteller und die PTB wird es nicht unbedingt freuen.
Arbeitskreis VI – Dashcam
1. Die Video-Aufzeichnung von Verkehrsvorgängen mithilfe von Dashcams kann einen Beitrag zur Aufklärung von Unfallhergängen und Straftaten leisten, aber auch zu einer erheblichen Beeinträchtigung von Persönlichkeitsrechten führen. Der Arbeitskreis beklagt, dass weder in Deutschland noch in den Nachbarländern eine klare Rechtslage zur Verwendung derartiger Kameras und zur Verwertung damit
erzeugter Aufnahmen vor Gericht besteht.
2. Der Arbeitskreis empfiehlt daher eine gesetzliche Regelung, die auf der Basis des europäischen Datenschutzrechts möglichst ein einheitliches Schutzniveau innerhalb der EU gewährleistet.
3. Anstelle eines generellen Verbotes oder einer generellen Zulassung derartiger Aufzeichnungen ist ein sachgerechter Ausgleich zwischen Beweisinteresse und Persönlichkeitsrecht durch den Gesetzgeber geboten.
4. Dieser Ausgleich könnte darin bestehen, dass die Aufzeichnung mittels derartiger Geräte dann zulässig ist, wenn die Aufzeichnung anlassbezogen, insbesondere bei einem (drohenden) Unfall, erfolgt oder bei ausbleibendem Anlass kurzfristig
überschrieben wird.
5. Die Verwertung von rechtswidrigen Dashcam-Aufnahmen im Gerichtsverfahren richtet sich nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zu den Beweisverwertungsverboten.
6. Die Verfolgung von Verkehrsverstößen ohne schwerwiegende Gefährdung oder Folgen soll weiterhin nicht auf die Aufzeichnungen von Dashcams gestützt werden können.
7. Der Missbrauch von Aufzeichnungen mit personenbezogenen Daten, z. B. eine Veröffentlichung im Internet, sollte mit Sanktionen bedroht werden.
Dazu nur: Auch die Forderungen sind zu begrüßen, um den sich abzeichnenden „Rechtsprechungsmarathon“ möglichst bald zu beenden. Und dabei sollte man auf klare Regelungen achten, sonst bringen sie nicht den gewünschten Erfolg. Das gilt insbesondere bei Punkt 5.
Fazit: Zumindest die Richtung stimmt m.E. teilweise. Allerdings: Ich glaube nicht, dass von den Forderungen/Empfehlungen noch in der Legislaturperiode etwas umgesetzt wird.
Ups, ich werde gerade darauf hingewiesen, dass es im AK I heißt: „Anordnungskompetenz der Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft“. Stimmt, da habe ich zu schnell bzw. überlesen.
„Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft“, das sind die früheren „Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft. Das wäre dann ja noch „schlimmer“ bzw. genau das, was das Land Niedersachsen schon seit 2010 versucht. Verlag. Dagegen hat sich Schwarz/gelb mal gewehrt…..