Ich habe ja schon häufiger über manipulierte Verkehrsunfälle berichtet. Da ging es aber immer um die Frage, ob es sich überhaupt um einen solchen gehandelt hat, also welche Indizien dafür und/oder dagegen sprechen. Der OLG Bremen, Beschl. v. 08.09.2015 – 2 W 82/15 – befasst sich nun in dem Zusammenhang mit einer anderen Fragestellung. Nämlich: Sind die Kosten, die der Versicherungsgesellschaft entstanden sind, um den Verdacht eine Unfallmanipulation zu prüfen, erstattungsfähig? Das OLG sagt: In dem Fall ja:
Das Landgericht hat zu Unrecht die der Beklagten zu 2. in der Verkehrsunfallsache entstandenen Ermittlungskosten in Höhe von € 630,70 (Kosten des Detekteibüros X) als nicht erstattungsfähig abgesetzt. Diese Kosten waren zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung der Beklagten zu 2. notwendig i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats sind die Kosten eines vor dem Rechtstreits von einer Partei eingeholten Privatgutachtens nur ausnahmsweise zu erstatten (Senat, Beschl. v. 28.03.2008 – 2 W 41/08 -, Beschl. v. 12.06.2015- 2 W 32/15 -). Voraussetzung ist, dass ein solches Gutachten gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben wurde (Prozessbezogenheit), wobei es genügt, dass sich der Rechtsstreit einigermaßen konkret abzeichnet (vgl. BGH, Beschl. v. 14.10.2008 – Az. VI ZB 16/08 -). Dabei wird allerdings grundsätzlich ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen Gutachten und Rechtsstreit zu verlangen sein (siehe Senat, aaO.).
Dabei macht es grundsätzlich keinen Unterschied, ob es um Kosten für ein Privatgutachten oder – so, wie es hier der Fall war – um Detektivkosten geht. In beiden Fällen sind die relevanten Gesichtspunkte die gleichen. Es geht jeweils um prozessbezogene Sachverhaltsermittlung, wie sie im Rahmen einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig erscheint.
Vorliegend besteht jedenfalls ein enger Bezug der von der Beklagten zu 2. veranlassten Ermittlung zu dem Rechtsstreit. Der streitgegenständliche Verkehrsunfall ereignete sich am 13.07.2011. Die Klägerin forderte die Beklagte zu 2. am 20.07.2011 außergerichtlich zur Zahlung auf und erhob am 21.05.2015 Klage. Sie veranlasste die Beklagte zu 2. mit ihrem Vorgehen, sich an ein Detekteibüro zu wenden, um von dort aus Ermittlungen durchführen zu lassen, auf deren Ergebnis sie sich im Rahmen ihrer Klageerwiderung bezog.
Der zeitliche Zusammenhang wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass die Klage erst am 09.05.2015 eingereicht wurde. Würde man allein auf diesen letztgenannten Aspekt abstellen, hätte es der Kläger in der Hand, allein durch Zuwarten mit der Klageerhebung, die dann erst zu einem späten Zeitpunkt erfolgt, den zeitlichen Zusammenhang eines von der Gegenseite vorgelegten Privatgutachtens und damit dessen Prozessbezogenheit und die Erstattungsfähigkeit im Rahmen des § 91 ZPO zu zerstören. Es kommt vielmehr darauf an, welche Maßnahmen aus Sicht einer verständigen, wirtschaftlich denkenden Partei aus damaliger Sicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren.
Eine Prozessbezogenheit wäre allerdings zu verneinen, wenn ein Gutachten lediglich der allgemeinen und eher routinemäßigen Prüfung der Frage, ob es sich um ein vorgetäuschtes Versicherungsereignis handelte und damit der Prüfung der Einstandspflicht der Beklagten diente (Senat, Beschl. v. 04.03.2011 – 2 W 99/10 -). Eine solche Prüfung hat die Versicherung grundsätzlich in eigener Verantwortung vorzunehmen und den dadurch entstehenden Aufwand deshalb grundsätzlich auch selbst zu tragen (vgl. BGH, NJW 2008, 1597 f). Ein Gutachten muss gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben und damit „prozessbezogen“ sein (BGH, NJW 2003, 1398 ff). Prozessbezogenheit wird bejaht, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht eines versuchten Versicherungsbetruges vorhanden sind, weil dann von Anfang an damit zu rechnen ist, dass es zum Prozess kommt (BGH, MDR 2009, 231 f; OLG Celle, Beschluss vom 10.01.2011, Az. 2 W 8/11 – zitiert nach juris). Dasselbe gilt nicht nur für Gutachten, sondern grundsätzlich ebenso – wie oben bereits dargestellt – für andere kostenauslösende Ermittlungstätigkeiten.
Vorliegend bestanden, wie die Bekl. zu 2. bereits in ihrer Klagerwiderung aufgeführt und im Einzelnen dargestellt, aufgrund zahlreiche Indizien, die für eine Unfallmanipulation sprachen. Diese Umstände waren geeignet, Anhaltspunkte für einen versuchten Versicherungsbetrug zu sehen, so dass damit zu rechnen war, der Kläger werde auf jeden Fall versuchen, seine vermeintlichen Ansprüche in einem Rechtsstreit durchzusetzen.
Aus Sicht der Beklagten zu 2. bestand damit die Notwendigkeit, zeitnah detektivische Ermittlungen in Auftrag zu geben, um im Falle des – zu erwartenden – nachfolgenden Prozesses auf das Vorbringen des Klägers zu dem angeblichen Unfall substantiiert erwidern zu können.“