Gelesen hatte ich es im justizpolitischen Teil des Koalitionsvertrages der GroKo ja schon, dass nämlich das allgemeine Strafverfahren und das Jugendstrafverfahren „unter Wahrung rechtsstaatlicher Grundsätze effektiver und praxistauglicher ausgestaltet“ werden und eine Expertenkommission hierzu bis zur Mitte der Legislaturperiode Vorschläge erarbeiten soll. Aber, wie das häufig so ist. Man liest es und vergisst es wieder, zumal man denkt: Hatten wir doch alles schon: Große StPO-Reform – irgendwann Ende der 60-ziger Jahre, meine ich, – woraus dann nicht geworden ist, oder vor einigen Jahren dann das sog. „Eckpunkte-Papier“, von Herta Däubler-Gmelin, das dann auch – mit ihr (?) – wieder verschwunden ist. Von daher an sich: Entwarnung, oder: Wird alles nicht so heiß gegessen….
Aber so ganz dann wohl doch nicht. Denn inzwischen hat das BMJV tatsächlich eine „Expertenkommission“ eingesetzt, die sich am 07.07.2014 im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz zur ihrer Auftaktveranstaltung getroffen hat. Der Minister selbst hat die Veranstaltung eröffnet, also hochrangig aufgehängt (vgl. hier die PM des BMJV). Ziel dieser „Expertenkommission“ soll es sein bis zur Mitte der Legislaturperiode Vorschläge zu erarbeiten, und zwar konkrete Reformvorschläge: „Am Ende der Arbeit der Kommission soll ein Bericht stehen, der konkrete Regelungsempfehlungen enthält, die Grundlage eines Gesetzgebungsvorhaben sein können.“
Leider habe ich nichts dazu gefunden, wer denn nun Mitglied dieser „Expertenkommission“ ist (außer das Übliche: Personen aus Wissenschaft, Anwaltschaft, Justiz und Verwaltung usw.), interessant wäre aber schon zu wissen, wer denn da nun am Werke ist. Aber zumindest die Eröffnungsrede des Ministers steht im Internet. Und die enthält so schöne Sätze/Passagen wie:
„…Beide Ziele können wir jetzt mit dieser Expertenkommission umsetzen. Dabei ist es mir wichtig, eben nicht nur eine kurzfristige Reparaturgesetzgebung mit kleinteiligen Änderungsvorschlägen vorzubereiten. Dafür braucht es keine Expertenkommission. Aufgabe der Kommission sollte es vielmehr sein, die Ziele der Effektivierung und Steigerung der Praxistauglichkeit gerade durch weiter reichende Reformvorschläge zu erreichen. Es geht nicht um eine Verschönerung der Oberfläche, sondern um strukturelle Verbesserungen des Systems….“
….Sie sollen Vorschläge erarbeiten, die das Strafverfahren straffen, ohne die Rechte der Verfahrensbeteiligten einzuschränken, es soll schneller gehen, aber nicht schlechter werden, transparenter, aber mit hohem Persönlichkeitsschutz…“
Und:
„Am Ende Ihrer Arbeit soll ein Bericht stehen, der Regelungsempfehlungen enthält. Ich hoffe dabei einerseits auf Anregungen, die schon so konkret sind, dass sie kurzfristig in einen Gesetzentwurf einmünden und noch in dieser Legislaturperiode in Kraft treten können. Noch wichtiger ist mir aber, dass Sie weiter reichende und tiefer gehende Vorschläge entwickeln, auch wenn diese vielleicht nicht innerhalb der ersten 18 Monate der Kommissionsarbeit abgeschlossen werden können….“
„Das Ziel, möglichst schon bis zur Mitte der Legislaturperiode erste Vorschläge zur Effektivierung unseres Strafverfahrens vorzulegen, ist schon für sich ehrgeizig genug .“..
Zu letzterem: Richtig. Ich denke, ich kann noch getrost demnächst eine weitere Neuauflage meiner Handbücher in Angriff nehmen. Mit den Expertenkommissionen und der Umsetzung der Ergebnisse ihrer Arbeiten ist das immer so eine Sache. Das habe ich beim RVG 2004 selbst erlebt.
Zum Ganzen: Wenn von „Effektivierung unseres Strafverfahrens“ gesprochen wird, gehen bei mir immer die Alarmglocken an. Denn meist wird dann an „Stellschrauben“ gedreht – die letztlich zu einem Abbau der Beschuldigtenrechte führen. Das Strafverfahren wird eben effektiver, wobei es immer darauf ankommt, was man darunter versteht. Aus der Rede: „Und doch sind Bezahlung und Ausstattung nicht die einzigen Stellschrauben, wenn wir die Belastung der Justiz betrachten.“ Da kann man nur sagen: Eben, oder Hört, hört.
Effektivierung…. schneller….. straffen….
Hozauge, sei wachsam!
Es gibt zwei Wirtschatsbranchen, in welche unendlich investiertiert werden kann und wird, um die Eliten, wie diese heute sind, am Leben zu erhalten und deren Macht abzusichern: Justiz und Gesundheitswesen.
Polarisierung in der Gesellschaft ist die Folge.
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Hallo Herr Burhoff,
ich meine Prof. Jahn ist dabei. Ich hatte hierzu und einem Artikel von Jahn in der FAZ bereits geposted. Siehe Link oben im Pingback.
Die Mitglieder der Kommission befinden sich zumindest jetzt unter dem Link des BMJV: http://www.bmjv.de/SharedDocs/Kurzmeldungen/DE/2014/20140707_Expertenkommission_Reform_StPO.html?nn=3433226
>Leider habe ich nichts dazu gefunden, wer denn nun Mitglied dieser „Expertenkommission“ ist (außer das Übliche: Personen aus Wissenschaft, Anwaltschaft, Justiz und Verwaltung usw.),
Genau aus dem Grund habe ich auch diesen Artikel durchgelesen. Wer macht das denn im Namen des Volkes. Hat das Volk als Dauerkunde da auch was mitzureden?
>“Umgekehrt soll die Position des Verteidigers gestärkt werden, indem dieser nicht erst bei der richterlichen und staatsanwaltlichen, sondern schon bei der polizeilichen Vernehmung ein Anwesenheits- und Fragerecht erhält; auch bei Tatortrekonstruktionen und Gegenüberstellungen soll er dabei sein dürfen. Über die Auswahl eines Sachverständigen sollte der Beschuldigte in der Regel angehört werden, meinen die Strafrechtler. In der Hauptverhandlung soll er das Recht bekommen, direkt auf die Verlesung der Anklage zu reagieren.“
Rechte für Juristen. Was ist mit dem Angeklagten, der sich keinen Anwalt leisten kann? Bekommt der diese Rechte auch?
Nun könnte man die Hauptverhandlung ja Protokollieren um entsprechende Errrinnerungslücken der Juristenkollegen aufzufüllen:
>Von CDU und CSU erntet das Papier massive Kritik, viele der Vorschläge seien praxisfern. Bayerns Justizminister Prof. Dr. Winfried Bauback nimmt besonders an der gleichfalls angeregten Möglichkeit einer Aufzeichnung der Hauptverhandlung Anstoß. Wer solches vorschlage, offenbare, „dass er den Auftrag, das Strafverfahren effektiver und praxistauglicher zu gestalten, nicht verstanden hat.“
https://www.facebook.com/justizfreund/posts/1523753937949501
Gehörsverletzungen gegenüber nicht anwaltlich vertretenen Angeklagten sind zumindest in Coburg vollkommen selbstverständlich. Es ist dort sozusagen als Prolet unverschämt und böse sich über Gehörsverletzungen zu beschweren. Richterin LG-Coburg: „Warum machen Sie das, dass SIE sich darüber beschweren?“
Richterin: „Den Nichtabhifebeschluss (War Gegenstand in einem Beschwerdeverfahren am OLG und auf den hat sich die Staatsanwaltschaft bezogen aber der Angeklagte hat diese trotz Beschwerde nicht erhalten.) habe ich Ihnen nicht zur Kenntnis gebracht, weil ich das nicht brauche. Der braucht Ihnen nicht zur Kenntnis gebracht werden.“
Das OLG-Bamberg hat trotz Hinweis dem Beschwerdeführer den Nichtabhilfebeschluss auch nicht zur Kenntnis gebracht und konnte darin und bezügl. weiterer Gehörsverstösse keinen Gehörsverstoss feststellen.
Richterin: „Und das OLG hat sogar noch unter seine Entscheidung geschrieben, dass weitere Eingaben nicht bearbeitet werden!!! Warum beschwerden SIE sich also!? WARUM machen SIE das?!“
Versagung rechtlichen Gehörs. Prof. Bausback und bayrischer Willkürjustiz fehlt das Unrechtsbewusstsein, 01.11.2015:
http://blog.justizfreund.de/?p=7222
Das sind kathastophale Zustände wenn man dort Kunde ist.
Und diese auch grundrechtswidrigen Zustände sollen jetzt noch einmal effektiver gestaltet werden?
Ständig erhält man 7 Tage Fristen, die teilweise gar nicht eingehalten werden können zB. um einen Anwalt des Vertrauens zu finden und danach lässt sich dann das Strafgericht 8 Monate oder eine Rechtspflegerin bei einfachster Sach- und Rechtslage seit 1,5 Jahren Zeit über die Sache zu entscheiden, so dass man als Bürger erst wieder 2 Verzögerungsrügen einreicht, sich bei den zuständigen anderen Stellen beschwert und eine Verzögerungsklage einreichen darf.
Und auf der dafür notwendigen Zeit und Kosten bleibt man natürlich letztlich sitzen.
Hallo, geht es auch ein wenig kürzer und mit weniger Links? Dann muss ich das nicht frei schalten. Die Mitglieder der Kommission finden Sie auf der HP des BMJV und in den verlinkten Unterlagen.
Hallo Her Burhoff mit den tollen Rechtsseiten. Auf ihre Seiten zu verweisen hat mir in der Justiz allerdings auch noch nicht geholfen. Es kommt halt sogar noch darauf an WER auf die Seiten verweist.
Ja, ich habe die Justizreform des OLG-Bamberg in einem Artikel zusammengefasst:
OLG-Bamberg: §198 GVG (Artikel 6 EMRK) legt die Ansprüche fest für die kein Justizgewährsanspruch besteht wie zB. auf Reisekosten für mittellose Angklagte, 11.11.2015 um 11 Uhr 11
http://blog.justizfreund.de/?p=7328
Um 11 Uhr 11 habe ich frei erfunden aber der Rest stimmt.