Ich bin dann ja doch immer wieder erstaunt, was es alles gibt. Da war eine Frau C. L. vom Gericht als Verteidigerin des Angeklagten, dem Hausfriedensbruch vorgeworfen worden ist, zunächst zugelassen. Die Zulassung wurde zurückgenommen. Frau C. L. nahm aber als Zuhörerin an der Hauptverhandlung teil. Im Protokoll heißt es zu der HV – muss schon etwas turbulenter gewesen sein :-):
„Während der Zeugenvernehmung sprang ein Zuschauer aus der hintersten Reihe auf und stürmte zum Angeklagten, warf einen Zettel auf den Tisch und verließ schnellstens den Sitzungssaal.
C. L. wurde aufgefordert, den Saal zu verlassen, da sie wiederholt störend dazwischen rief. Ihr wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben. Sie verweigerte sich, den Saal zu verlassen und musste mit Hilfe der Justizwachtmeister aus dem Saal entfernt werden. Dabei ließ sie sich fallen.
(…)
Die Zeugenvernehmung wurde fortgesetzt.
(…)
Plötzlich war C. L. von außen auf den Fenstersims geklettert, schaute in den Sitzungssaal und schlug mehrfach mit den Händen störend gegen das Fenster.
(…)
C. L. wurde durch Justizwachtmeister vom Fenstersims entfernt.“
Das AG hat dann ein Ordnungsgeld festgesetzt, dagegen wehrt sich C. L. mit der Begründung: Da wo ich stand, war keine Sitzung mehr und daher konnte der Amtsrichter auch da nicht sitzungspolizeiliche Befugnisse ausüben. Anders das OLG Celle, Beschl. v. 21.07.2011 -2 Ws 166/11:
„Die „Sitzung“ – auf die sich die polizeilichen Befugnisse des Vorsitzenden (§ 176 GVG) zeitlich wie räumlich beschränken – erstreckt sich in örtlicher Hinsicht neben dem Sitzungssaal auch auf die unmittelbar angrenzenden Räume, von denen Störungen ausgehen können (KK-Diemer, a.a.O., § 176 GVG, Rdnr. 2). Außerhalb dieses Bereiches, z.B. im Treppenhaus, in der Eingangshalle des Gerichts oder außerhalb des Gebäudes auf der Straße obliegt die Abwehr von Störern dem Inhaber des Hausrechts. Bei Störungen der Hauptverhandlung, die lediglich in Sicht- und Hörweite des Gerichtsgebäudes stattfinden, einzugreifen ist Sache der Polizei (Löwe-Rosenberg-Wickern, StPO, 26. Aufl., 2010, § 176 GVG, Rdnr. 6).
Die Beschwerdeführerin hat sich auf dem Fenstersims stehend zwar räumlich außerhalb des Gerichtsgebäudes aufgehalten. Dabei hat sie jedoch unmittelbar in das Innere des Sitzungssaals eingewirkt. Sie war für die dortigen Beteiligten durch das Fenster optisch wie akustisch wahrnehmbar, und zwar in einer ähnlichen Art, als hätte sie sich im Sitzungssaal aufgehalten oder vor dessen Tür gestanden. Die Qualität der Einwirkungshandlung – das Schlagen mit den Händen gegen das Fenster – unterscheidet sich nicht wesentlich dadurch, ob sie von außen oder von innen vorgenommen wird. Aus diesem Grund ist die Handlung auch anders zu beurteilen, als hätte sie auf der Straße in Sicht- und Hörweite des Gerichtsgebäudes stattgefunden, aber nicht direkt in den Sitzungssaal hineingewirkt. Die Einwirkung durch die Beschwerdeführerin vom Fenstersims aus ist so eng mit dem Geschehen im Sitzungssaal verbunden, dass auch die Aufrechterhaltung der Ordnung in diesem Bereich sinnvoll nur von der Vorsitzenden wahrgenommen werden konnte. Sie ist normativ nicht anders zu beurteilen als eine Störung, die von einem unmittelbar angrenzenden Raum aus erfolgt.“
Was es nicht alles gibt…
Warum erlebe ich so etwas nie ? 🙂
Tja. In Süddeutschland war vor kurzem ein „Rechsnormen-Schutzverein“ aktiv, der mit ähnlichen Verhaltensweisen bis hin zu physischen Attacken glänzte. Geistig sind diese Leute häufig in der Nähe der vielfältigen „Kommissarischen Reichsregierungen“ angesiedelt, aber dazu hat schon das AG Duisburg treffend festgestellt:
„Das Bonner Grundgesetz ist immer noch in Kraft. Eine deutsche Reichsverfassung, eine kommissarische Reichsregierung oder ein kommissarisches Reichsgericht existieren ebenso wenig, wie die Erde eine Scheibe ist.“