Ausdruck aus einer elektronischen Verwaltungsakte, oder: Erstattungsfähig, ja oder nein?

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Im zweiten Posting dann etwas zu Auslagen, und zwar den SG Ulm, Beschl. v. 12.07.2024 – S 13 SF 2602/23 E – zur Erstattungsfähigkeit von Ausdrucken aus einer elektronisch überlassenen Verwaltungsakte. Die Entscheidung stammt zwar aus einem sozialgerichtlichen Verfahren, die Problematik kann aber nicht nur da auftreten, sondern auch in Straf- und/oder Bußgeldverfahren.

Die Beteiligten streiten – nur – über die Höhe der dem Kläger zu erstattenden außergerichtlichen Kosten eines – inzwischen erledigten sozialgerichtlichen – Klageverfahrens – hinsichtlich gefertigter Kopien aus einer elektronischen Verwaltungsakte. In dem Verfahren, in dem u.a. um die Höhe eines GdB gestritten worden ist, hatte der Bevollmächtigte des Klägers Akteneinsicht in die ihm elektronisch zur Verfügung gestellte Verwaltungsakte der Behörde genommen; dabei hat es sich um ein PDF-Dokument mit 115 Seiten gehandelt, darunter die Seite 1 mit einem Inhaltsverzeichnis, das explizit Befundunterlagen erwähnt. Die Behörde hatte ein Anerkenntnis erklärt und ein Kostenanerkenntnis abgegeben. Die Anerkenntnisse hatte der Kläger zur Erledigung des Rechtsstreits angenommen.

Der Bevollmächtigte des Klägers hatte dann Kosten nach dem RVG geltend gemacht, darunter eine Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG in Höhe von 27,10 EUR für 64 Kopien und 19% USt. Diese war nach Ansicht der Behörde nicht angefallen. Kosten für Ausdrucke aus der elektronischen Verwaltungsakte seien nur dann zu erstatten, wenn ein Ausdruck der Dokumente für eine sachgerechte Bearbeitung des Mandats notwendig gewesen sei. Dies müsse vom Prozessbevollmächtigten plausibel begründet werden. Ansonsten sei es zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache im Sinne von Nr. 7000 VV RVG nicht geboten, die elektronische Akte, die dem Rechtsanwalt zur dauerhaften Nutzung überlassen worden sei, auszudrucken.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat den Kostenfestsetzungsantrag insoweit dann zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Erinnerung des Klägers hatte keinen Erfolg:

„Streitig ist allein die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Nr. 1a) VV RVG. Zunächst stellt dabei Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 1 VV RVG klar, dass mit den Gebühren auch die allgemeinen Geschäftskosten entgolten sind. Die Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten beträgt nach Nr. 7000 Nr. 1a) VV RVG für Kopien und Ausdrucke aus Behörden- und Gerichtsakten, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war, für die ersten 50 abzurechnenden Seiten je Seite 0,50 Euro.

Der Gesetzgeber hat mit den Tatbeständen in den Nummern 7000 ff. VV RVG abschließende Regelungen dazu getroffen, wann in den dort aufgeführten Fällen Auslagen für Kopien erstattungsfähig sind. Dies stellt eine auch in Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 1 VV RVG festgehaltene Ausnahme des Grundsatzes dar, dass die allgemeinen Geschäftskosten einer Rechtsanwältin oder eines Rechtsanwalts durch die Gebühren als abgegolten gelten. Wollte man Auslagen für Mehrfertigungen als erstattungsfähig ansehen, die nicht unter die gesondert geregelten Tatbestände der Nummer 7000 VV RVG fallen, wäre dies eine Durchbrechung dieser gesetzlichen Systematik (BVerfG, Beschluss vom 28.09.2023 – 2 BvR 739/17 –, BVerfGE 166, 347-358, Rn. 19 m.w.N.). Darüber hinaus entspricht eine nur auf „notwendige“, das heißt für die Rechtsverfolgung zweckdienliche Maßnahmen beschränkte Kostenerstattung dem allen Prozessordnungen innewohnenden Gebot der Kostenschonung. Aus diesem Gedanken folgt, dass jeder Verfahrensbeteiligte verpflichtet ist, die Kosten seiner Prozessführung, die er im Falle seines Sieges vom Erstattungspflichtigen erstattet verlangen will, so niedrig zu halten, wie sich dies mit der Wahrung seiner berechtigten Belange vereinbaren lässt (BVerfG a.a.O. Rn. 20 m.w.N.).

Ein Ausdruck aus der elektronische Akte des Erinnerungsgegners war nicht zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache unter Berücksichtigung der Kostenminimierungspflicht geboten. Denn dem Bevollmächtigten des Erinnerungsführers ist die 115-seitige Verwaltungsakte per elektronischem Rechtsverkehr dauerhaft als PDF-Datei überlassen worden. Diese ist strukturiert und mit einem Inhaltsverzeichnis versehen, das die zeitliche Anordnung der Akte erkennen lässt und das schnelle Auffinden insbesondere von medizinischen Unterlagen ermöglicht. Mit 115 Seiten ist die Akte von unterdurchschnittlichem Umfang im Vergleich zu sonstigen Verwaltungsakten, die in sozialgerichtlichen Verfahren üblich sind. Auch der angehängte „Altaktenteil“ ist bezeichnet und fortlaufend nummeriert, wenn auch selbstverständlich die damalige handschriftliche Paginierung nicht mehr mit der Paginierung des PDF-Dokuments übereinstimmt. Jedenfalls unter diesen Bedingungen besteht für einen Aktenausdruck, auch nur in Teilen, kein Anlass.

Was zur „Bearbeitung“ einer Sache sachgemäß ist, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung des Rechtsanwalts, sondern nach dem objektiven Standpunkt eines vernünftigen, sachkundigen Dritten (ausführlich Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG-Kommentar, 26. Auflage 2023, RVG VV 7000 Rn. 62 ff. m.w.N.). Ein solcher Dritter hätte an Stelle des Bevollmächtigten des Erinnerungsführers von einem Ausdruck auch unter Berücksichtig eines bestehenden Ermessensspielraums abgesehen.

Denn die elektronische Aktenbearbeitung ist mittlerweile der Standard (a.A. noch SG Lüneburg, Beschluss vom 29.12.2022 – S 12 SF 33/22 E –, juris, nunmehr aber auch Müller-Rabe a.a.O. Rn. 63b). Jeder Rechtsanwalt ist verpflichtet, ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach zu unterhalten. Damit werden nicht nur einzelne Schriftsätze, sondern seit der Einführung der elektronischen Gerichtsakte am hiesigen Gericht seit nunmehr mehr als vier Jahren auch die Verwaltungsakten (diese sukzessive seit jeweiliger Umstellung der Versicherungsträger und Behörden) standardmäßig in Dateiform elektronisch übermittelt. Es muss also jeder Rechtsanwalt mit elektronischen Akten arbeiten können (VG Hamburg, Beschluss vom 08.01.2024 – 10 KO 5115/23 –, Rn. 13 – 15, juris m.w.N.).

Im Einzelnen ist es dem bearbeitenden Anwalt deshalb überlassen, ob er bei einer – aus seiner subjektiven Sicht unübersichtlichen – Verwaltungsakte mit elektronischen Mitteln (z.B. entsprechender Software zur Ermöglichung elektronischer Annotationen, Kommentare oder farblicher Hervorhebungen) oder einem einfachen handschriftlichen oder digital erstellten Aktenauszug die Übersichtlichkeit der Akte nach eigenen Maßstäben herstellt. Geboten ist jedoch bei der vorliegenden nach objektiven Maßstäben übersichtlichen PDF-Datei weder das Ausdrucken der vollständigen Akte noch der wesentlichen Unterlagen aus der Akte.“

Man wird dazu die Argumentation des SG letztlich nicht von der Hand weisen können, dass die Arbeit mit der elektronischen Akten wohl inzwischen tatsächlich Standard ist und ein Ausdruck nicht erforderlich ist, sondern nur der Arbeitserleichterung des Rechtsanwalts dient und die dadurch entstehenden Kosten daher allgemeine Geschäftskosten sind, die durch die Vorbem. 7 Abs. 1 S. 1 VV RVG abgedeckt sind (s. auch Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., VV 7000 Rn 663b m.w.N.). Das gilt sicherlich bei einer – wie hier – doch recht überschaubaren Akten von 115 Seiten, die offenbar auch gut strukturiert war. Ob man das pauschal aber auch bei umfangreichen und/oder unüberschaubaren Akten auch so sehen kann, kann man m.E. bezweifeln. Das wird man eher dazu neigen (müssen), den Anfall der Dokumentenpauschale zu bejahen (vgl. z.B. LSG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 24.11.2020 – L 5 SF 301/20 B E).

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