Ich habe da mal eine Frage: Wann entsteht die „Adhäsionsverfahrensgebühr“?

© AllebaziB – Fotolia

Und dann zum Abschluss der Woche noch das Gebührenrätsel, und zwar:

„Sehr geehrter Herr Burhoff,

ich bin ein begeisterter Leser Ihres Blogs und Ihrer Kommentare, bei einer Gebührenfrage bin ich mir aber auch nach Recherche in Ihren Werken (und in anderen Quellen) unsicher. Da Sie in Ihrem Blog hin und wieder Fragen zum Gebührenrecht („RVG-Rätsel“) veröffentlichen, erlaube ich mir, Sie zu behelligen, in der Hoffnung, dass Sie die Frage vielleicht interessant finden:

Erhält ein Pflichtverteidiger die Gebühr nach Nr. 4143 VV RVG immer schon dann, wenn er den Angeklagten über einen erwarteten (oder nur möglichen) Adhäsionsantrag berät, auch wenn ein solcher Antrag in der späteren Hauptverhandlung nicht gestellt und der zugrunde liegende Vermögensanspruch auch nicht anderweitig in der Hauptverhandlung thematisiert wird?

Zum Kontext: Im Fall ging es um den Vorwurf einer Vergewaltigung. Ich beriet den Angeklagten unter anderem über das Risiko eines Adhäsionsantrags, die potentielle Höhe des Anspruchs und die Möglichkeit eines TOAs zum Zwecke der Strafmilderung. Da der Angeklagte seine Unschuld beteuerte und die Aussagen der Geschädigten unglaubhaft waren, wurde dann aber auf Freispruch verteidigt, und der Angeklagte wurde auch freigesprochen. Die Geschädigte hatte im Ermittlungsverfahren einen Zeugenbeistand, der für die Hauptverhandlung die Zulassung der Nebenklage beantragte. Im HV-Termin war der Kollege aber nicht zugegen, da die StA den Nebenklageantrag aus Versehen verlegt hatte. Erst nach Rechtskraft ließ das Gericht die Nebenklage nachträglich zu.

Das OLG Hamm (BeckRS 2022, 6045, dort Rn. 11) kam ja (im Gegensatz zum LG Hanau, BeckRS 2015, 7829) zu dem Ergebnis, dass die Entstehung der Gebühr Nr. 4143 nicht die verbindliche Erledigung des vermögensrechtlichen Anspruchs erfordere. Die Gebühr entstehe bereits durch Tätigkeiten im Vorfeld, wie der Prüfung der Anspruchshöhe, der Beratung des Mandanten oder auch der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen (OLG Hamm, BeckRS 2022, 6045, Rn. 8). Ähnlich formulieren auch die Kommentare, darunter Ihr RVG-Kommentar in Strafsachen. Ist dann der logische Schluss, dass es egal ist, ob der Anspruch in der HV überhaupt zur Sprache kommt? Das Ergebnis fühlt sich irgendwie komisch an (deswegen entschied wohl das LG Hanau anders, und auch im Fall des OLG Hamm wurde der Anspruch in der HV immerhin diskutiert und in einer entsprechenden Bewährungsauflage „verarbeitet“).

Es würde mich freuen und ich wäre geehrt, die Einschätzung einer Koryphäe wie Ihnen zu dieser Frage zu hören!“

„Einschätzung“ hat der Kollege bekommen. Welche, erfährt man am Montag an dieser Stelle. Die „Einschätzung“ hätte es übrigens auch ohne die Einschätzung meiner Person als „Koryphäe“ gegeben. 😀

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert