Und dann habe ich hier noch einmal etwas vom OLG Frankfurt am Main, nämlich den OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 16.10.2023 – 3 ORs 22/23 – zur Abgrenzung und zur jeweiligen Stoßrichtung der Rüge eines Verstoßes gegen die richterliche Aufklärungspflicht gem. § 244 Abs. 2 StPO einerseits und der Inbegriffsrüge gem. § 261 StPO andererseits betreffend Feststellungen zum Nettoeinkommen des Angeklagten.
Das AG hat die Angeklagte wegen Körperverletzung in einem minder schweren Fall in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte in einem besonders schweren Fall und Beleidigung zu einer Gesamtgeldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50,00 EUR verurteilt. Auf ihre Berufung hin hat das LG die Angeklagte am 23.03.2023 zu einer Gesamtgeldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 100,00 EUR verurteilt. Dagegen u.a. die Revision, die keinen Erfolg hatte:
„1. Soweit der Angeklagte das Verfahren beanstandet, wird eine den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügende Rüge nicht ausgeführt.
a) Die Revision vermag mit der Rüge eines Verstoßes gegen die richterliche Aufklärungspflicht gem. § 244 Abs. 2 StPO bzw. mit einer Inbegriffsrüge gem. § 261 StPO nicht durchzudringen, denn sie entspricht nicht den Anforderungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO. Kommt nach den vorgetragenen Tatsachen mehr als ein Verfahrensmangel in Betracht, muss die Angriffsrichtung der Rüge bestimmt werden. Es muss im Revisionsvortrag eindeutig konkretisiert werden, welcher behauptete Verfahrensmangel mit welcher Begründung angegriffen wird (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 09.05.2018 – 5 StR 17/18, NJW 2018, 2279, 2280 Tz. 10; Herb, NStZ-RR 2023, 33, 34 f. m.w.N.).
Für den Senat ist schon die Stoßrichtung der Rüge nicht erkennbar. In Betracht käme die – in die Gestalt einer Sachrüge des § 40 Abs. 2 S. 2 StGB gekleidete – Verfahrensrüge, dass das Landgericht seine Feststellungen zum Nettoeinkommen nicht aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung gewonnen hat (§ 261 StPO), da ein Nettoverdienst von 3.600 € sich nicht aus der Vernehmung der Angeklagten herleiten lasse. Der Vortrag lässt sich aber auch so verstehen, dass die fehlende Aufklärung des Nettoeinkommens gerügt wird. Allerdings setzte das ausgebliebene „Hinterfragen“ des Nettoeinkommens zunächst einmal voraus, dass die Angeklagte tatsächlich gerade ihr Nettoeinkommen gegenüber dem Landgericht beziffert hätte; das wird aber nicht mit Bestimmtheit behauptet. Es bleibt somit schon unklar, ob die Angeklagte bei der Vernehmung über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse durch den Vorderrichter ihr Gehalt als brutto, netto oder ohne eine diesbezügliche Klarstellung angeben haben will.
b) Abgesehen hiervon würden beide Stoßrichtungen der Verfahrensrüge nicht zum Erfolg verhelfen.
aa) Zunächst kann die Revision nicht mit Erfolg rügen, der Vorderrichter habe bei der Vernehmung der Angeklagten über ihre persönlichen Verhältnisse bestimmte, sich aufdrängende Vorhalte nicht gemacht oder bestimmte Fragen nicht gestellt. Denn eine Aufklärungsrüge kann nicht erfolgreich allein auf die Behauptung gestützt werden, ein Angeklagter habe in der Hauptverhandlung anders als im Urteil festgestellt ausgesagt und dies habe dem Tatrichter Anlass zu weiterer Beweiserhebung geben müssen (statt Vieler KK-StPO/Krehl, 9. Aufl. 2023, § 244 Rn. 222). Eine solche Rekonstruktion der Beweisaufnahme ist – abgesehen von Ausnahmefällen bestimmter parater Beweismittel (vgl. KK-StPO/Krehl a.a.O., § 244 Rn. 221 m.w.N.) – de lege lata unzulässig. Vorhalte und Nachfragen sind aber nicht protokollierungspflichtig (KK-StPO/Tiemann a.a.O., § 261 Rn. 216). Das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen ist allein Sache des Tatrichters. Der dafür bestimmte Ort ist das Urteil (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 03.07.1991 – 2 StR 45/91, BGHSt 38, 14, 15 f.).
bb) Auch eine Inbegriffsrüge gem. § 261 StPO mit dem Ziel anzugreifen, im Urteil sei die Aussage der Angeklagten unvollständig, unzutreffend oder überhaupt nicht wiedergegeben oder bewertet worden, ist wegen des Rekonstruktionsverbots unbehelflich. Die Rechtsprechung hat Ausnahmen nur dann zugelassen, wenn der Wortlaut einer in der Hauptverhandlung verlesenen Urkunde im Urteil unrichtig wiedergegeben worden ist oder in Fällen der wörtlichen Protokollierung einer Aussage (vgl. BGH, Beschl. v. 03.09.1997 – 5 StR 237/97, BGHSt 43, 212, 214 m.w.N.). So liegt es hier aber nicht. Die Revision trägt vor, dass die mit der Revisionsbegründung vorgelegte Verdienstabrechnung zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch nicht zur Verfügung stand. Mit ihr lässt sich also nicht der Nachweis führen, dass die – nicht wörtlich protokollierte – Einlassung der Angeklagten zu ihrem Einkommen im Urteil unrichtig wiedergegeben ist.
2. Schließlich dringt die Revision auch nicht mit der sachlich-rechtlichen Beanstandung der Verletzung des § 40 Abs. 2 S. 2 StGB durch.
Aus den Urteilsgründen ergibt sich, dass das Landgericht Gießen bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe ein Nettoeinkommen von 3.600 € zugrunde gelegt hat; das Bruttoeinkommen hat der Vorderrichter nicht festgestellt. Das Vorbringen zur Verdienstabrechnung ist urteilsfremd.“