Klima II: Lösen eines Klimaklebers von der Straße, oder: Gebührenbescheid der Polizei

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Und als zweite „Klima-Kleber-Entscheidung“ habe ich hier den OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 10.09.2024 – OVG 1 S 81/23 -, der sich mit der „Nachbereitung“ befasst

Und zwar hat die Polizei Berlin einen Gebührenbescheid in Höhe von 241,- EUR erlassen, mit dem die Kosten für das Lösen eines Klimaaklebers von der Straße geltend gemacht worden sind. Dagegen das Rechtsmittel zum VG, das Erfolg hatte. Und dagegen dann die Beschwerde zum OVG, die keinen Erfolg hatte. Das OVG folgt dem VG, dass davon ausgegangen ist, dass der Gebührenbescheid nicht in rechtmäßiger Weise auf §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 und Abs. 2, 6 Abs. 1, 9 Abs. 2, 10 Abs. 2 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge (GebBtrG) i.V.m. Tarifstelle 8 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen (PolBenGebO) gestützt werden könne:

„Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerde nicht durchzudringen.

Die Beschwerde wendet sich nicht gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, das Ablösen der Hand des Antragstellers von der Fahrbahnoberfläche und das anschließende Wegtragen sei schon deshalb nicht als Ersatzvornahme i.S.d. §§ 9 Abs. 1 lit. a), 10 VwVG zu qualifizieren, da es sich dabei um eine nicht vertretbare Handlung gehandelt habe, die der Ersatzvornahme nicht zugänglich sei.

Soweit die Beschwerde moniert, das Verwaltungsgericht habe verkannt, dass es sich bei den polizeilichen Maßnahmen um eine unmittelbare Ausführung i.S.d. § 15 ASOG – und nicht um einen Sofortvollzug i.S.d. § 6 Abs. 2 VwVG – gehandelt habe, führt dies nicht zu der Einschätzung, das öffentliche Interesse an der Vollziehung des angegriffenen Bescheides überwiege das private Interesse, von der Vollziehung einstweilen verschont zu bleiben.

Das Verwaltungsgericht hat in zutreffender Weise die Regelungen des §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 und Abs. 2, 6 Abs. 1, 9 Abs. 2, 10 Abs. 2 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge (GebBtrG) i.V.m. Tarifstelle 8 des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für die Benutzung öffentlicher Einrichtungen (PolBenGebO) als maßgebliche Rechtsgrundlage für den Gebührenbescheid erachtet. Dem tritt die Beschwerde nicht entgegen.

Danach kann für eine unmittelbare Ausführung von Maßnahmen und Ersatzvornahmen zur Gefahrenabwehr für Personen, Sachen oder Tiere gemäß den §§ 14, 15 und 36 des ASOG, insbesondere Sicherung von Gefahrenstellen auf öffentlichem Straßenland oder Baustellensicherungen, für Personen und Tiere in Notlagen eine Gebühr zuzüglich der durch die Ersatzvornahme entstandenen Auslagen erhoben werden, sofern nicht eine speziellere Tarifstelle einschlägig ist.

Das Verwaltungsgericht hat zunächst für die hier vorliegende Sachlage – von der Beschwerde insoweit unbeanstandet – angenommen, dass die Voraussetzungen einer Ersatzvornahme nach § 10 VwVG nicht vorliegen und im Folgenden die Frage beantwortet, ob das Lösen der Klebeverbindung zwischen der Hand des Antragstellers und der Straßenoberfläche und das anschließende Wegtragen als unmittelbare Ausführung i.S.d. § 15 ASOG qualifizieren werden kann, hat dies jedoch verneint. Soweit die Beschwerde dagegen einwendet, die Abgrenzung zwischen der unmittelbaren Ausführung nach § 15 ASOG und einem Sofortvollzug nach § 6 Abs. 2 VwVG könne nicht dahingehend erfolgen, ob die Maßnahme im (mutmaßlichen) Willen des Verantwortlichen erfolgt – dann unmittelbare Ausführung – oder der entgegenstehende Wille des Verantwortlichen überwunden werden muss – dann Sofortvollzug –, denn eine Abgrenzung nach der Zwangsqualität würde zu Regelungslücken in den Bundesländern führen, die nicht über beide Institute verfügen, führt dies für das vorliegende Verfahren nicht weiter, denn im Land Berlin sind beide Institute gesetzlich geregelt. Soweit der Antragsgegner der Auffassung ist, den Streit um die Abgrenzung beider Institute habe der Landesgesetzgeber durch die Einführung des § 23 des Berliner Mobilitätsgesetzes (MobG BE) dahingehend entschieden, dass die unmittelbare Ausführung (auch) als Ausübung von Verwaltungszwang zu qualifizieren sei, steht der Senat dieser Sichtweise skeptisch gegenüber. § 23 MobG BE eröffnet den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) die Möglichkeit, Fahrzeuge auf Bussonderspuren, in Haltestellenbereichen und auf Wendeanlagen eigenständig umzusetzen. Zur Realisierung dürfen besonders ausgebildete Beschäftigte der BVG bestimmte Befugnisse, wie z.B. die unmittelbare Ausführung gem. § 15 ASOG (§ 23 Abs. 3 Nr. 1 lit. a MobG BE), die Ersatzvornahme gem. § 10 VwVG (§ 23 Abs. 3 Nr. 2 lit. a MobG BE) und den unmittelbaren Zwang gegenüber Sachen (§ 23 Abs. 3 Nr. 2 lit. b MobG BE) ausüben. Daraus nun aber ableiten zu wollen, der Landesgesetzgeber habe die unmittelbare Ausführung nunmehr (auch) als Ausübung von Verwaltungszwang qualifiziert mit der Folge, dass eine Abgrenzung beider Institute nur noch danach erfolgen könne, ob die Gefahrenabwehrbehörde (dann § 15 ASOG) oder eine andere Verwaltungsbehörde (dann § 6 Abs. 2 VwVG) tätig wird, erscheint keineswegs zwingend. Denn genauso gut könnte der Landesgesetzgeber im Rahmen des § 23 MobG BE nur die einzelnen Befugnisse der BVG übertragen haben, die für die Beseitigung der den Busverkehr behindernden Fahrzeuge notwendig und erforderlich sind, ohne damit eine Entscheidung über die hier aufgeworfene Frage zu treffen. Ein diesbezüglicher Wille des Gesetzgebers lässt sich der Begründung jedenfalls nicht entnehmen, denn die Regelung des § 23 MobG BE hat erst auf Vorschlag des Ausschusses für Umwelt, Verkehr und Kilmaschutz vom 7. Juni 2018 (Drs. 18/1177) während des laufenden Gesetzgebungsprozesses Eingang in das Gesetz gefunden und wird daher von der Begründung des Gesetzesentwurfs vom 27. Februar 2018 (Drs. 18/0878) nicht erfasst.

Unabhängig von den von der Beschwerde weiter aufgeworfenen Fragen, ob hier von einer konkreten Gefahr für Personen, Sachen oder Tiere ausgegangen werden kann und ob eine Gebührenpflichtigkeit auch dann besteht, wenn sich die unmittelbare Ausführung gegen den Verhaltensstörer richtet, obwohl § 13 ASOG nicht unmittelbar in der Tarifstelle 8 PolBenGebO genannt wird, kann die Beschwerde bereits deshalb keinen Erfolg haben, weil sie nicht darlegt, dass der Zweck der Maßnahme durch eine Inanspruchnahme des Verhaltensstörers nicht oder nicht rechtzeitig hätte erreicht werden können. Im Grundsatz müssen die durch einen polizeirechtlich Verantwortlichen hervorgerufenen Gefahren oder Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung diesem gegenüber untersagt und ggfs. mit den Mittel des Verwaltungsvollstreckungsrechts durchgesetzt werden. Nur dann, wenn der Zweck der Maßnahme auf diesem Wege nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann, ist der Anwendungsbereich der unmittelbaren Ausführung nach § 15 ASOG eröffnet (vgl. hierzu: Pewestorf in: Pewestorf/Söllner/Tölle, Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Auflage 2022, § 15 Rn. 5; Graulich in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Auflage 2021, Abschnitt E Rn. 296; Knape/Schönrock, Allgemeines Sicherheits- und Ordnungsgesetz für Berlin, 11. Auflage 2016, § 15 Rn. 15, 23). Bezogen auf den hier vorliegenden Fall hat der Antragsgegner aber nicht dargelegt, warum der Zweck der Maßnahme – das Freimachen der Straße für den Straßenverkehr – nicht bzw. nicht rechtzeitig mit den zur Verfügung stehenden Mitteln des Vollstreckungsrechts zu erreichen gewesen wäre. Denn es erschließt sich dem Senat nicht, warum im vorliegenden Fall der solchermaßen definierte Zweck nicht nach Auflösung der Versammlung durch Vollstreckung im Wege des unmittelbaren Zwangs gem. § 12 VwVG der gegenüber dem anwesenden Antragsteller unstreitig ausgesprochenen Aufforderung, die Fahrbahn zu verlassen (Platzverweis), erreichbar gewesen sein soll. Gegensätzliches wird auch von der Beschwerde nicht vorgetragen. Der Senat geht zwar entgegen den Ausführungen des Antragstellers nicht davon aus, dass die Verbindung seiner Hand mit der Straßenoberfläche mittels Sekundenklebers durch „wiederholtes Bewegen und Anspannen der Hand“ durch den Antragsteller selbst hätte gelöst werden können. Allerdings erscheint eine Durchsetzung der Anordnung mit den Mitteln des Vollstreckungsrechts – Anordnung der sofortigen Vollziehung mit verbundener Androhung des unmittelbaren Zwangs unter sofortiger Fristsetzung – durchaus möglich.“

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