StPO II: Geständige Einlassung in den Urteilsgründen?, oder: Ein alter Hut, aber kein Hexenwerk

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Und als zweite Entscheidung dann der BGH, Beschl. v. 17.08.2023 – 2 StR 215/23 – Ein „Klassiker“. Es geht nämlich mal wieder um die Mitteilung des Geständnisses/der Einlassung in den Urteilgründen (§ 267 StPO).

Die Angeklagten sind – auf der Grundlage einer Verständigung –  jeweils wegen banden- und gewerbsmäßigen Computerbetrugs verurteilt worden. Dagegen die Revisionen, die Erfolg hatten. Dem BGH reichen die Urteilsgründe nicht:

„1. Das angefochtene Urteil leidet in Bezug auf die Angeklagten N. und A. an einem durchgreifenden Darstellungsmangel.

a) Das Landgericht hat seine Überzeugung von dem festgestellten Sachverhalt auf die Geständnisse der beiden Angeklagten gestützt, denen jeweils eine bestätigte Verteidigererklärung zugrunde lag. Die Strafkammer führte in diesem Zusammenhang aus, dass die angeklagten Taten mit Ausnahme der Taten Ziffer 1 des Beschlusses der Kammer vom 16. November 2022, der als Anlage 1 zum Sitzungsprotokoll genommen wurde, in objektiver und subjektiver Hinsicht eingeräumt wurden, betreffend die Schadensermittlung und die Verteilung des Erlangten allerdings nur nach Maßgabe des unter Ziffer 2 des vorgenannten Beschlusses dargelegten vorläufigen Ergebnisses der Beweisaufnahme zum damaligen Zeitpunkt. Nähere Ausführungen zu den Einschränkungen sind dem Urteil im Weiteren nicht zu entnehmen.

b) Diese Beweiserwägungen halten sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

aa) Die Beweiswürdigung ist zwar Sache des Tatrichters und als solche vom Revisionsgericht grundsätzlich hinzunehmen. Dies gilt aber nicht, wenn sie – wie hier – an einem Darstellungsmangel leidet. §§ 261 und 267 StPO verpflichten den Tatrichter, seine Beweiserwägungen geschlossen und aus sich heraus verständlich in den schriftlichen Urteilsgründen niederzulegen, um eine revisionsgerichtliche Überprüfung zu ermöglichen (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 9. August 2022 – 6 StR 249/22, NStZ-RR 2023, 84, 85; Senat, Beschluss vom 18. November 2020 – 2 StR 152/20, NStZ-RR 2021, 114, 115, jew. mwN).

Das Tatgericht ist daher gehalten, die – auch geständige – Einlassung eines Angeklagten jedenfalls in ihren wesentlichen Grundzügen wiederzugeben. Dies gilt auch, wenn dem Urteil eine Verfahrensabsprache zugrunde liegt, denn weder eine Verständigung noch ein Geständnis entheben den Tatrichter von seiner Pflicht, die Einlassung des Angeklagten einer kritischen Prüfung auf Plausibilität und Tragfähigkeit hin zu unterziehen und zu den sonstigen Beweismitteln in Beziehung zu setzen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2022 – 3 StR 69/22, juris Rn. 5; Senat, Beschluss vom 24. September 2013 – 2 StR 267/13, BGHSt 59, 21, 27 f.). Legt der Tatrichter das Geständnis des Angeklagten seinen Feststellungen in vollem Umfange zugrunde, so kann es zwar – je nach den Umständen des Einzelfalls – genügen, auf die Feststellungen Bezug zu nehmen. Dabei muss das Strafurteil aber nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO aus sich selbst heraus verständlich bleiben. Bezugnahmen oder Verweisungen auf Urkunden, auf Aktenbestandteile und auf sonstige Erkenntnisse – von den Sonderfällen des § 267 Abs. 1 Satz 3, Abs. 4 Satz 1 StPO abgesehen – sind daher nicht statthaft (Senat, Urteil vom 20. Januar 2021 – 2 StR 242/20, juris Rn. 19; BGH, Urteil vom 17. Dezember 2008 – 1 StR 552/08, NStZ-RR 2009, 116). Denn soweit gebotene eigene Urteilsfeststellungen oder Würdigungen durch Bezugnahmen ersetzt werden, ist dem Revisionsgericht die Nachprüfung verwehrt (BGH, Urteil vom 2. Dezember 2005 – 5 StR 268/05, NStZ-RR 2007, 22; Beschlüsse vom 5. April 2000 – 3 StR 58/00, NStZ-RR 2000, 304; vom 28. Mai 2009 – 4 StR 101/09, juris Rn. 8).

bb) Nach diesen Maßstäben hält die tatrichterliche Beweiswürdigung einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, denn das Landgericht hat es versäumt, die wesentlichen Grundzüge der Einlassungen der Angeklagten in hinreichender Weise darzulegen. Zwar hat die Strafkammer ausgeführt, dass die Feststellungen zu dem Tatgeschehen auf den als inhaltlich zutreffend bestätigten geständigen Verteidigererklärungen beruhen. Jedoch hat sie sowohl hinsichtlich der eingeräumten Taten als auch betreffend die Schadenshöhe sowie die Verteilung des Erlangten auf Einschränkungen hingewiesen und dazu auf ihren Beschluss vom 16. November 2022 Bezug genommen, dessen Inhalt nicht mitgeteilt wird und der damit nicht Bestandteil des Urteils ist. Damit ist nicht aus dem Urteil selbst heraus erkennbar bzw. verständlich, unter welcher Maßgabe die Angeklagten die gegenständlichen Taten tatsächlich eingeräumt haben. Auch die weiteren Urteilsgründe verhalten sich hierzu nicht. Hinzu kommt, dass die Strafkammer den Angeklagten im Rahmen der Strafzumessung zugutehält, die ihnen „vorgeworfenen Taten vollumfänglich gestanden“ zu haben, was im Widerspruch dazu steht, dass die Angeklagten die Anklagevorwürfe gerade nicht vollumfänglich, sondern nur mit Einschränkungen eingeräumt haben.“

Mich erstaunen solche Entscheidungen immer. Das ist doch alles keine Zauberkunst oder Hexenwerk, was hinsichtlich der Urteilsgründe zu beachten ist.

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