Und als dritte Entscheidung dann ein weiterer Beschluss zur Organisationshaft, und zwar der LG Wuppertal, Beschl. v. 17.07.2023 -21 StVK 736/23 (10 Js 421/22). Das LG führt zur zulässigen Dauer von Organisationshaft aus:
„Die Organisationshaft stellt grundsätzlich einen Verstoß gegen die richterlich angeordnete Vollstreckungsreihenfolge dar und ist als regelwidriges Institut der Freiheitsentziehung anzusehen; weil indes aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen eine zeitliche Verzögerung bei der Vollstreckung einer durch Strafurteil angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt gem. § 64 StGB in der Regel unvermeidbar ist, liegt dann noch keine — gesetzeswidrige und dem zu vollstreckenden Urteil widersprechende — Umkehrung der Vollstreckungsreihenfolge vor, wenn eine verurteilte Person sich für diejenige kurze Zeitspanne in Organisationshaft befindet, welche die Vollstreckungsbehörde nach Rechtskraft der erfolgten Anordnung unter Berücksichtigung des in Haftsachen geltenden Beschleunigungsgebotes benötigt, um einen vorhandenen Maßregelvollzugsplatz gegebenenfalls auch in einem anderen Bundesland — zu lokalisieren und den Verurteilten dorthin zu überführen (OLG Braunschweig, Beschl. v. 04.09.2020, 1 Ws 205/20, juris Rn. 21 f. m.w.N.). Welche Zeitspanne für diesen verwaltungstechnischen Vollzug der Überstellung des Verurteilten in die Maßregeleinrichtung als (noch) zulässig anzusehen ist, lässt sich nicht generell bestimmen, sondern hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab (OLG Braunschweig a.a.O., juris Rn. 23 m.w.N.; für eine solche Einzelfallbetrachtung auch OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.02.2023, 1 Ws 97/22, juris Rn. 8 m.w.N.).
Nach diesen Grundsätzen ist die Vollstreckung von Organisationshaft im Verfahren zum Az. 10 Js 3098/19 der Staatsanwaltschaft Wuppertal im jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zulässig.
Die Organisationshaft in diesem Verfahren dauert seit Rechtskraft des zugrunde liegenden Urteils bereits über 16 Wochen. Zwar ist der Staatsanwaltschaft zuzugeben, dass sie sich nach Eintritt der Rechtskraft zeitnah durch wiederholte Anfragen bei der Maßregelvollzugsbehörde um die Bereitstellung eines Unterbringungsplatzes bemüht hat. Jedoch hängt die Zulässigkeit der Organisationshaft nicht allein davon ab, ob die Vollstreckungsbehörde alles in ihrer Macht Stehende getan hat, um auf eine zeitnahe Überführung in den Maßregelvollzug hinzuwirken.
So ist die Organisationshaft nach den vorerwähnten Maßstäben von dem Zeitpunkt an unzulässig, bis zu dem die Vollstreckungsbehörde bei dem gebotenen beschleunigten Vorgehen klären kann oder hätte klären können, ob für den Verurteilten ein Unterbringungsplatz zur Verfügung steht oder nicht (OLG Celle, Beschl. v. 19.08.2002, 1 Ws 203/02, NStZ-RR 2002, 349 [350]). Auch ist eine weitere Organisationshaft nicht mehr zulässig, sobald sich im Rahmen der entfalteten Bemühungen ergibt, dass ein solcher Platz nicht zur Verfügung steht (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 25.1 1.2003, 4Ws 537/03 u. 4Ws 569/03, NStZ-RR 2004, 381 [3821 m.w.N.). Die Zeit, während derer die Vollstreckungsbehörde lediglich noch in erzwungener Untätigkeit auf das Freiwerden eines — auch nur vage in Aussicht gestellten — Vollzugsplatzes wartet, fällt nicht unter die zur Organisation der Überstellung in die gerichtlich angeordnete Maßregelunterbringung unerlässliche Zeitspanne (OLG Braunschweig, Beschl. v. 04.09.2020, 1 Ws 205/20, juris Rn. 23 m.w.N., ähnlich OLG Hamm, Beschl. v. 07.05.2019, 111-1 Ws 209/19, juris Rn. 15). so lag es im vorliegenden Fall allerspätestens am 11.07.2023. Denn die Maßregelvollzugsbehörde hatte bereits am 31.03.2023 mitgeteilt, dass derzeit kein Unterbringungsplatz zur Verfügung stehe, ohne das Freiwerden eines Platzes in überschaubarem Zeitraum auch nur vage in Aussicht zu stellen. Hieran änderte sich bis zum 10.07.2023 nichts, sodass spätestens zu diesem Zeitpunkt — ob bereits früher und ggf. zu welchem konkreten Zeitpunkt, bedarf hier keiner Entscheidung — eine Situation vorlag, in der mit dem Freiwerden eines Platzes im Maßregelvollzug nicht konkret gerechnet werden konnte und die weitere Wartezeit völlig ungewiss war. Das gilt auch unter Berücksichtigung der laut Staatsanwaltschaft — möglicherweise gezwungenermaßen, freilich etwas umständlich — im Berichtswege über Ministerialebenen entfalteten Bemühungen um eine Unterbringung in anderen Bundesländern, zumal auf den Erlass vom 05.04.2023 bis zum 10.07.2023 keine Reaktionen der Stellen, die so letztlich wohl erreicht werden sollten, im Vollstreckungsheft aktenkundig oder sonst bekannt geworden sind.
Soweit der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf Bedenken gegen die Bewertung „bloßen Zuwartens“ auf einen freiwerdenden Therapieplatz als unzulässig vollzogene Untersuchungshaft geäußert hat, betrifft dies ausdrücklich Fälle einer noch „angemessene[n] Zeit des Zuwartens“ (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.03.2021, 2 Ws 37/21, juris Rn. 14). Hiernach soll es, soweit für die Kammer ersichtlich, nur nicht dazu kommen, dass ein Verurteilter, der sich erst seit wenigen Tagen in Organisationshaft befindet, aus dieser entlassen werden müsste, wenn sich unmittelbar herausstellt, dass ein Unterbringungsplatz derzeit nicht, wohl aber kurzfristig verfügbar ist. Ein solcher Fall liegt hier jedoch nicht vor. Es sind seit Rechtskraft des Urteils bereits mehrere Monate vergangen, ohne dass ein Platz im Maßregelvollzug verfügbar wurde oder konkret in Aussicht gestellt werden konnte. Selbst wenn es — insbesondere verfassungsrechtlich – nicht geboten sein sollte, Behandlungsplätze im Maßregelvollzug jederzeit und auch kurzfristig verfügbar zu halten, besteht im Grundsatz die seit Langem bekannte Rechtspflicht der Verwaltung und der Haushaltsgesetzgeber in den Bundesländern, die praktische Vollstreckbarkeit der Bundesrecht konkretisierenden Strafurteile sicherzustellen, und zwar, soweit dies vom Vorhandensein finanzieller Mittel abhängt, unter Hintansetzung anderer, politisch zwar erwünschter, aber nicht in diesem Sinne unerlässlicher Vorhaben (OLG Braunschweig a.a.O., juris Rn. 23; OLG Hamm, Beschl. v. 25.1 1.2003, 4 Ws 537/03 u. 4 569/03, NStZ-RR 2004, 381 [382]). Dass hier über mehr als 15 Wochen nach Rechtskrafteintritt nicht einmal ein voraussichtliches künftiges Freiwerden von Kapazitäten in Nordrhein-Westfalen oder einem anderen Bundesland terminlich konkretisiert werden konnte, erscheint als Folge einer unzureichenden Umsetzung dieser Rechtspflicht, die nicht zulasten des betroffenen Verurteilten gehen darf.
Nichts Anderes ergibt sich unter zusätzlicher Berücksichtigung der Gefährlichkeit des Verurteilten und der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit im Rahmen der Einzelfallabwägung. Eine hangbedingte Gefahr neuer Straftaten ist bei Verurteilten, deren Unterbringung nach S 64 StGB angeordnet wurde, naturgemäß gegeben, da unter anderem dies Voraussetzung der Unterbringungsanordnung ist, und kann daher nicht schlechthin den (weiteren) Vollzug einer ansonsten unzulässigen oder unzulässig gewordenen Organisationshaft rechtfertigen. Umstände, die eine (weitere) Freiheitsentziehung hier erforderlich machen, sind nicht ersichtlich.
An der somit spätestens am 10.07.2023 eingetretenen Unzulässigkeit des weiteren Vollzugs der Organisationshaft änderte die am 11.07.2023 unerwartet entstandene Perspektive der Überführung des Verurteilten in den Maßregelvollzug am 18.07.2023 nichts.“