Da ist sie also nun. Die lange erwartete Entscheidung des BVerfG in 2 BvR 1167/20.
Wer sich allerdings davon etwas erhofft hatte, wird bitter enttäuscht Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Für mich das Ärgernis des Monats, wenn nicht des Jahres. Ich frage mich, warum man dafür drei Jahre braucht. BVerfG eben. Mia san mia (?).
Ich stelle hier jetzt nur die PM ein, da ich im Moment im Zug bin. Die lautet:
„Erfolglose Verfassungsbeschwerde wegen fehlender „Rohmessdaten“ bei Geschwindigkeitsmessung
Pressemitteilung Nr. 68/2023 vom 14. Juli 2023
Beschluss vom 20. Juni 2023
2 BvR 1167/20Mit heute veröffentlichtem Beschluss hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts eine Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, mit der sich der Beschwerdeführer gegen die gerichtliche Festsetzung eines Bußgeldes wegen einer vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung wendet. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts wurde die Geschwindigkeitsmessung mit Hilfe des von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zugelassenen mobilen Geschwindigkeitsmessgeräts des Typs Leivtec XV3 durchgeführt. Der Beschwerdeführer sieht sich insbesondere in seinem aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) folgenden Recht auf ein faires Verfahren verletzt, weil das eingesetzte Messgerät keine sogenannten „Rohmessdaten“ speichere und damit im Bußgeldverfahren ein nicht überprüfbares Geschwindigkeitsmessergebnis verwertet worden sei.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Beschwerdeführer eine Grundrechtsverletzung nicht hinreichend substantiiert darlegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Betroffene in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren grundsätzlich einen Anspruch auf Zugang auch zu bei der Bußgeldbehörde vorhandenen, aber nicht zur Bußgeldakte genommenen Informationen. Der Beschwerdeführer meint jedoch, der aus dem Grundsatz des Rechts auf ein faires Verfahren resultierende Gedanke der Waffengleichheit gebiete es darüber hinaus, dass die zuständigen Behörden nur Geräte einsetzen, die sogenannte „Rohmessdaten“ erheben. Er legt insofern aber nicht substantiiert dar, dass aus dem verfassungsrechtlich verankerten Recht auf ein faires Verfahren auch eine staatliche Pflicht folgt, potentielle Beweismittel zur Wahrung von Verteidigungsrechten vorzuhalten beziehungsweise zu schaffen.
Mit ebenfalls am heutigen Tag veröffentlichten Beschlüssen hat die 2. Kammer des Zweiten Senats zwei ähnlich gelagerte Fälle entschieden, in denen Geschwindigkeitsmessgeräte der Typen PoliScan M1 HP (Az. 2 BvR 1082/21) und TraffiStar S350 (Az. 2 BvR 1090/21) zum Einsatz kamen.
Sachverhalt:
Mit Bußgeldbescheid vom 26. März 2019 wurde gegen den Beschwerdeführer wegen einer vorgeworfenen Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße festgesetzt. Hiergegen legte der Beschwerdeführer Einspruch ein und beantragte gegenüber dem zuständigen Amtsgericht unter anderem die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass bei dem zum Einsatz gekommenen Messgerät des Typs Leivtec XV3 die Möglichkeit ausgeschlossen sei, die Messung durch ein Sachverständigengutachten überprüfen zu lassen, sodass die Anerkennung als standardisiertes Messverfahren nicht mehr in Betracht komme. Zur Begründung führte er aus, dass das Messgerät die Rohmessdaten beziehungsweise die Messdaten der gesamten Messung nicht speichere; dadurch werde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit genommen, die bestehenden hohen Anforderungen an einen Vortrag zu Messfehlern zu erfüllen. Das Amtsgericht lehnte den Beweisantrag ab und verurteilte den Beschwerdeführer mit angegriffenem Urteil vom 10. Januar 2020 wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h zu einer Geldbuße in Höhe von 105 Euro. Die festgestellte Ordnungsmäßigkeit der Geschwindigkeitsmessung begründete das Amtsgericht im Wesentlichen damit, dass die Messung durch den Messbeamten mit dem von der PTB zugelassenen mobilen Geschwindigkeitsmessgerät des Typs Leivtec XV3 durchgeführt worden sei. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung handele es sich hierbei um ein standardisiertes Messverfahren. Die Beweisaufnahme habe im Ergebnis keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Messung ergeben. Den hiergegen eingelegten Beschwerdezulassungsantrag des Beschwerdeführers verwarf das Oberlandesgericht mit ebenfalls angegriffenem Beschluss vom 28. Mai 2020.
Wesentliche Erwägungen der Kammer:
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung lässt eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers nicht erkennen.
1. Der Beschwerdeführer legt die gerügte Verletzung in seinem aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Recht auf ein faires Verfahren nicht hinreichend dar.
a) Das Recht auf ein faires Verfahren gewährleistet dem Betroffenen, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde wahrnehmen und Übergriffe staatlicher Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können. Eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren liegt erst dann vor, wenn eine Gesamtschau auf das Verfahrensrecht ergibt, dass rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen worden sind oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben worden ist.
b) Die geringeren Anforderungen an die Beweisführung und die Urteilsfeststellungen der Fachgerichte nach der Rechtsprechungspraxis zu sogenannten standardisierten Messverfahren bei Geschwindigkeitsüberschreitungen genügen diesen Anforderungen an ein faires Verfahren, wobei der Betroffene grundsätzlich einen Anspruch auf Zugang zu den bei der Bußgeldbehörde vorhandenen Informationen hat.
aa) Das Bundesverfassungsgericht hat bereits festgestellt, dass es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden ist, wenn Fachgerichte in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren von einer reduzierten Sachverhaltsaufklärungs- und Darlegungspflicht im Fall eines standardisierten Messverfahrens ausgehen. Bei einem standardisierten Messverfahren handelt es sich um ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf derart festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Regelmäßig werden technische Messsysteme, deren Bauart von der PTB zur Eichung zugelassen ist, von den Gerichten als standardisierte Messverfahren insbesondere bei Geschwindigkeitsmessungen anerkannt. Kommt bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung ein standardisiertes Messverfahren zur Anwendung, sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geringere Anforderungen an die Beweisführung und die Urteilsfeststellungen der Fachgerichte zu stellen. Das Tatgericht muss sich bei der Berücksichtigung der Ergebnisse von Geschwindigkeitsmessgeräten bewusst sein, dass Fehler nicht auszuschließen sind, und es hat diesem Umstand durch die Berücksichtigung von Messtoleranzen Rechnung zu tragen. Davon abgesehen ist das Tatgericht nur dann gehalten, das Messergebnis zu überprüfen und sich von der Zuverlässigkeit der Messung zu überzeugen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gegeben sind. Dabei bleibt der Anspruch des Betroffenen, nur aufgrund ordnungsgemäß gewonnener Messdaten verurteilt zu werden, gewahrt, wenn ihm die Möglichkeit eröffnet ist, das Tatgericht im Rahmen seiner Einlassung auf Zweifel aufmerksam zu machen und einen entsprechenden Beweisantrag zu stellen.
bb) Um dem aus dem Grundsatz des Rechts auf ein faires Verfahren resultierenden Gedanken der „Waffengleichheit“ hinreichend Rechnung zu tragen, hat der Betroffene in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren einen Anspruch auf Zugang auch zu den bei der Bußgeldbehörde vorhandenen, aber nicht zur Bußgeldakte genommenen Informationen.
Dabei gilt das Recht auf Zugang zu den außerhalb der Akte befindlichen Informationen gerade im Bereich massenhaft vorkommender Ordnungswidrigkeiten allerdings nicht unbegrenzt, weil andernfalls die Gefahr der uferlosen Ausforschung, erheblicher Verfahrensverzögerungen und des Rechtsmissbrauchs bestünde. Die begehrten, hinreichend konkret benannten Informationen müssen deshalb zum einen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und zum anderen erkennbar eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen. Die Bußgeldbehörden beziehungsweise die Fachgerichte haben im Einzelfall zu entscheiden, ob sich das den Geschwindigkeitsverstoß betreffende Zugangsgesuch der Verteidigung in Bezug auf die angeforderten Informationen innerhalb dieses Rahmens hält.
c) Vorliegend zeigt der Beschwerdeführer nicht die Möglichkeit auf, durch das Urteil des Amtsgerichts in seinem Recht auf ein faires Verfahren verletzt zu sein.
Zwar ist denkbar, dass der Beschwerdeführer aus Gründen der verfassungsrechtlich gebotenen „Waffengleichheit“ zwischen den Verfolgungsbehörden einerseits und dem Betroffenen in einem Bußgeldverfahren andererseits auch Zugang zu ? zwar nicht in der Bußgeldakte, aber bei der Bußgeldbehörde ? vorhandenen Informationen verlangen kann. Ob auch die vom Beschwerdeführer bezeichneten „Rohmessdaten“ zu diesen herauszugebenden Informationen zählen können, haben die Bußgeldbehörden beziehungsweise die Fachgerichte im Einzelfall zu entscheiden.
Der Beschwerdeführer schlussfolgert jedoch, der aus dem Grundsatz des Rechts auf ein faires Verfahren resultierende Gedanke der Waffengleichheit gebiete es darüber hinaus, dass die zuständigen Behörden nur Geräte einsetzen, die sogenannte „Rohmessdaten“ erheben. Damit verlangt er ein Mehr im Vergleich zur bloßen Herausgabe von vorhandenen Informationen, weil nach seinem Vorbringen auch die Bußgeldbehörde nicht im Besitz der von ihm bezeichneten „Rohmessdaten“ ist. Der Beschwerdeführer legt insofern nicht substantiiert dar, dass aus dem verfassungsrechtlich verankerten Recht auf ein faires Verfahren auch eine staatliche Pflicht folgt, potentielle Beweismittel zur Wahrung von Verteidigungsrechten vorzuhalten beziehungsweise zu schaffen.
Der Beschwerdeführer versäumt es insoweit auch, sich mit den Maßstäben und Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 12. November 2020 (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 -) hinreichend auseinanderzusetzen. Er hätte an die dortigen Ausführungen anknüpfen und darlegen müssen, dass die dort genannten verfassungsrechtlichen Maßstäbe von Verfassungs wegen fortzuentwickeln seien. Denn er stützt sein Vorbringen auf ein von ihm für verfassungsrechtlich geboten gehaltenes Recht auf Vorhaltung beziehungsweise Schaffung von Beweismitteln und damit auf eine Veränderung der Anforderungen an ein standardisiertes Messverfahren. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu standardisierten Messverfahren bei Geschwindigkeitsmessungen konstatiert jedoch lediglich ein Recht auf erweiterten Zugang zu vorhandenen Informationen und dies auch nicht unbegrenzt, sondern abhängig von dem jeweiligen Einzelfall.
In Anbetracht der nicht hinreichenden rechtlichen Substantiierung kommt es nicht mehr darauf an, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers auch in tatsächlicher Hinsicht den Begründungsanforderungen nicht genügen dürfte. Dies gilt insbesondere für seine Tatsachenbehauptungen zu den Daten, die das bei der verfahrensgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung eingesetzte Messgerät des Typs Leivtec XV3 nach seinen Angaben infolge eines Gerätesoftware-Updates nicht mehr abspeichere beziehungsweise die das Gerät seines Erachtens zukünftig speichern müsse. Hinzu kommen die offenkundigen tatsächlichen Unsicherheiten im Hinblick auf die Relevanz von „Rohmessdaten“ für die Verteidigungsmöglichkeiten des Beschwerdeführers.
Angesichts dieses Befundes zeigt der Beschwerdeführer nicht substantiiert auf, dass das Amtsgericht ? bestätigt durch das Oberlandesgericht ? vorliegend gegen das Recht auf ein faires Verfahren verstoßen haben könnte, indem es die angegriffene Verurteilung auf eine Geschwindigkeitsüberschreitung stützte, die im Wege eines (zum damaligen Zeitpunkt) anerkannten standardisierten Messverfahrens ermittelt worden war. Dass das Amtsgericht dabei rechtsstaatlich zwingende Folgerungen nicht gezogen oder rechtsstaatlich Unverzichtbares preisgegeben haben könnte, kann auf dieser Grundlage im Rahmen der gebotenen Gesamtschau auf das Verfahrensrecht nicht festgestellt werden.
Schließlich fehlt es mangels substantiierten Vortrags des Beschwerdeführers an tatsächlichen Anhaltspunkten für eine staatlich veranlasste willkürliche Beeinträchtigung seiner Verteidigungsmöglichkeiten oder für eine sonstige Verletzung der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Pflicht zur Objektivität von Verwaltung und Justiz durch eine reduzierte Vorhaltung
oder Schaffung bestimmter Daten, die aus Sicht des erkennenden Fachgerichts einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens begründen könnte.2.Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu der von ihm gerügten Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) sowie seiner Rechte auf effektiven Rechtsschutz (Art. 19 Abs. 4 GG) und den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) bleibt offensichtlich unsubstantiiert.“
Lächerlich. Vor allem, dass man dafür drei Jahre gebraucht hat. BVerfG eben. Mia san mia (?).
M E. ist jetzt endlich der Gesetzgeber gefordert, die Fragen zu klären. Aber will/kann man das von dem derzeitigen Bundesjustizminister oder – noch schlimmer – Bundesverkehrsminister erwarten? Eher nicht. Also geht die Praxis der OLG weiter. Jetzt wird erst recht verworfen.
Was Sie im Hintergrund knallen hören, sind übrigens keine Fahrgeräusche der Bahn. Nein, das sind die Sektkorken bei der PTB.
Und sorry wegen der Verspätung. Aber auch egal. Das BVerfG hat drei Jahre gebraucht.
Es ist wirklich erschreckend und auch sehr bedauerlich, dass das Bundesverfassungsgericht so lange für diese Entscheidung, dass die Verfassungsbeschwerde gar nicht erst zur Entscheidung angenommen wird, benötigt hat.
Bedauerlich ist auch, dass die Entscheidung auf fehlenden substantivierten Vortrag gestützt wird. Mir stellt sich zumindest die Frage, ob auch vorgetragen wurde, dass die rohmesdaten(etwa in dem ebenfalls entschiedenen Parallelverfahren 2 BvR 1090/21 zumindest für eine juristische Sekunde in dem von der staatlichen Verfolgungsbehörde betriebenen Messgerät vorhanden waren, aber aufgrund einer Entscheidung der staatlichen Physikalisch-Technischen Bundesanstalt eine Software aufgespielt wurde, mittels derer die ruhmesdaten anders als zuvor nicht mehr gespeichert, sondern unmittelbar nach der Erfassung und Verarbeitung gelöscht wurden (worin meiner Meinung nach eine vorweggenommene Beweisvereitelung zu Lasten der Betroffenen und ihre Verteidiger liegt).
Das sind meiner Meinung nach durchaus tatsächliche Anhaltspunkten für eine staatlich veranlasste willkürliche Beeinträchtigung der Verteidigungsmöglichkeiten und eine Verletzung der aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Pflicht zur Objektivität von Verwaltung und Justiz durch eine reduzierte Vorhaltung bestimmter Daten, die einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens begründen könnte.
Weshalb es auf die Sicht das erkennenden Fachgerichts ankommen sollte und nicht nur auf das Recht auf ein faires Verfahren bzw die Sicht des Bundesverfassungsgerichts, erschließt sich mir auch nicht.
Selbst wenn aber entsprechend vorgetragen wurde oder in zukünftigen Verfahren noch vorgetragen wird befürchte ich, dass das Bundesverfassungsgericht es scheut, mit einer Entscheidung zugunsten der Beschwerdeführer gleichzeitig zigtausende Ordnungswidrigkeiten Verfahren zu torpedieren (obwohl das dort natürlich niemand zugeben würde).
Spannend ist dabei auch Folgendes:
Leider ergibt sich aus der Pressemitteilung noch, von wann die Verfassungsbeschwerde stammt. Legt man zu Grunde, dass der angegriffenen Beschluss des OLG vom 28. Mai 2020 stammt, kann man davon ausgehen, dass die Verfassungsbeschwerde samt Begründung deutlich vor November 2020 stammt. Wie der Beschwerdeführer „sich mit den Maßstäben und Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts in der Entscheidung vom 12. November 2020 (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 12. November 2020 – 2 BvR 1616/18 -) hinreichend auseinanderzusetzen“ sollte, mag das BVerfG noch an anderer Stelle verraten …
@RA Böger:
Das ist eigentlich Standard beim BVerfG, dass man die Begründung nachbessern muss, wenn sich nach Einlegung/Begründung noch etwas Relevantes tut.
Hier zB unter Rn. 7
https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2021/10/rk20211022_1bvr141617.html
Das BVerfG benötigt drei Jahre, um festzustellen, dass es eine Beschwerde nicht annehmen kann? Da ist man sprachlos….
Und dann fordert das BVerfG auch noch hellseherische Fähigkeiten vom Beschwerdeführer, indem es bemängelt, dass er einen Beschluss des BVerfGs nicht beachtet hatte, den es zum Zeitpunkt seiner Beschwerde noch gar nicht gab.
Es ist ja schon unverständlich genug, dass das Bundesverfassungsgericht in seiner Pressemitteilung in swe Sache 2 BvR 1616/18 einen Begriff (Rohmessdaten) verwendet, von dem es in der Gesamtsicht des Beschlusses offenbar noch nicht einmal dei Bedeutung kennt. Das jetzige Verfahren toppt das aber noch einmal.
Das ist vor allem insofern probematisch, als dass die Oberlandesgerichte die Sache jetzt wider besseres Wissen vermutlich so bewerten werden, als hätte das BVerfG die Verfassungsbeschwerde abgelehnt, anstatt sie “nur“ nicht anzunehmen.
Für OLG-Richter und -Richterinnen stellte es bisher nämlich schon kein Problem dar, Messungen allein auf Basis des standardisierten Messverfahrens zu beurteilen, auch wenn dieses juristische Konstrukt nachweislich keine Messsicherheit gewährleisten kann. Dass dem so ist, haben die bei Fahrzeugen mit LED-Licht möglichen, massiven Fehlmessungen der eso-Einseitensensoren und vor allen Dingen die Anfälligkeit von Leivtec XV3 für Stufen Profilbild-/Abgleitemessungen gezeigt, aufgrund derer das Messgerät vom Markt genommen worden ist.
Wenn diese allgemein bekannten Sachverhalte nicht als Argument dafür geeignet sind, dass Rohmessdaten auch im standardisierten Messverfahren für eine aussagekräftige Prüfung einer messung benötigt werden, was denn dann?
Es ist für Techniker unverständlich, dass solche Fakten wie z.B. auch die massiven Unterschiede in der Technik der Messgeräte zum Zeitpunkt der Entwicklung des „standardisierten Messverfahrens“ und dem heutigen Tag, wo der Messwert nur durch eine vollkommen intransparente Software bestimmt wird, die meisten Richter nicht interessieren.
In der Sache wird weiter zu diskutieren sein.
Eine unsachliche Anmerkung soll aber angesichts des Ergebnisses und der „Qualität“ der Argumentation nicht fehlen. Die Kammer hat in folgender Besetzung entschieden:
1. Peter Müller, ehem. CDU-Ministerpräsident und ehem. CDU-Bundespräsidiumsmitglied, Fraktionsvorsitzender
2. Prof.in Dr. Langenfeld, wissenschaftlich wie folgt ausgewiesen:
„Die Gleichbehandlung von Mann und Frau im Europäischen Gemeinschaftsrecht“ (1989)
„Integration und kulturelle Identität zugewanderter Minderheiten – eine Untersuchung am Beispiel des allgemeinen Schulwesens in Deutschland“ (2000)
3. Dr. Fetzer, vormals u.a. stellvertretende Präsidialrichterin beim BGH.
Wie diese unsachliche Anmerkung fortgesetzt werden könnte, überlasse ich dem Leser.