OWi I: Richtige Bemessung der (Halter)Geldbuße, oder: Abzug von Aufwendungen des Halters?

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Heute dann mal wieder ein OWi-Tag mit der Vorbemerkung: Im (straßenverkehrsrechtlichen) Bußgeldverfahren tut sich zur Zeit nicht so ganz viel. Man hat den Eindruck, dass alle gespannt sitzen und warten, was da nun vom BVerfG im Verfahren 2 BvR 1167/20 (endlich) kommt. Muss ein „Hammerbeschluss“ sein, wenn es so lange dauert.

Bis dahin müssen wir uns mit „Kleinkram“ begnügen 🙂 , also nichts wesentlich Neues

Ich beginne die heutige Berichterstattung dann mit dem OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 07.03.2023 – 3 ORbs 8/23. In der Entscheidung geht es um die Höhe einer Geldbuße wegen zweier tateinheitlicher Handlungen des Anordnens bzw. Zulassens der Inbetriebnahme einer Fahrzeugkombination trotz Überschreitung der zulässigen Länge über alles um 2,00 m sowie trotz Überschreitung der zulässigen Höhe über alles um 0,35 m. Festgesetzt worden sind 2.900 EUR, wobei vom Halter gemachte Aufwendungen nicht in Abzug gebracht worden sind.

Das gefällt dem OLG nicht:

„1. Der Beschluss des Amtsgerichts hält sachlich-rechtlicher Überprüfung nicht stand.

Das Amtsgericht hat im Rahmen der – nach wirksamer Beschränkung des Rechtsmittels zur Prüfung des Senats stehenden – Rechtsfolgenbestimmung zu Unrecht angenommen, vom Halter gemachte Aufwendungen seien nicht in Abzug zu bringen.

a) Nach § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG soll die Geldbuße den aus der Ordnungswidrigkeit gezogenen wirtschaftlichen Vorteil übersteigen. Der Wortlaut gebietet grundsätzlich eine Saldierung. Es gilt das Nettoprinzip. In diesem Rahmen sind von den durch die Tat erlangten wirtschaftlichen Zuwächsen die Kosten und Aufwendungen des Betroffenen abzuziehen (BGH, Beschl. v. 8.12.2016 – 5 StR 424/15, StV 2018, 43 [Ls. 2]). Maßgeblich ist ein Vergleich der wirtschaftlichen Position vor und nach der Tat (KK-OWiG/Mitsch, 5. Aufl. 2018, OWiG § 17 Rn. 118).

aa) Die konkrete Abzugsfähigkeit ist dabei stets anhand des Einzelfalls zu bestimmen (BGH, Beschl. v. 27.4.2022 – 5 StR 278/21, NZWiSt 2022, 410, 414 Tz. 38 a.E.). Abzugsfähig sind unter dem Nettoprinzip diejenigen Aufwendungen, die durch den Erwerbsvorgang veranlasst bzw. im unmittelbaren Zusammenhang mit der zu ahndenden Tat entstanden sind (BayObLG, NStZ-RR 2022, 217, 219; KK-OWiG/Mitsch aaO., § 17 Rn. 120). Hypothetische Gewinne, etwa aus der Fortsetzung legalen Verhaltens, bleiben dabei allerdings außer Betracht, ebenso mögliche Erstattungsansprüche Dritter (BGH, Beschl. v. 8.12.2016 – 5 StR 424/15, wistra 2017, 242, 243 f. Tz. 4; Krenberger/Krumm-OWiG, 7. Aufl. 2022, 30 Rn. 42; KK-OWiG/Rogall aaO., § 30 Rn. 141).

bb) Dies berücksichtigt das angefochtene Urteil nicht in dem rechtlich gebotenen Umfang, indem es die Abzugsfähigkeit der durch die Tat veranlassten Aufwendungen gänzlich versagt.

Insoweit bedarf es weiterer tatrichterlicher Aufklärung. Soweit nur Feststellungen zu dem mit der Fahrt erzielten Umsatz möglich sind, ist eine darauf gestützte Berücksichtigung des mit der Fahrt insgesamt erzielten wirtschaftlichen Vorteils zulässig. Erforderlich sind im Rahmen einer groben Schätzung, an die keine überspannten Anforderungen zu stellen sind, nachprüfbare Angaben in den Urteilsgründen (vgl. zum Vorgehen BGH, Beschl. v. 27.4.2022 – 5 StR 278/21, NZWiSt 2022, 410, 413 ff. Tz. 27, 36 u. 44).

b) aa) Dem steht es grundsätzlich nicht entgegen, dass die Aufwendungen zu einem rechtlich missbilligten Zweck erfolgten.

Allein aus der Unzulässigkeit des Verhaltens – hier: der Überschreitung der zulässigen Länge und Höhe des Fahrzeugs – folgt nach der vorzitierten neueren Rechtsprechung des BGH (Beschl. vom 27.4.2022 – 5 StR 278/21, NZWiSt 2022, 410, 414 Tz. 40 m. zust. Anm. Reichling/Borgel, wistra 2022, 390, 391) noch kein Abzugsverbot.

An seiner abweichenden Auslegung für eine mit der hiesigen vergleichbaren Fallkonstellation im Beschluss vom 1.3.2022 (3 Ss-OWi 1439/21) hält der Senat nach erneuter Sachprüfung im Lichte der vorzitierten Rechtsprechung des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs nicht mehr fest. Einen Abzug von Aufwendungen auszuschließen, soweit diese „gänzlich unzulässig“ waren, hieße, den gesetzlich bestimmten Maßstab zu verändern (BGH, Beschl. vom 27.4.2022 – 5 StR 278/21, NZWiSt 2022, 410, 414 Tz. 40 a.E.).

bb) Soweit der 2. Senat des Oberlandesgerichts (OLG Frankfurt, Beschl. v. 1.7.2019 – 2 Ss-OWi 1077/18, NStZ-RR 2019, 323, 325) für eine andere Fallgestaltung (sog. „Überladungsfahrt“) ein solches Abzugsverbot unter normativ-wertenden Gesichtspunkten für Aufwendungen hat annehmen wollen, soweit diese „gänzlich unzulässig“ waren, muss nicht entschieden werden, ob der 3. Senat dem für eine solche Konstellation zu folgen vermöchte……“

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