Und dann starte ich in die 10. KW des Jahres 2023. Ich beginne die Woche mit zwei Entscheidungen des BVerfG.
Zunächst stelle ich den BVerfG, Beschl. v. 21.12.2022 2 BvR 378/20. Der zieht einen „Schlusstrich“ – na ja, ich schreibe wohl besser: beendet das jahrelange Tauziehen um ddie strafrechtliche Verfolgung im „Fall Oury Jalloh“. Der ist 2005 in einer polizeilichen Gewahrsamszelle in Dessau-Roßlau verbrant. In der Folgezeit wurde 2012 ein Dienstgruppenleiter wegen fahrlässiger Tötung verurteilt.
Im April 2017 hat die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau gegen zwei weitere Polizeibeamte ein Ermittlungsverfahren wegen Mordes eingeleitet. Die mit den weiteren Ermittlungen beauftragte Staatsanwaltschaft Halle lehnte es ab in dem Verfahren ab, weitere Ermittlungen gegen Polizeibeamte oder andere Personen einzuleiten bzw. weitere Ermittlungen zur Todesursache anzustrengen. Daraufhin wurde die GStA Naumburg vom Justizministerium des Landes Sachsen-Anhalt angewiesen, eine eigenständige und ggf. durch weitere Ermittlungen gestützte Bewertung der Geschehnisse zu treffen. Deren Ergebnisse fasste die GSt in einem 218 Seiten umfassenden Prüfvermerk vom 17.10.2018 zusammen.
Gegen diesen den Bescheid der StA Halle erhobene Beschwerde des Brudes es getöteten wies die GStA Naumburg unter Bezugnahme auf diesen Prüfvermerk zurück. Den dagegen gestellten Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172 StPO) hat das OLG Naumburg als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde vom 24.11.2019 (!!), mit der der geltend gemacht wird, das Recht auf effektive Strafverfolgung, willkürfreie Entscheidung, effektiven Rechtsschutz und rechtliches Gehör sei verletzt.
Das BVerfG hat dann die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Ihc zitiere dazu aus der PM des BVerfG und verweise wegen der Einzelheiten, mit denen sich das BVerfG auseinander setzt auf den verlinkten Volltext:
„Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an, weil die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) nicht erfüllt sind.
Der Beschwerdeführer ist in seinem grundrechtlichen Anspruch auf effektive Strafverfolgung aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 1 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nicht verletzt. Zwar steht ihm als Bruder des Verstorbenen ein Anspruch auf effektive Strafverfolgung zu. Diesem trägt der Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg vom 22. Oktober 2019 jedoch hinreichend Rechnung.
Das Oberlandesgericht hat die Anforderungen an das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts nicht überspannt. Es hat insbesondere nicht darauf abgestellt, dass eine Brandlegung durch den Verstorbenen nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden könne, sondern dargelegt, dass es – auch wenn nach wie vor vieles für eine Selbstentzündung spreche – für eine Brandlegung von anderer Seite jedenfalls an einem hinreichenden Tatverdacht gegen einen konkreten Beschuldigten fehle.
Das Oberlandesgericht hat dabei auch die Bedeutung des Grundrechts auf Leben und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die effektive Untersuchung von Todesfällen nicht verkannt.
Die Strafermittlungsbehörden haben umfassend ermittelt. Insbesondere hat die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg in ihrem Prüfvermerk vom 17. Oktober 2018 sämtliche bisher geführten Ermittlungen eingehend auf etwaige Widersprüche oder Lücken untersucht und geprüft, ob sich über den bisherigen Ermittlungsstand hinaus weitere erfolgversprechende Ermittlungsansätze ergeben könnten. Sie hat sich mit den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Gegenargumenten im Einzelnen auseinandergesetzt und nachvollziehbar dargelegt, warum weitere Ermittlungen nicht aussichtsreich sind. Auch das Oberlandesgericht Naumburg hat sich mit den Ermittlungsergebnissen sowie den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwendungen detailliert auseinandergesetzt und ist dabei zu dem Ergebnis gelangt, dass ein hinreichender Tatverdacht gegen eine dritte Person nicht begründet werden könne. Eine hiervon abweichende Beurteilung ist auf der Grundlage des Vortrags des Beschwerdeführers nicht veranlasst.
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Naumburg vom 22. Oktober 2019 verletzt auch nicht das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG. Das Oberlandesgericht hat sich in der angegriffenen Entscheidung mit der Beweislage hinsichtlich einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit der Beschuldigten eingehend und in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise auseinandergesetzt; seine Auffassung, wonach die Generalstaatsanwaltschaft einen hinreichenden Tatverdacht zu Recht verneint habe, beruht auf einem sachlichen Grund.
III. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Rechts auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 GG darin erblickt, dass das Oberlandesgericht die Darlegungsanforderungen im Verfahren nach § 172 Abs. 3 StPO überspannt habe, muss der Verfassungsbeschwerde der Erfolg ebenfalls versagt bleiben. Die Annahme des Oberlandesgerichts Naumburg, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nicht den Anforderungen des § 172 Abs. 3 Satz 1 StPO entspricht, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Der Beschwerdeführer hatte sich dazu entschieden, umfangreich auf Inhalte der Ermittlungsakten zurückzugreifen. Um die vom Gesetzgeber vorgesehene und verfassungsrechtlich unbedenkliche Schlüssigkeitsprüfung allein auf der Grundlage des gestellten Antrags nicht zu unterlaufen, war er daher gehalten, zumindest den wesentlichen Inhalt der Beweismittel mitzuteilen, um eine nur selektive und dadurch gegebenenfalls sinnentstellende Darstellung der Ermittlungsergebnisse zu verhindern.
Mit Blick auf die Ausführungen des Beschwerdeführers zur Annahme eines hinreichenden Tatverdachts weist das Oberlandesgericht zutreffend darauf hin, dass eine Darstellung, welche Polizeibeamten den Brand gelegt haben sollen und aufgrund welcher Beweismittel ein diesbezüglicher Nachweis möglich sein soll, fehlt.
2. Das Oberlandesgericht hat schließlich auch nicht gegen das Recht auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verstoßen. Es ist nicht erkennbar, dass das Oberlandesgericht Vortrag des Beschwerdeführers unberücksichtigt gelassen hätte. Die Ausführungen des Beschwerdeführers beschränken sich im Ergebnis vielmehr auf die Darlegung, das Oberlandesgericht habe seinem Vortrag materiell-rechtlich nicht die richtige Bedeutung beigemessen. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht jedoch nicht, der Rechtsansicht des Beschwerdeführers zu folgen.“
Nun ja, nichts Neues. das hat hat man alles schon mal gelesen. Warum man dafür drei Jahre braucht, erschließt sich mir nicht.
Vielleicht hat es so lange gedauert, weil das BVerfG in der Zeit seit 2020 mit Eilanträgen wegen COVID-Maßnahmen geflutet wurde….