StPO I: DNA-Mischspur mit Hauptkomponenten, oder: Anforderungen an die Urteilsgründe

Und dann gleich noch ein StPO-Tag.

Heute dann als Opener der BGH, Beschl. v. 08.11.2022 – 2 StR 193/22, der sich zum Umfang der Urteilsgründe äußert, u.a. wenn der Verurteilung ein DNA-Gutachten zugrunde liegt.

Das LG hat den Angeklagten wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Kokain und Haschisch) in nicht geringer Menge“ verurteilt. Die dagegen gerichtete Revision des Angeklagten hatte mit der Sachrüge Erfolg:

„1. Nach den Feststellungen verschaffte sich ein Spezialeinsatzkommando der Polizei in den frühen Morgenstunden des 22. Dezember 2020 Zugang zu einer Wohnung in F. , um den gesondert Verfolgten G. aufzufinden. Dabei traf man auf den Angeklagten und vier weitere schlafende Personen, die früheren Mitangeklagten L., Be. , A. und K. Bei der Durchsuchung der Wohnung stellten die Beamten rund 1,8 kg Kokainzubereitung und rund 21 kg Cannabisharz sicher, die sich in drei Daunenjacken und zwei Taschen befanden. Die Strafkammer hat angenommen, dass der Angeklagte die zum gewinnbringenden Weiterverkauf bestimmten Betäubungsmittel an verschiedenen Stellen der Wohnung lagerte und die alleinige Sachherrschaft ausübte.

2. Das Urteil ist aufzuheben, weil sich die Beweiswürdigung zur Täterschaft des Angeklagten als durchgreifend rechtsfehlerhaft erweist.

a) Soweit die Strafkammer die Annahme der alleinigen Täterschaft des Angeklagten auf mehrere „DNA-Mischspuren, bei denen als Verursacher des Hauptspurenanteils der Angeklagte identifiziert wurde“, stützt, wird dies den von der Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen an die Darstellung der Ergebnisse einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung nicht gerecht (vgl. im Einzelnen Senat, Beschluss vom 12. August 2021 – 2 StR 325/20 Rn. 7 mwN). Danach muss bei einer Mischspur, in der eine Hauptkomponente erkennbar ist, das Ergebnis der biostatistischen Wahrscheinlichkeitsberechnung in numerischer Form mitgeteilt werden, wenn die Peakhöhen von Hauptkomponente zu Nebenkomponente durchgängig bei allen heterozygoten DNA-Systemen im Verhältnis 4 : 1 stehen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Juli 2020 – 6 StR 183/20 Rn. 2 und 6 StR 211/20 Rn. 4 und 3. November 2020 – 4 StR 408/20 Rn. 4).

b) Darüber hinaus erweist sich die Beweiswürdigung insoweit als lückenhaft, als das Landgericht nicht näher darlegt, aus welchen Gründen ausgeschlossen ist, dass der gesondert Verfolgte G.   , der „ausweislich des verlesenen, seine Person betreffenden Bundeszentralregisterauszugs mehrfach, unter anderem wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorbestraft ist“ und zum Durchsuchungszeitpunkt Wohnungsinhaber war, (Mit-)Gewahrsam an den aufgefundenen Betäubungsmittel hatte.

c) Hinsichtlich eines möglichen (Mit-)Gewahrsams der vier anderen in der Wohnung angetroffenen Personen hat die Strafkammer nicht erkennbar berücksichtigt, dass die zwei geöffneten Taschen, in denen sich rund 21 kg Cannabisharz befanden, „für jedermann sichtbar und zugänglich“ neben den von diesen Personen genutzten Matratzen auf dem Boden der Wohnung lagen und „erhebliche Mengen Bargeld an mehreren Stellen in der Wohnung“ gefunden wurden. Mit der sich angesichts dieser Umstände aufdrängenden Frage, zu welchem Zweck sich die vier ehemals Mitangeklagten mit dem Angeklagten in der Wohnung aufgehalten haben, verhält sich die Beweiswürdigung ebenfalls nicht…..“

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