In den letzten Tagen/Wochen sind von den OLG einige Entscheidungen zum Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB) oder zu 3 86a StGB – Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisation – vor veröffentlicht worden. Dabei handelt es sich meist um das Verwenden von bestimmten (verbotenen) Kennzeichen, wie z.B das Hakenkreuz, aber auch um andere Bilder. Zu der Problematik stelle ich hier heute drei Entscheidungen vor, daher StGB-Entscheidungen.
Ich beginne die Berichterstattung mit dem BayObLG, Beschl. v. 07.10.2022 – 202 StRR 90/22 – zur Strafbarkeit nach § 86a StGB wegen Einstellens einer ein Hakenkreuz enthaltenden Karikatur in soziales Netzwerk.
Das AG hatte den Angeklagten wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m. § 86 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 StGB verurteilt. Dagegen die Berufung des Angeklagten, die zum Freispruch aus rechtlichen Gründen geführt hat. Dagegen dann die auf die Sachrüge gestützte Revision der Staatsanwaltschaft, die Erfolg hatte.
Das BayObLG ist von folgendem vom LG getroffenen Feststellungen und Wertungen ausgegangen:
„Der als Kind türkischer Eltern in Deutschland geborene Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger. Er gehört der muslimischen Gemeinschaft seiner Heimatstadt an und ist seit Mai 2020 (parteiloses) Mitglied des Stadtrats; der Angeklagte hat mit Erfolg die erste Juristische Staatsprüfung abgelegt.
Am 17.05.2021 erstellte der Angeklagte unter seinem Instagram-Account eine sog. ‚Highlight-Story‘ mit dem Titel „#FreePalastine“, zu der jeder auf dem sozialen Netzwerk ‚Instagram‘ registrierte Nutzer Zugang und damit Einsicht hatte. Im Rahmen der Story veröffentlichte der Angeklagte im Zeitraum vom 17. bis zum 20.05.2021 verschiedene eigene Schrift- und Videobeiträge zum Nahostkonflikt, ferner Pressebeiträge und -artikel sowie Bilder und Darstellungen dritter Personen.
Am 19.05.2021 stellte der Angeklagte eine nicht von ihm geschaffene Karikatur mit dem Titel „The irony of becoming what you once hated“ in seine vorgenannte ‚Highlight-Story‘ ein.
Die Karikatur zeigt einen Soldaten, der einen Helm mit der Flagge Israels trägt und eine vor ihm am Boden liegende, ein Kopftuch tragende Frau mit einem Gewehr bedroht. Der Soldat blickt dabei zugleich in einen Spiegel, in dem ein Soldat mit Hakenkreuzarmbinde dargestellt ist, der lächelnd einen am Boden liegenden Mann mit einem Gewehr bedroht. Im unteren Übergang von der Zeichnung zum Rand der Karikatur hin wird mit einem roten Symbolpfeil mit der Aufschrift „vote“ auf folgende Frage hingeleitet: „Trifft die Karikatur die Geschichte auf den Punkt?“ Die als (Strich) Zeichnung im Übrigen in schwarz-weiß gefertigte Karikatur weist für die israelische Flagge eine blaue Kolorierung und für die Hakenkreuzbinde eine das Hakenkreuz auf weißem kreisförmigem Grund rot einfassende Farbe auf.
2. Das Landgericht sieht den Straftatbestand der §§ 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i.V.m. 86 Abs. 1 Nrn. 2 und 4 StGB aus rechtlichen Gründen im Ergebnis deshalb nicht als erfüllt an, weil es sich bei dem vom Angeklagten im Rahmen der Karikatur verwendeten Hakenkreuz zwar um eine für alle Instagram-Nutzer sichtbares Kennzeichen der verbotenen NSDAP handele, zugunsten des Angeklagten jedoch von einer in der höchstrichterlichen Rechtsprechung wegen der weiten Fassung des Tatbestandes und wegen des Schutzzwecks der Norm anerkannten Tatbestandsrestriktion auszugehen sei, die zur Straffreiheit des Angeklagten führten.§
Das BayObLG hat das anderes gesehen und den Freispruch aufgehoben und das Verfahren an das LG zurückverwiesen.
Ich stelle hier nicht den gesamten Beschluss bzw. Teil davon ein, sondern verweise – wegen der Länge – auf den verlinkten Volltext.
Hier stelle ich nur die (amtlichen) Leitsätze ein, die lauten:
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- Das Einstellen einer Karikatur, in der ein Hakenkreuz abgebildet ist, in einen Instagram-Account erfüllt grundsätzlich den Straftatbestand des § 86a Abs. 1 StGB.
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- Eine aufgrund des Schutzzwecks des § 86a Abs. 1 StGB erforderliche Restriktion des Tatbestands ist nur dann gerechtfertigt, wenn sich auf Anhieb aus der Abbildung in eindeutiger und offenkundiger Weise die Gegnerschaft des Angeklagten zur NS-Ideologie ergibt.