BtM I: Der Angeklagte als Kurierfahrer des „Kokstaxi“, oder: Täterschaft oder Teilnahme?

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Heute stelle ich drei Entscheidungen vor, die mit Betäbungsmitteln zu tun haben. Nichts Weltbewegendes, aber immerhin.

Den Opener mache ich mit dem BGH, Beschl. v. 11.04.2022 – 4 StR 461/21.Das LG hat den Angeklagten u.a. „wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Dagegen die Revision des Angeklagten, die teilweise Erfolg hatte.

Das LG hatte folgende Feststellungen getroffen:

„Nach den Feststellungen betrieb der Angeklagte in der Nacht zum 27. September 2020 einen Lieferservice für Betäubungsmittel als sogenanntes „Kokstaxi“. Für die Ausübung dieser Tätigkeit erhielt er ein Mobiltelefon, auf dem sich ein Messengerdienst mit einer voreingestellten Chatgruppe befand, über die Betäubungsmittel bestellt werden konnten. Im Handschuhfach des von ihm geführten Mietfahrzeugs befanden sich mindestens 15 Eppendorfgefäße mit einem Kokaingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von insgesamt ca. 6,7 Gramm Kokain-Hydrochlorid und vier Tüten mit ca. 16 Gramm Blütenständen von Cannabispflanzen, die zum gewinnbringenden Weiterverkauf an Kunden bestimmt waren. Das Landgericht konnte nicht feststellen, ob der Angeklagte sich selbst als Verkäufer betätigte und das Rauschgift sowie das Handy selbst in das Fahrzeug verbracht hatte oder ob er das Fahrzeug wissentlich bereits mit den Betäubungsmitteln und dem Mobiltelefon übernommen hatte. Jedenfalls wickelte er die einzelnen Bestellungen selbständig ab.

Da der Angeklagte in der Tatnacht erkennbar zu schnell fuhr, fiel er einer Polizeistreife auf. Der Angeklagte floh vor den Polizeibeamten, die ihn nicht einzuholen vermochten. Nachdem er bereits eine Kreuzung mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit bei Rotlicht und unter Nutzung des Radweges überquert hatte, fuhr der Angeklagte mit mindestens 90 km/h über die Rotlicht zeigende Ampel in den Bereich der nächsten Kreuzung ein, um dort nach links abzubiegen. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit war das Fahrzeug dabei nicht mehr kontrollierbar, brach aus und prallte letztlich gegen eine Hauswand. An dem Gebäude entstand ein erheblicher Sachschaden. Der Angeklagte entfernte sich noch vor Eintreffen der Polizei zu Fuß vom Unfallort. Er war sich der mit seiner Fahrweise beim zu schnellen Einfahren in die Kreuzung verbundenen Risiken bewusst und nahm das angesichts der hohen Geschwindigkeit als naheliegend erkannte Unfallereignis zumindest billigend in Kauf. Zur Tatzeit war er – was er hätte wissen müssen – alkoholbedingt nicht in der Lage, ein Fahrzeug zu führen, und – wie ihm bewusst war – nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis.“

Der BGH hat die Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens aufgehoben und den Angeklagten nur wegen Beihilfe verurteilt:

„a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln kommt es für die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Beihilfe darauf an, welche Bedeutung der konkreten Beteiligungshandlung im Rahmen des Gesamtgeschäfts zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. August 2014 – 4 StR 174/14 , NStZ 2015, 225, 226; Urteil vom 7. Februar 2008 – 5 StR 242/07 , NJW 2008, 1460; Urteil vom 28. Februar 2007 – 2 StR 516/06 , BGHSt 51, 219 ). Erschöpft sich der Tatbeitrag im bloßen Transport von Betäubungsmitteln, liegt selbst dann keine Täterschaft vor, wenn dem Auslieferer Handlungsspielräume hinsichtlich der Art und Weise des Transports verbleiben. Eine andere Bewertung kommt nur in Betracht, wenn der Beteiligte erhebliche, über den reinen Transport hinausgehende Tätigkeiten entfaltet, am An- und Verkauf des Rauschgifts unmittelbar beteiligt ist oder sonst ein eigenes Interesse am weiteren Schicksal des Gesamtgeschäfts hat, weil er eine Beteiligung am Umsatz oder zu erzielenden Gewinn erhalten soll (vgl. BGH, Beschluss vom 12. August 2014 – 4 StR 174/14 , NStZ 2015, 225, 226).

Daran gemessen tragen die Feststellungen eine Verurteilung des Angeklagten als Täter des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nicht. Dem Urteil lässt sich nicht entnehmen, ob der Angeklagte ein eigenes Interesse an den abzuwickelnden Drogengeschäften hatte; weder eine finanzielle Beteiligung an den Geschäften noch eine sonstige Entlohnung oder ein anderweitiges eigennütziges Motiv ist festgestellt. Unklar bleibt zudem, ob der Angeklagte unmittelbar am Verkauf der Betäubungsmittel beteiligt war oder lediglich die über die Chatgruppe getätigten Bestellungen ausfahren und den zuvor schon unabhängig von seiner Mitwirkung festgesetzten Kaufpreis entgegennehmen sollte. Erfüllt sind jedoch die Tatbestände des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und – tateinheitlich – der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge.“

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