Strafzumessung I: Sexueller Missbrauch von Kindern, oder: Berücksichtigung der psychischen Belastungen?

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Und heute dann Strafzumessungsentscheidungen.

Zunächst hier der BGH, Beschl. v. 18.05.2022 – 6 StR 169/22. Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt. Dagegen die Revision, die hinsichtlich des Strafausspruchs Erfolg hatte:

„a) Das Landgericht hat bei der Bemessung der Strafen in den drei Fällen des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176a Abs. 2 Nr. 1 StGB aF) zum Nachteil des Angeklagten berücksichtigt, „dass sexuelle Missbrauchshandlungen erfahrungsgemäß und in der Regel mit psychischen Beeinträchtigungen bei den Opfern einhergehen“, und dazu weiter ausgeführt: „Dass sich derzeit bei der Geschädigten solche psychische Tatauswirkungen nur in sehr abgeschwächter Form, wie dem bislang gezeigten Verdrängen der gesamten Situation, zeigen, schließt nach der langjährigen Erfahrung der Kammer nicht aus, dass sich insoweit noch später Beeinträchtigungen zeigen werden, die auf die Taten des Angeklagten zurückzuführen sein werden.“ Bei der Bemessung der Strafen in den fünf Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern (§ 176 Abs. 1 StGB aF) hat es „die damit regelmäßig einhergehenden psychischen Belastungen auf Seiten des Geschädigten“ zu Lasten des Angeklagten gewertet und dazu weiter ausgeführt: „Obwohl der Geschädigte bislang noch versucht, diese Auswirkungen der Taten zu verdrängen, und sich gegen eine psychologische Betreuung sperrt, geht die Kammer auf Grund ihrer langjährigen Erfahrung mit Missbrauchsdelikten davon aus, dass auch bei dem Geschädigten über kurz oder lang therapeutische Hilfe nötig sein wird, um das Tatgeschehen aufarbeiten zu können.“

Diese Ausführungen stoßen auf durchgreifende rechtliche Bedenken. Sie lassen besorgen, dass das Landgericht dem Angeklagten unter Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB den Strafzweck der §§ 176, 176a aF StGB strafschärfend angelastet hat, der in dem Schutz der ungestörten sexuellen Entwicklung des Kindes liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 20. August 2003 – 2 StR 285/03, NStZ-RR 2004, 41, 42 mwN). Im Übrigen dürfen bei Delikten des (schweren) sexuellen Missbrauchs von Kindern zwar solche Tatfolgen beim Opfer als verschuldete Auswirkungen der Tat im Sinne von § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB strafschärfend gewertet werden, die über die tatbestandlich vorausgesetzte abstrakte Gefährdung des Kindeswohls hinausgehen. Dies setzt aber voraus, dass die Folgewirkungen der Tat konkret festgestellt sind. Das ist hier nicht der Fall. Eine zum Nachteil des Angeklagten auf bloße Vermutungen gestützte Strafzumessung ist indes unzulässig (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 2018 – 4 StR 192/18Rn. 4 mwN).“

Im Grunde ein Klassiker 🙂 :

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