Und in die 49. Woche geht es dann wieder mit zwei Entscheidungen zu „Coronafragen“. Ich würde lieber etwas zum Nikolaustag bringen, aber: Es lässt sich nicht ändern. Corona steht im Vordergrund.
Ich beginne mit dem OLG Celle, Beschl. v. 24.11.2021 – 2 Ss (OWi) 261/21. In der Entscheidung geht es um die Frage der Bestimmtheit von Bußgeldtatbeständen in der Niedersächsischen Corona-VO.
Das AG hatte gegen die Betroffene wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen §§ 6 Abs. 1, 19 Abs. 1 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30.10.2020 eine Geldbuße von 200 € festgesetzt. Nach den Feststellungen des AH hat sich die Betroffene am 12.11.2020 in der Zeit von 20.10 Uhr bis 20.27 Uhr in ihrer Wohnung in der pp. in pp. mit neun weiteren Personen aufgehalten. Sämtliche in der Wohnung im genannten Zeitraum aufenthältigen Personen stammten aus unterschiedlichen Haushalten und waren nicht miteinander verwandt.
Zum Tatzeitpunkt galt die Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30.10.2020, geändert durch § 4 der Verordnung vom 06.11.2020 (Nds. GVBl. S. 380).
§ 6 Abs. 1 Niedersächsische Corona-Verordnung lautete zum Tatzeitpunkt wie folgt:
„Regelungen für private Zusammenkünfte und Feiern
(1) Private Zusammenkünfte und Feiern, die
- in der eigenen Wohnung oder anderen eigenen geschlossen Räumlichkeiten,
- auf eigenen oder privat zur Verfügung gestellten Flächen unter freiem Himmel wie zumBeispiel in zur eigenen Wohnung gehörenden Gärten oder Höfen oder
- in der Öffentlichkeit, auch in außerhalb der eigenen Wohnung zur Verfügung gestellten Räumlichkeiten, stattfinden, sind nur mit Angehörigen im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 1 StGB, mit Personen aus nicht mehr als zwei Hausständen sowie mit Kindern bis zu einem Alter von zwölf Jahren, insgesamt aber mit nicht mehr als zehn Personen zulässig.
(2) Private Zusammenkünfte und Feiern, die die in Absatz 1 genannten Anforderungen nicht erfüllen, sind verboten.“
Der Bußgeldtatbestand der zum Tatzeitpunkt geltenden Niedersächsischen Corona-Verordnung lautete wie folgt:
„§ 19 Ordnungswidrigkeiten
(1) Verstöße gegen die §§ 2 bis 10 und 14 bis 16 stellen Ordnungswidrigkeiten nach § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG dar und werden mit Geldbuße bis zu 25 000 Euro geahndet.“
Gegen dieses Urteil wendet sich die Betroffene mit der mit einem Zulassungsantrag verbundenen Rechtsbeschwerde. Sie rügt die Verletzung sachlichen Rechts und beanstandet insbesondere, dass § 19 der zur Tatzeit gültigen Niedersächsischen Corona-Verordnung dem Bestimmtheitsgebot nicht genüge.“
Das OLG hat die Rechtsbeschwerde, mit der u.a. die Unbestimmtheit der vom AG zugrunde gelegten Normen geltend gemacht worden sind – nach Zulassung und Übertragung auf den Senat – verworfen. Hier die Leitsätze der Entscheidung:
- Die Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot dürfen bei Bußgeldtatbeständen wegen der weniger einschneidenden Unrechtsfolgen als im Strafrecht nicht überspannt werden.
- Der erforderliche Grad an gesetzlicher Bestimmtheit ist bei einem Bußgeldtatbestand, der in einer Verordnung zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 normiert ist, die im Oktober 2020 und damit zu Beginn der sog. „2. Covid19-Welle“ erlassen wurde, auch deshalb reduziert, weil die Vorschrift zur Bekämpfung einer Pandemie mit erheblichem Gefahrenpotential für die Volksgesundheit eingeführt wurde.
- § 19 der Niedersächsischen Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30. Oktober 2020 genügt unter Berücksichtigung dieser reduzierten Anforderungen dem Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG.
Im Übrigen: Selbstleseverfahren 🙂