In der zweiten Entscheidung geht es auch um die Grudngebühr, aber: Etwas exotischer, nämlich nach Teil 6 VV RVG. Dort ist in Nr. 6200 VV RVG auch eine Grundgebühr vorgesehen für das Disziplinarverfahren. Das VG Berlin hat sich nun im VG Berlin, Beschl. v. 29.06.2021 – 80 KE 1/21 OL – zum (mehrfachen) Anfall der Grudngebühr geäußert, und zwar auf der Grundlage folgenden Sachverhalts:
Beim VG war ein disziplinargerichtlichen Suspendierungsverfahren VG 8pp. anhängig. In dem hatte der von dem betroffenen Beamten beauftragte Rechtsanwalt einen Antrag auf Aussetzung der vorläufigen Dienstenthebung gestellt und der Einbehaltung von Bezügen gemäß § 63 BDG (i.V.m. § 41 DiszG) gestellt. Nachdem der Dienstherr des Beamten (Erinnerungsführer) die angefochtene Verfügung aufgehoben hat, erklärten die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Erinnerungsführer auferlegt.
Auf Antrag des Beamten setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die zu erstattenden Kosten für das Verfahren VG 8pp. auf 869,42 EUR fest, wobei auch die vom Rechtsanwalt angesetzte Grundgebühr in Disziplinarverfahren nach Nr. 6200 VV RVG in Höhe von 350,- EUR nebst 16% Mehrwertsteuer berücksichtigt wurde. Gegen die Berücksichtigung der Grundgebühr ist Erinnerung eingelegt worden. Die Erinnerung hatte Erfolg:
„Die fristgemäß eingelegte Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Kostenansatz, §§ 165, 151 VwGO) gegen die Berücksichtigung der Grundgebühr, über die im Rahmen seiner Annexzuständigkeit der Berichterstatter entscheidet, ist begründet.
Das dem Kostenfestsetzungsantrag zu Grunde liegende disziplinargerichtliche Antragsverfahren gemäß § 63 BDG – VG 8… -, um das es hier ausschließlich geht, ist wie das Verfahren gemäß § 62 BDG (Antrag auf Fristsetzung) ein im Rahmen des Disziplinarverfahrens „besonderes“ gerichtliches Verfahren (vgl. die amtliche Überschrift zu Kapitel 2, Abschnitt 2 des BDG – i.V.m. § 41 DiszG -). Es ist daher kostenmäßig richtig, dass hierfür eine gesonderte Verfahrensgebühr gemäß Nr. 6203 VV RVG für das gerichtliche Verfahren anfällt (vgl. zur Parallelkonstellation bei § 62 BDG: OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Januar 2021 – OVG 6 K 68/20, juris Rn. 10 m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 11. November 2009 – 2 AV 4/09 – juris Rn. 3). Die Grundgebühr gemäß Nr. 6200 VV RVG bezieht sich dagegen auf das Disziplinarverfahren als Ganzes; gemäß der Vorbemerkung 6.2 (1) VV RVG soll durch die jeweiligen Gebühren die gesamte Tätigkeit im Verfahren abgegolten werden. Eine Abrechnung der nur einmalig entstehenden Grundgebühr im gesonderten Antragsverfahren gemäß § 63 BDG kommt deshalb nicht in Betracht. Ihre Verteilung hat vielmehr der abschließenden Kostenentscheidung im Disziplinarverfahren selbst zu folgen (entweder im Rahmen der behördlichen Abschlussentscheidung oder durch das Gericht bei Erhebung einer Disziplinarklage oder Anfechtungsklage gegen die behördliche Abschlussverfügung). Ähnliches gilt im Übrigen für die Verfahrensgebühr im behördlichen Verfahren nach Nr. 6202 VV RVG. Auch mit dieser Gebühr wird die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts im behördlichen Disziplinarverfahren abgegolten. Die Regelungen sollten an die entsprechende Gebührenstruktur in Strafsachen angepasst werden (BTDrs. 15/1971 Bl. 231). Gemäß Nr. 6202 Anmerkung (1) VV RVG kann lediglich für ein – in Berlin nicht vorgesehenes – Widerspruchsverfahren eine zusätzliche gesonderte Verfahrensgebühr erhoben werden; für die Wahrnehmung von Terminen im behördlichen Disziplinarverfahren ist eine gesonderte Terminsgebühr vorgesehen (Nr. 6201 VV RVG). Für Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Zusammenhang mit einer vorläufigen Dienstenthebung oder teilweisen Einbehaltung von Dienstbezügen (§ 38 BDG bzw. § 38 DiszG) ist eine solche zusätzliche – behördliche – Verfahrensgebühr nach Nr. 6202 VV RVG dagegen nicht vorgesehen. Die Stellung bzw. Vorbereitung eines Antrags nach §§ 62, 63 BDG gehört daher noch zum Abgeltungsbereich der einheitlichen Verfahrensgebühr Nr. 6202 VV (Volpert in: Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Nr. 6202 VV Rn. 20 und Nr. 6203 VV Rn. 8). Aus dieser Systematik folgt, dass der Rechtsanwalt auch die Grundgebühr nach Nr. 6200 VV RVG nur einmalig für das gesamte Disziplinarverfahren verlangen kann; sie kann dagegen nicht – auch nicht gesondert oder zusätzlich – im Rahmen des besonderen gerichtlichen Antragsverfahrens nach § 63 BDG geltend gemacht werden.“