Heute stelle ich zwei verwaltungsrechtliche Entscheidungen vor.
Die erste stammt vom OVG Sachsen. Das hat im OVG Sachsen, Beschl. v. 12.07.2021 – 6 D 18/21 – über die Beschwerde gegen einen Beschluss des VG Leipzig, in dem dieses einen Antrag auf Gewährung von PKH zurückgewiesen hatte, entschieden. Der Kläger hat PKH für eine Klage gegen einen Leistungsbescheid beantragt. Der war wegen der Kosten eines Abschleppvorgangs gegen ihn ergangen. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg:
„Nach diesem Maßstab hatte die Rechtsverfolgung des Klägers keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Leistungsbescheid der Antragsgegnerin vom 6. Juli 2020 über die Kosten eines Abschleppvorgangs in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Landesdirektion Sachsen vom 3. Dezember 2020 rechtmäßig und insbesondere die zugrundeliegende Ersatzvornahme nicht aus den vom Kläger mit der Beschwerde noch geltend gemachten Gründen unverhältnismäßig ist.
Der Antragsteller hat im Beschwerdeverfahren nicht mehr bestritten, dass er auf dem mit Zeichen 237 gekennzeichneten und durch Zeichen 295 von der Fahrbahn abgetrennten Radfahrstreifen des T. wegs in L. geparkt und – wie aus der in der Verwaltungsakte befindlichen Fotodokumentation ersichtlich – den vor der Ecke R.platz beginnenden Radweg mit der gesamten Länge seines Fahrzeugs über insgesamt 3,5 m vollständig blockiert hatte. Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung zutreffend zugrunde gelegt, dass das Abschleppen des verbotswidrig abgestellten Fahrzeugs zur Beseitigung der dadurch eingetretenen und fortdauernden Störung der öffentlichen Sicherheit geboten war und im Hinblick auf die mit dem Parkverstoß einhergehende nicht unwesentliche Behinderung der Radfahrer auch nicht außer Verhältnis zur Belastung des Antragstellers stand.
Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass ein Abschleppen verbotswidrig abgestellter Fahrzeuge im Falle der Behinderung von anderen Verkehrsteilnehmern regelmäßig verhältnismäßig erscheint. Letzteres kann – ohne Beschränkung auf diese Fallgruppen – etwa der Fall sein beim Verstellen des gesamten Bürgersteiges, einem Hineinragen des Fahrzeuges in die Fahrbahn oder bei Funktionsbeeinträchtigungen einer Fußgängerzone (BVerwG, Beschl. v. 18. Februar 2002 – 3 B 149.01 -, juris Rn. 4). Entsprechendes gilt bei einem nicht nur unwesentlichen Hineinragen des Fahrzeugs in einen Radweg oder auch beim Verstellen des gesamten Radwegs (vgl. OVG NRW, Beschl. v. 15. April 2011 – 5 A 954/10 -, juris Rn. 5). Für alle diese und weitere Abschleppfälle gilt, dass die Nachteile, die mit einer Abschleppmaßnahme für den Betroffenen verbunden sind, nicht außer Verhältnis zu dem bezweckten Erfolg stehen dürfen, was sich aufgrund einer Abwägung der wesentlichen Umstände des Einzelfalles beurteilt (BVerwG a. a. O.). Ausgehend davon hat das Verwaltungsgericht zu Recht angenommen, dass die Abschleppmaßnahme unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit hier nicht zu beanstanden ist. Das Fahrzeug des Klägers war in voller Länge auf dem Radweg geparkt und hinderte Radfahrer daran, den Radweg, zu dessen Nutzung sie nach § 2 Abs. 4 Satz 2 StVO verpflichtet sind, von dessen Beginn an zu befahren. Die Einrichtung eines Radfahrstreifens durch die Verkehrszeichen 237 und 295 darf nur dort erfolgen, „wo dies aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich ist“ (vgl. § 45 Abs. 9 Satz 1 StVO). Ein derart zwingendes Erfordernis ist bereits dann anzunehmen, wenn die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Straßenverkehrsverordnung für einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf nicht ausreichen (BR-Drs. 374/97 S. 8; vgl. BVerwG, Beschl. v. 1. September 2017 – 3 B 50.16 -, juris Rn. 6). Eine „besonders hohe Gefährdung“, wie sie der Antragsteller fordert und wie sie nach § 45 Abs. 9 Satz 3 StVO in Gestalt einer aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse bestehenden „Gefahrenlage …, die das allgemeine Risiko einer Beeinträchtigung der in den vorstehenden Absätzen genannten Rechtsgüter erheblich übersteigt,“ für die Anordnung von Beschränkungen und Verboten des fließenden Verkehrs verlangt wird, ist dafür nicht Voraussetzung. Das ergibt sich daraus, dass § 45 Abs. 9 Satz 4 Nr. 3 StVO die Anordnung von Sonderwegen außerhalb geschlossener Ortschaften (Zeichen 237, 240 und 241) und von Radfahrstreifen innerhalb geschlossener Ortschaften (Zeichen 237 i. V. m. Zeichen 295) von der Geltung des Satzes 3 ausdrücklich ausnimmt. Wie der Begründung der Ergänzung des § 45 Abs. 9 Satz 4 StVO um die in Nr. 3 aufgeführten Radverkehrsanlagen durch die Erste Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Ordnung vom 30. November 2016 (BGBl. I S. 2848) zu entnehmen ist, hat der Verordnungsgeber für diese „auch ohne Nachweis einer ungefähr 30-prozentigen höheren Gefahrenlage in der Regel per se die Notwendigkeit (gesehen), infolge der hohen Differenzgeschwindigkeiten Radfahrer vom übrigen weitaus schnelleren Kfz-Verkehr auf der Fahrbahn zur Wahrung eines sicheren flüssigen Verkehrsablaufs zu trennen“ (BR-Drs. 332/16 [Beschluss] S. 2).
Durch das Parken auf dem Beginn des Fahrradstreifens wurden Radfahrer hier zudem nicht bloß abstrakt, sondern ausweislich der vom Verwaltungsgericht in Bezug genommenen Fotodokumentation bereits konkret behindert. Die Behinderung ist entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht deshalb als minimal einzustufen, weil Radfahrer nicht erst vor dem Fahrzeug vom Radweg auf die Fahrbahn hätten „ausweichen“ müssen, sondern nur für den Bruchteil einer Sekunde später von der Fahrbahn auf den Radfahrstreifen hätten auffahren können. Der Antragsteller entnimmt einem von ihm zitierten Urteil des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts zu Unrecht, dass eine Behinderung nur dann gegeben sein könne, wenn Radfahrer gezwungen wären, das parkende Fahrzeug durch Verlassen des Radwegs zu umfahren. Derartige Ausweichmanöver zur Vermeidung von Kollisionen mögen gefährlicher sein. Eine nicht nur unwesentliche Behinderung stellt es aber bereits dar, dass Radfahrer auf den Radweg erst hinter dem darauf geparkten Fahrzeug auffahren können und somit länger als durch die Verkehrszeichen vorgesehen auf der Fahrbahn unnötigen Risiken und Erschwernissen ausgesetzt sind.“