Die 29. KW., beginne ich mit zwei Entscheidungen zum sog. Klageerzwingungsverfahren (§ 172 StPO). Dabei geht es allerdings nicht um die in der Praxis immer wieder behandelte Frage der inhaltlichen Zulässigkeit des Klageerzwingungsantrag, sondern um Fragen der Form des Antrags.
Ich stelle zunächst den OLG Brandenburg, Beschl. v. 12.05.2021 – 1 Ws 42/21 (S) – vor. Ergangen ist er in einem Verfahren, in dem der Antragsteller, ein Lehrer, der als Studiendirektor an einem Gymnasium in F. tätig war, dem Angezeigten, Bürgermeister der Stadt F. vorwirft, sich u.a. der Nötigung und der Amtsanmaßung schuldig gemacht zu haben. Der Angezeigte hätte ihm am 08. März 2019 ein Hausverbot ausgesprochen und ihn der Schule verwiesen, ohne dazu berechtigt gewesen zu sein. Diese öffentlichkeitswirksame Maßnahme habe ihn, dem Anzeigeerstatter in seiner Ehre verletzt und seinen Ruf geschädigt.
Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren (wieder) eröffnet, dieses jedoch nach durchgeführten Ermittlungen erneut eingestellt. Die Beschwerde des Anzeigeserstatters hat die GStA zurückgewiesen. Gegen den Bescheid richtet sich der persönlich gestellte Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung Zudem hat der Antragsteller auf Beiordnung eines Notanwalts angetragen, weil es ihm nicht gelungen sei, einen Rechtsanwalt zu finden, der zur Übernahme des Mandats bereit sei. Der Antrag hatte keinen Erfolg:
„1. Der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts als Notanwalt für das Klageerzwingungsverfahren ist unbegründet.
Im Klageerzwingungsverfahren ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts in entsprechender Anwendung des § 78 b ZPO (Notanwalt) möglich (vgl. Senat, Beschluss vom 27. April 2020 -1 Ws 51/20 – m.w.N.). Die allein auf die Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe verweisende Bestimmung des § 172 Abs. 3 S. 2 2. Hlbs. StPO enthält insoweit nämlich eine planwidrige Regelungslücke (vgl. Senat, a.a.O. m.w.N.)
Die sonach entsprechend anzuwendende Vorschrift des § 78 b Abs. 1 ZPO sieht die Beiordnung eines Notanwalts vor, wenn die Partei im Anwaltsprozess keinen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt findet und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Zur Erfüllung dieser Voraussetzungen im Klageerzwingungsverfahren ist es erforderlich, dass der Antragsteller darlegt und glaubhaft macht, alle zumutbaren Bemühungen unternommen zu haben, um die Übernahme des Mandats durch einen Rechtsanwalt zu erreichen. Hierzu hat er substantiiert dazulegen, dass er in Betracht kommende Rechtsanwälte vergeblich um die Mandatsübernahme gebeten hat. Er darf sich nicht damit begnügen, sich nur an einen oder an einige wenige Rechtsanwälte zu wenden. Der Antragsteller, der die Beiordnung eines Notanwalts beantragt, muss zuvor eine beträchtliche Anzahl von Rechtsanwälten vergeblich um die Mandatsübernahme gebeten haben; insbesondere muss er sich auch auf Landesebene und nicht nur im weiteren Umkreis seines Wohnortes um einen Rechtsanwalt bemüht haben (vgl. Senat, a.a.O. m.w.N. OLG Schleswig SchlHA [L/T] 1996, 94; OLG Stuttgart – 3. Strafsenat – NStE Nr. 44 zu § 172 StPO; OLG Koblenz NJW 1982, 61).
Wenn der schwerwiegende Vorwurf der Amtsanmaßung (§ 132 StGB) gegen einen Bürgermeister einer großen kreisangehörigen Stadt erhoben und begründet werden soll, so müssen jedenfalls mehr als sechs Rechtsanwälte oder Rechtsanwaltskanzleien angegangen werden (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 09. Februar 2001 – 1 Ws 2/01 –, das diese Anzahl für einen Richter, gegen den sich der Vorwurf der Rechtsbeugung richtete, als erforderlich erachtete). Der Antragsteller trägt nur die Absage dreier Rechtsanwaltskanzleien substantiiert vor, ohne diese indes glaubhaft zu machen. Das ist erheblich zu wenig, um die hier nach den Umständen (Schwere des Vorwurfs, Person der Beschuldigten) zumutbaren Bemühungen als erfüllt ansehen zu können.
Soweit er weiter vorträgt, er habe am 16. und 17. März 2021 weitere fünf Rechtsanwaltskanzleien telefonisch um Mandatsübernahme ersucht, was jedoch im Hinblick auf die kurze verbleibende Zeit bis zur Frist des § 172 Abs. 2 StPO nicht zum Erfolg geführt habe, bleibt offen, um welche Rechtsanwaltskanzleien es sich gehandelt hat. Dieser Vortrag ist mithin unbeachtlich. Zudem teilt der Antragsteller nicht mit, wann genau er nach dem Erhalt des Bescheids des Generalstaatsanwalts des Landes Brandenburg am 23. Februar 2021 überhaupt begonnen hat, sich um einen Rechtsanwalt zu bemühen.
Das Vorbringen des Antragstellers genügt für die Beiordnung eines Notanwalts mithin nicht.“