Das zweite Posting enthält dann zwei Entscheidungen zur „Rückwirkung“, und zwar einmal nachträgliche Bestellung eines Pflichtverteidigers und dann noch die rückwirkende Bewilligung von PKH.
Zunächst hier der LG Bielefeld, Beschl. v. 16.04.2021 – 2 Qs 138/21 – zur nachträglichen Bestellung. Das LG folgt der m.E. h.m. in der Rechtsprechung der LG, die die nachträgliche Bestellung als zulässig ansehen nicht. M.E. falsch, da damit der Umgehung der Neuregelung Tür und Tor geöffnet wird, aber muss man – leider – akzeptieren.
Und als zweite „Rückwirkungsentscheidung“ dann der BGH, Beschl. v. 18.03.2021 – 5 StR 222/20 – zur rückwirkenden Bewilligugng von Prozesskostenhilfe für den Nebenkläger im Adhäsionsverfahren. Die hat der BGH – in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung – abgelehnt:
2. a) Eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe kommt nicht in Betracht. Nach § 404 Abs. 5 Satz 1 StPO, § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen Prozesskostenhilfe für eine „beabsichtigte“ Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung. Grundsätzlich muss die Förderung eines noch nicht abgeschlossenen Rechtsstreits in Rede stehen. Aufgabe der Prozesskostenhilfe ist es demgegenüber nicht, finanziell bedürftige Personen für prozessbedingte Kosten oder dafür eingegangene Verpflichtungen nachträglich zu entschädigen. Nach Abschluss der kostenverursachenden Instanz kommt demgemäß die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht mehr in Betracht. Etwas anderes gilt ausnahmsweise für den Fall, dass vor rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens ein Bewilligungsantrag mit den erforderlichen Unterlagen gestellt, aber nicht bzw. nicht vorab beschieden worden ist und der Antragsteller mit seinem Antrag bereits alles für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe Erforderliche getan hat (BGH, Beschlüsse vom 13. Oktober 2010 – 5 StR 179/10; vom 25. Juli 2017 – 3 StR 132/17; vom 7. März 2018 – 5 StR 587/17; Zöller-Schultzky, 33. Aufl., § 127 Rn. 12, 18). Daran fehlt es hier, weil der Antrag des Nebenklägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erst am 9. November 2020, nach Erlass des – das Verfahren rechtskräftig beendenden – Senatsbeschlusses vom 1. September 2020, beim Bundesgerichtshof eingegangen ist.
b) Für eine Wiedereinsetzung nach § 44 StPO ist kein Raum. Der Wiedereinsetzungsantrag mit dem Ziel, das Verfahren in den Stand vor Erlass der Senatsentscheidung vom 1. September 2020 zurückzuversetzen, ist unzulässig, da keine Frist versäumt wurde. Die bis zum rechtskräftigen Verfahrensabschluss reichende Zeitspanne, innerhalb der ein Prozesskostenhilfeantrag gestellt werden kann, ist weder bestimmt noch im Voraus bestimmbar und somit keine Frist im Sinne des § 44 StPO (BGH, Beschluss vom 10. Juli 1996 – 2 StR 295/96 [für den vergleichbaren Fall des Anschlusses als Nebenkläger]).
Muss man? Grundrecht auf Rechtswahrnehmungsgleichheit aus Art. 3 I i.V. mit Art. 20 I, III GG und Grundrecht auf Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG – da soll es ja noch so unordentliche Rechtsmittel geben; vielleicht passiert ja demnächst etwas 😉
Man muss akzeptieren, dass es andere Entscheidungen gibt, die Entscheidung muss ich inhaltlich natürlich nicht akzeptieren.