StPO I: Sitzordnung in der Hauptverhandlung, oder: Anforderungen an die Verfahrensrüge

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Und zum Wochenausklang – ja, denn morgen kommen ja „nur“ noch RVG-Entscheidungen – dann noch ein wenig StPO.

Ich starte mit dem BGH, Beschl. v. 16.02.2021 – 4 StR 517/20. Thematik: Sitzordnung in der Hauptverhandlung und Verfahrensrüge. Das LG hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und sexuellen Missbrauchs von Kindern verurteilt. Dagegen die – erfolglose – Revision des Angeklagten. Mit einer der erhobenen Verfahrensrügen hatte der Angeklagte die Sitzordnung in der Hauptverhandlung beanstandet. Ohne Erfolg:

„1. Die vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

a) Soweit der Angeklagte beanstandet, die Strafkammer habe gegen Verfahrensrecht verstoßen, weil sie angeordnet habe, dass er für die Dauer der Vernehmung der Nebenklägerinnen in den Zuschauerraum zu verbringen sei, zeigt er keinen Rechtsverstoß zu seinem Nachteil auf.

aa) Eine Verletzung von § 247 Satz 1 i.V.m. § 338 Nr. 5 StPO liegt nicht vor, weil der Angeklagte nicht aus dem Sitzungszimmer entfernt wurde und an seiner Sitzposition auch weiterhin in Sicht- und Hörweite des Verfahrensgeschehens und damit nicht abwesend im Sinne von § 338 Nr. 5 StPO war (vgl. Franke in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 338 Rn. 83 mwN). Die Unterbrechung des ständigen Kontaktes zu seinem Verteidiger ändert daran nichts.

bb) Eine durch diese Maßnahme bewirkte unzulässige Beschränkung der Verteidigung im Sinne des § 338 Nr. 8 StPO ist bereits nicht hinreichend dargetan (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Zwar kann auch eine – wie hier – im Beschlusswege angeordnete Umgestaltung der Sitzordnung gemäß § 176 GVG zu einer unzulässigen Beschränkung der Verteidigung in einem für das Urteil wesentlichen Punkt führen. Dies setzt aber voraus, dass bei dieser nur auf grobe Ermessensfehler hin überprüfbaren Anordnung die Rechtsposition des Angeklagten oder seines Verteidigers grundlegend verkannt und ihre Mitwirkungsmöglichkeiten tatsächlich entscheidungserheblich eingeschränkt wurden (vgl. BGH, Beschluss vom 1. August 2018 – 5 StR 228/18, NStZ 2019, 297 Rn. 4 mwN; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., § 338 Rn. 59). Für die Vortragspflicht des Revisionsführers bedeutet dies, dass er auch die Tatsachen vorzubringen hat, aus denen sich ein konkreter Zusammenhang zwischen dem geltend gemachten Verfahrensfehler und einem für die Entscheidung bedeutsamen Punkt ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2004 – 5 StR 299/03, NJW 2005, 300, 303; Urteil vom 26. Mai 1981 – 1 StR 48/81, BGHSt 30, 131, 135 f. mwN; siehe auch Beschluss vom 11. Februar 2014 – 1 StR 355/13, NStZ 2014, 347 Rn. 18). Diesen Erfordernissen wird das Revisionsvorbringen nicht gerecht. Zwar wird geltend gemacht, dass es dem intellektuell eingeschränkten Angeklagten von der ihm zugewiesenen Sitzposition im Zuhörerraum aus nicht möglich gewesen sei, direkt mit seinem Verteidiger Kontakt aufzunehmen und Nachfragen vorzubringen. Auch habe er dieses Defizit aufgrund seiner mangelnden Erinnerungsfähigkeit nicht nach seiner Rückkehr auf die Anklagebank ausgleichen können. Aus diesem Vorbringen – seine Richtigkeit unterstellt – ergibt sich aber nur, dass die durch die Änderung der Sitzordnung bewirkte Beschränkung der Handlungsmöglichkeiten des Angeklagten generell geeignet war, seine Verteidigung zu beeinträchtigen. Dass tatsächlich bestimmte und möglicherweise entscheidungserhebliche Umstände infolge der von der Strafkammer bestimmten Sitzordnung nicht zur Sprache gekommen sind, zeigt die Revision nicht auf (vgl. BGH, Urteil vom 26. Mai 1981 – 1 StR 48/81, BGHSt 30, 131, 135 [zur selektiven Beiziehung von Spurenakten]). Dies wäre aber erforderlich gewesen, um wenigstens die Möglichkeit eines konkretkausalen Zusammenhangs zwischen den durch die Sitzordnung bewirkten Beschränkungen der Verteidigung und einem bedeutsamen Punkt im Urteil gemäß § 338 Nr. 8 StPO darzutun.“

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