Fahrtenbuch II: Das Fahrtenbuch ist keine Strafe, oder: Dein Zeugnisverweigerungsrecht interessiert uns nicht

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Die zweite Entscheidung zum Fahrtenbuch, der OVG Münster, Beschl. v. 12.10.2020 – 8 E 785/20 – hat noch einmal ein Klassiker „Zeugnisverweigerungsrecht“ zum Gegenstand. Der Kläger hatte PKH für seine Klage gegen eine Fahrtbuchauflage beantragt, das VG hatte den Antrag abgelehnt. Die Beschwerde hatte beim OVG keinen Erfolg:

„Gemessen daran hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht versagt. Das Rechtsschutzbegehren des Klägers hat erkennbar keine Erfolgsaussichten. Die angefochtene Ordnungsverfügung vom 2. Juli 2020, mit der dem Kläger die Führung eines Fahrtenbuches für die Dauer von sechs Monaten auferlegt und Kosten in Höhe von insgesamt 107,32 EUR festgesetzt wurden, verletzt diesen nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Rechtsgrundlage der Fahrtenbuchauflage ist § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO. Danach kann die nach Landesrecht zuständige Behörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene oder künftig zuzulassende Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuchs anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

a) Die Beklagte ist für den Erlass der hier angefochtenen Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs nach § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO i. V. m. § 68 Abs. 2 StVZO und § 12 der Verordnung über Zuständigkeiten im Bereich Straßenverkehr und Güterbeförderung NRW zuständig. Das Fahrzeug, auf das sich die Fahrtenbuchauflage bezieht, ist nicht am Wohnort des Klägers (H.), sondern nach Mitteilung der Beklagten in Anwendung von § 6 Abs. 1 und § 46 Abs. 2 FZV am Ort des Betriebssitzes des Klägers zugelassen (sog. Standortzulassung). Mithin ist die Beklagte als die für den Betriebssitz des Klägers zuständige Kreisordnungsbehörde auch für die Fahrtenbuchanordnung zuständig. Der in § 68 Abs. 2 StVZO verwendete Begriff des Handelsunternehmens ist nach Sinn und Zweck der Vorschrift weit auszulegen.

Vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl. 2019, § 68 StVZO Rn. 11; Bay. VGH, Beschluss vom 18. März 2008 – 11 CS 08.268 -, juris Rn. 5 unter Hinweis auf den Begriff der gewerblichen Niederlassung (§ 42 Abs. 2 GewO a. F.; nunmehr § 4 Abs. 3 GewO).

Dass der Kläger in B. eine Schank- und Speisewirtschaft betreibt, ist nach den von ihm vorgelegten PKH-Unterlagen nicht zweifelhaft.

b) Die materiellen Voraussetzungen für den Erlass einer Fahrtenbuchauflage liegen vor. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht entgegen der Auffassung des Klägers zu Recht angenommen, dass die Feststellung des Fahrzeugführers unmöglich im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO war, weil der Kläger von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat und sich der Bußgeldbehörde auch sonst keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Feststellung des verantwortlichen Fahrers ergeben haben. Der Halter eines Fahrzeugs kann nicht verlangen, von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, wenn er in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren ein Zeugnis- oder Aussageverweigerungsrecht geltend gemacht hat. Ein „doppeltes Recht“, nach einem Verkehrsverstoß im Ordnungswidrigkeitenverfahren das Zeugnis bzw. die Aussage zu verweigern und zugleich trotz fehlender Mitwirkung bei der Ermittlung des Fahrzeugführers von einer Fahrtenbuchauflage verschont zu bleiben, besteht nicht.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Dezember 1981 – 2 BvR 1172/81 -, juris Rn. 7; BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juni 1995 – 11 B 7.95 –, juris Rn. 2 ff., und vom 11. August 1999 – 3 B 96.99 –, juris Rn. 2 f.; OVG NRW, Beschluss vom 15. Mai 2018 – 8 A 740/18 -, juris Rn. 37 f.

c) Die angefochtene Fahrtenbuchauflage ist frei von Ermessensfehlern (vgl. § 40 VwVfG NRW, § 114 Satz 1 VwGO).

Insbesondere ist sie entgegen der Auffassung des Klägers nicht deshalb unverhältnismäßig, weil sie im Grunde nur als Bestrafung eingesetzt werde. Eine Fahrtenbuchauflage stellt keine Sanktionierung in Anbetracht des geltend gemachten Zeugnisverweigerungsrechts dar. Ihr Zweck besteht allein darin, die Sicherheit und Ordnung im Straßenverkehr zu gewährleisten und sicherzustellen, dass zukünftige Verkehrsverstöße nicht ungeahndet bleiben.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Mai 2006 – 8 A 3429/04 –, juris Rn. 6 f., m. w. N.

Auf diesen Zweck hat der Beklagte ausweislich der Begründung des Bescheides (vgl. § 39 Abs. 1 VwVfG NRW) den Erlass der Fahrtenbuchauflage auch gestützt.

Ohne Erfolg stellt der Kläger in Abrede, dass die Fahrtenbuchauflage die Verkehrssicherheit und die Aufklärung etwaiger zukünftiger Verstöße fördert. Bei der Anordnung eines Fahrtenbuchs kommt es nicht auf eine konkrete Wiederholungsgefahr an. § 31a StVZO zielt vielmehr auf eine abstrakte Wiederholungsgefahr, die daran anknüpft, dass der verantwortliche Fahrer bei Begehung des Verkehrsverstoßes anonym geblieben ist.

Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Juli 2014 – 8 B 591/14 –, juris Rn. 31 ff.

Die Pflicht zur Dokumentation der einzelnen Fahrten hat eine disziplinierende Wirkung und eröffnet Bußgeldbehörden Erkenntnisse über die jeweiligen Fahrer, ohne auf das Erinnerungsvermögen und die Mitwirkungsbereitschaft des Halters angewiesen zu sein.

Ob der für den hier in Rede stehenden Verkehrsverstoß verantwortliche Fahrer erneut das Fahrzeug des Klägers nutzen oder dieser als Fahrzeughalter, wie es in der Beschwerde heißt, in Zukunft eigene verkehrsrelevante Maßnahmen einleiten wird, ist danach unerheblich.“

Und natürlich ist das Fahrtenbuch eine Strafe. Sagt nur keiner ….

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