Und dann noch einmal das LG Osnabrück. Das hat im LG Osnabrück, Beschl. v. 06.11.2020 – 10 Qs 58/20 – zu der Frage Stellung genommen, wann das Fahrverbot nach § 44 StGB beginnt, wenn der Verurteilte nicht im Besitz einer Fahrerlaubnis ist. Das LG meint:
„3. Durch die Neufassung des § 44 Abs. 2 StGB durch Art. 1 Nr. 1 b) des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. 08.2017 mit Wirkung zum 24.08.2017 (BGBl. I 2017, 3202) ist die ausdrückliche Regelung, dass das Fahrverbot mit Rechtskraft des Urteils wirksam wird, entfallen und nach dem Wortlaut der Neufassung wird das Fahrverbot wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von einem Monat seit Eintritt der Rechtskraft.
a) Ein mit der früheren Rechtslage übereinstimmender Regelungsgehalt des § 44 StGB wird für Betroffene, die nicht Inhaber einer Fahrerlaubnis sind, auch für die Neufassung des § 44 Abs. 2 StGB in der Kommentarliteratur vertreten (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 44 Rn. 38 und MünchKommStGB/v. Heintschel-Heinegg /Huber, 4. Aufl., § 44 Rn. 26 insoweit ohne Begründung; Schönke-Schröder StGB, 30. Aufl., § 44 Rn. 21 a.E. und Leipold u.a., Anwaltskommentar StGB, 3. Aufl., § 44 Rn. 61 unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 10.10.2013 – 2 StR 377/13, wobei sich dieser Beschluss aber auf die frühere Gesetzesfassung mit einem von der Neufassung gerade abweichendem Wortlaut bezieht; ferner König in: Leipziger Kommentar, 13. Aufl., § 44 Rn. 63 mit Nachweisen zur früheren Gesetzesfassung).
b) Diese Auslegung findet jedoch weder im Wortlaut noch in den Gesetzesmaterialien oder dem Zweck der Neuregelung eine Stütze.
aa) Nach dem Wortlaut der Neufassung des § 44 Abs. 2 StGB wird das Fahrverbot spätestens mit Ablauf von einem Monat seit Eintritt der Rechtskraft wirksam, soweit nicht zuvor der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt ist. Eine Regelungslücke enthält das Gesetz seinem Wortlaut nach nicht. Denn für Verurteilte, die nicht Inhaber einer Fahrerlaubnis sind, bedeutet diese Regelung zwingend, dass das Fahrverbot mit Ablauf von einem Monat seit Eintritt der Rechtskraft wirksam wird, weil sie naturgemäß keinen Führerschein in amtliche Verwahrung geben können. Durch diese Gesetzesfassung wird eine Ausnahme von dem allgemeinen Rechtsgrundsatz formuliert, dass eine Rechtsfolge – hier das Fahrverbot – regelmäßig mit Eintritt der Rechtskraft wirksam wird.
bb) Gegenteiliges lässt sich auch den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen.
Die jetzige Gesetzesfassung intendierte – über das ursprünglich im Gesetzentwurf allein vorgesehene Hinausschieben der Wirksamkeit des Fahrverbots auf einen Zeitpunkt von einem Monat nach Rechtskraft hinaus – die Schaffung einer Dispositionsmöglichkeit für den Betroffenen, dem die Option eines früheren Eintretens der Wirksamkeit des Fahrverbots eröffnet werden sollte. Zu den Folgen dieser Dispositionsbefugnis in Fällen, in denen die Abgabe des Führerscheins durch den Verurteilten nicht möglich ist, wurde auf die Rechtsprechung und Literatur zu § 25 Abs. 2a StVG verwiesen (BT-Drucksache 18/12785, S. 45).
Dieser Verweis auf das Ordnungswidrigkeitenrecht führt jedoch für die hier verfahrensgegenständliche Rechtsfrage der Berechnung des Beginns eines strafrechtlichen Fahrverbotes nicht weiter. Denn der Vergleich der Regelungsmechanismen von § 44 StGB einerseits und § 25 StVG andererseits ergibt, dass § 25 StVG in Absatz 2 eine generelle Regelung wie § 44 Abs. 2 StGB a.F. enthält, dass nämlich das Fahrverbot mit Rechtskraft der Bußgeldentscheidung wirksam wird, wobei Bußgeldbehörde bzw. Gericht gemäß § 25 Abs. 2a StVG die Befugnis eingeräumt wird, unter den dort genannten Voraussetzungen dem Betroffenen eine Dispositionsbefugnis einzuräumen. Wird dem Betroffenen eine Dispositionsentscheidung eingeräumt und stehen nach Bestimmung der Frist über das Wirksamwerden des Fahrverbots gemäß § 25 Abs. 2a StVG einer Führerscheinabgabe rechtliche oder tatsächliche Hindernisse entgegen, hat dies auf das Wirksamwerden des Fahrverbots und den Fristbeginn nach Maßgabe der getroffenen Bestimmung („spätestens mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft“) keinen Einfluss (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., Rn 30 zu § 25 StVG).
cc) Dieses Ergebnis entspricht auch am ehesten dem Gesetzeszweck. Die um einen Monat herausgeschobene Frist des Wirksamwerdens des Fahrverbots soll nach Vorstellung des historischen Gesetzgebers der Vermeidung nicht beabsichtigter Härten dienen sowie auch einer möglichen vermehrten Einlegung taktischer Rechtsmittel zur Hinauszögerung des Fahrverbots entgegenwirken und es so dem Verurteilten ermöglichen, sich auf die Zeit des Fahrverbots einzustellen und Vorkehrungen zu treffen, dass er beruflichen und familiären Verpflichtungen auch ohne Fahrerlaubnis nachkommen kann (BT-Drucksache 18/11272, S.18). Diesem Zweck kann eher mit einer – großzügigen – weiteren Monatsfrist Rechnung getragen werden als mit einer Wochenfrist, die nach Vorstellung des historischen Gesetzgebers in der Vergangenheit Anlass zu taktischen Rechtsmitteln gegeben hat.“