Anwaltliche „Gebührenbestimmung “ zur Anwendung der Differenztheorie erforderlich, oder: Höchstgebühr

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Die zweite Entscheidung kommt vom LG Köln. Im LG Köln, Beschl. v. 24.09.2020 – 120 Qs 60/20 – geht es um die Anwendung der Differenztheorie bei der Kostenerstattung.

Der Kollege Hassel aus Bonn, der mir den Beschluss geschickt hat, war von Anfang an Verteidiger des Beschuldigten, dem mehrere Betrugstaten zur Last gelegt worden sind. Vor Anklageerhebung hat das AG dann einen Teil der Taten nach § 154 Abs. 1 StPO eingestellt. Anklage ist noch wegen 21 Betrugstaten erhoben worden. Nach Nichteröffnung des Hauptverfahrens hat der Kollege seine Kosten gegenüber der Staatskasse geltend gemacht. Diese sind nur zum Teil festgesetzt worden. Das dagegen gerichtete Rechtsmittel hatte beim LG keinen Erfolg:

„Die Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG, die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4104 VV RVG und die Pauschale für Post und Telekommunikation gemäß Nr. 7002 VV RVG waren dem Verteidiger jedoch nicht zu erstatten, da er — trotz Aufforderung und mehrfacher Stellungnahme der Bezirksrevisorin – anhand der Differenztheorie keine Gebührenbestimmung zur Gesamtverteidigervergütung und fiktivem Honorar vorgenommen hat. Die Erstattung nach der Differenzmethode erfordert, dass der Verteidiger sowohl die Auslagen insgesamt als auch den „fiktiven“ erstattungsfähigen Teil im Rahmen seiner Kompetenz nach § 14 RVG bestimmt. Unterbleibt trotz gerichtlicher Aufforderung eine solche Gebührenbestimmung durch den Verteidiger, ist die Kostenfestsetzung nach der Differenztheorie als undurchführbar abzulehnen. (LG Koblenz, Beschluss vom 31.10.1997 – 10 Os 20/97, NStZ-RR .1998, 256; Hilger in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 464b Rz. 8). Vorliegend wurde der Verteidiger seitens der Bezirksrevisorin mehrmals auf die Anwendung der Differenztheorie hingewiesen und zu einer entsprechenden Gebührenbestimmung aufgefordert. Dieser Aufforderung ist er nicht nachgekommen. Er vertritt vielmehr die Ansicht, dass die Differenztheorie vorliegend keine Anwendung finde.

Entgegen der Ansicht des Verteidigers kommt die Differenztheorie im vorliegenden Fall bzgl. der zuvor genannten Gebühren zur Anwendung. Differenztheorie (oder eine Quotelung, dies steht im pflichtgemäßen Ermessen des Rechtspflegers) kommt immer dann zum Tragen, wenn unterschiedliche Entscheidungen innerhalb eines Verfahrens unterschiedliche Kostenträger nach sich ziehen. Hauptanwendungsfall ist der Teilfreispruch. In der Rechtsprechung anerkannt ist jedoch auch, dass die Differenztheorie auch dann gilt, wenn weitere Tatvorwürfe vor Erhebung der Anklage nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt. wurden. Denn in diesem Fall fehlt es an einer Vorschrift, die der Staatskasse die Auslagen des Beschuldigten aufbürdet, gegen den letztlich erfolglos ein Ermittlungsverfahren geführt wurde. In einem solchen Fall besteht in begrenztem Umfang und losgelöst von dem Kostenfestsetzungsverfahren eine Erstattungsmöglichkeit lediglich in der Form eines Schadensersatzanspruchs nach den Vorschriften des StrEG. Nichts anderes kann gelten, wenn hier vor Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft einzelne Tatvorwürfe gemäß § 154 Abs. 1 StPO eingestellt wurden. Auch in diesem Fall gilt, dass die Kostentragungspflicht dem Beschuldigten obliegt (Schmid in: Meyer-Goßner, 63. Aufl. 2020, § 467a Rz. 2). Die im vorliegenden Fall getroffene Kostengrundentscheidung des Amtsgerichts Köln im Nichteröffnungsbeschluss vom 18.10.2019. (BI. 296 ff. d. A.) bezieht sich nur auf die angeklagten Tatvorwürfe, da das Gericht mit den weiteren, eingestellten Tatvorwürfen nicht befasst war.

Na ja, die Frage, ob in den Fällen, in denen der Verteidiger zur Anwendung der Differenztheorie nicht den „fiktiven“ erstattungsfähigen Teil seiner Gebühren bestimmt, die Kostenfestsetzung vollständig abgelehnt werden kann, ist in Rechtsprechung und Literatur nicht unbestritten. Das LG Hildesheim (StRR 2015, 199 = RVGreport 2015, 194; ihm folgend Burhoff/Volpert/Volpert, RVG, Teil A Rn 1486) hat das abgelehnt und zutreffend darauf hingewiesen, dass vom Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren eine eigenständige Tätigkeit bei der Bescheidung des Kostenfestsetzungsantrags zu erwarten ist.

Allerdings: Wenn die „Aufforderung“ des Kostenbeamten zur Spezifizierung kommt, sollte man als Verteidiger – schon im eigenen Interesse – dieser „Bitte“ m.E. nachkommen. Warum der Kollege das hier nicht getan hat, ist nicht ersichtlich. Die Gründe des Beschlusses des LG geben dafür nichts her.

Und: Schön – aber – die Ausführungen des LG zur Höchstgebühr:

„Die geltend gemachten Verfahrensgebühren gemäß Nr. 4106 und Nr. 4141 VV RVG waren jedoch in der beantragten Höhe von 290,00 EUR und 165,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer festzusetzen. Insbesondere hält sich die Gebühr gemäß Nr. 4106 VV RVG in der beantragen Höhe – obwohl die Festsetzung des Höchstbetrags beantragt wurde – angesichts des Umfangs der Anklage vor dem Schöffengericht mit 21 Betrugstaten und der Beweisführung durch Indizienbeweise noch im Rahmen des dem Verteidiger zustehenden Ermessens zur Bestimmung der Höhe der Rahmengebühr gemäß § 14 RVG: Da die Gebühr nicht unbillig hoch bestimmt wurde, ist die Bestimmung gegenüber der Staatskasse verbindlich.“

Und, wenn ich schon unseren RVG-Kommentar zitiere, dann will ich <<Werbemodus an>> auch auf die Anfang 2021 erscheinende Neuauflage – die 6. Auflage – hinweisen. Die kommt zeitnah nach Inkrafttreten des KostRÄG, das ja nun wohl Anfang 2021 kommen wird. Zur Vorbestellung geht es hier. <<Werbemodus aus>>.

 

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