Pflichti III: Vollständiger Vortrag, oder: Sonst trägt der Beschuldigte seine Auslagen selbst

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Im letzten Posting des Tages weise ich dann hin auf den LG Braunschweig, Beschl. v. 08.10.2020 – 1 Qs 203/20.

Der Beschuldigte hat Beschwerde gegen die nicht erfolgte Bestellung eines Pflichtverteidigers eingelegt. Die hat Erfolg. Aber: Seine notwendigen Auslagen trägt der Beschuldigte selbst:

„Das Amtsgericht Braunschweig hat mit Beschluss vom 15.09.2020 den Beiordnungsantrag des Verteidigers vom 06.08,2020 zurückgewiesen mit der Begründung, dass weder die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 StPO vorliegen noch die Schwere der Tat oder der zu erwartenden Rechtsfolge bzw. die Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Beiordnung gebieten. Die Entscheidung des Amtsgerichts ist nach den zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden Erkenntnissen zutreffend gewesen. Es geht um den Tatvorwurf des versuchten Diebstahls eines Buntmetallstrangs von einer Kabeltrommel. Der Beschuldigte ist zwar vorbestraft, seit 2008 aber lediglich zu Geldstrafen verurteilt worden. Gesamtstrafenfähigkeit bestand nach dem Bundeszentralregisterauszug vom 14.09.2020 lediglich hinsichtlich der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Halberstadt vom 29.07.2020 (60 Tagessätze zu je 30,¬€ Geldstrafe wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis).

Mit der sofortigen Beschwerde hat der Verteidiger erstmals vorgetragen, dass gegen den Beschuldigten beim Amtsgericht Halberstadt das Verfahren 3 Ds 802 Js 70719/20 — 20120 wegen eines Vergehens gegen § 52 WaffG und beim Amtsgericht Gardelegen das Verfahren 21 Ls 416 Js 14505/19 -2/20 u. a. wegen eines Verbrechens (Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion) anhängig sind. Insoweit bestünde bei entsprechenden Verurteilungen Gesamtstrafenfähigkeit, die Schwere der insgesamt zu erwartenden Rechtsfolgen, auf die bei der Entscheidung abzustellen ist, gebietet daher die Beiordnung eines Pflichtverteidigers.

Von einer Belastung der Staatskasse mit den notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers hat die Kammer entsprechend § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 StPO abgesehen, da erst mit der Beschwerde die deren Erfolg begründenden Tatsachen vorgetragen wurden.“

Auf vollständigen Vortrag muss man also achten, wenn man denn alle Umstände kennt 🙂 .

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