Nebenklage II: Keine Beschwerde gegen die Bestellung eines Nebenklägerbeistands, oder: Mehrfachvertretung

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In der zweiten Entscheidung zur Nebenklage geht es um ein verfahrensrechtliches Problem mit der Nebenkalge, nämlich um die Frage: Ist für den Angeklagten eine Beschwerde gegen  die Bestellung eines Nebenklägerbeistands zulässig? Der OLG Celle, Beschl. v. 29.06.2020 – 3 Ws 154/20 – sagt nein, und zwar auch dann nicht, wenn der Angeklagte geltend macht, die Beistandsbestellung verstoße gegen § 146 StPO analog und §§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BORA:

„Das Rechtsmittel ist unzulässig, weil der Beschwerdeführer durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert ist.

1. Nach der obergerichtlichen Rechtsprechung, die von einem Großteil der Kommentarliteratur befürwortet wird, ist ein Angeklagter durch die Bestellung eines Nebenklagebeistandes nach § 397a StPO in seiner Rechtsposition nicht unmittelbar beeinträchtigt und daher nicht beschwert (vgl. KG, Beschlüsse vom 24. September 2018 – 2 Ws 184/18, juris – und vom 19. Oktober 2016 – 3 Ws 548/16; OLG Hamm, Beschluss vom 7. Februar 2006 – 4 Ws 48/06, NJW 2006, 2057; KK-Senge StPO 8. Aufl. § 397a Rn. 13; Meyer-Goßner/Schmitt StPO 62. Aufl. § 397a Rn. 19; HK-StPO/Weißer 6. Aufl. § 397a Rn. 44; SSW-StPO/Schöch 3. Aufl. § 397a Rn. 15; Radtke/Hohmann-Merz StPO § 397a Rn. 15; BeckOK StPO/Weiner § 397a Rn. 35).

Das gilt auch – und gerade – mit Blick auf die durch das Gesetz vom 14. März 2013 eingeführte Regelung zur notwendigen Verteidigung bei Bestellung eines Nebenklagebeistands in § 140 Abs. 1 Nr. 9 StPO. Die von der Beschwerde zitierte Gegenansicht (Wenske in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., Nachtrag zu § 397a Rn. 34; eine Beschwerdebefugnis des Angeklagten bejahend auch: KMR-Kulhanek § 397a Rn. 19; MüKoStPO/Valerius § 397a Rn. 51 Fn. 123; SK-StPO/Velten 4. Aufl. § 397a Rn. 7) überzeugt nicht. Bei genauer Betrachtung erweist sich nämlich nicht die Bestellung des Beistands selbst, sondern erst dessen Ausübung von Verfahrensrechten als unmittelbare Belastung für den Angeklagten. Die Aufwertung von einem Fall der regelmäßig notwendigen Verteidigung nach § 140 Abs. 2 Satz 1 StPO a.F. zu einem der immer notwendigen Verteidigung beruht auf rein abstrakten Erwägungen. Durch den Verzicht auf das Erfordernis konkret zu befürchtender Beeinträchtigungen der Verteidigungsfähigkeit des Angeklagten soll von vornherein etwaigen Bedenken im Hinblick auf die Aspekte der Waffengleichheit und das faire Verfahren der Boden entzogen werden (vgl. BT-Drucks. 17/6261 S. 11 mit der Formulierung: „problematisch erschiene“). Würde man der Argumentation der Gegenansicht folgen, wäre die Frage der Beschwer letztendlich danach zu beantworten, ob der Angeklagte einen Verteidiger hat oder nicht. Die Abhängigkeit der Beschwer von einer Bedingung wäre aber mit dem Erfordernis der Unmittelbarkeit nicht vereinbar. Zudem hat der Gesetzgeber mit § 140 Abs. 1 Nr. 9 StPO den Eintritt dieser Bedingung verhindert. Wenn es also jemals berechtigt war, in der Bestellung eines Nebenklagebeistandes eine unmittelbare Beeinträchtigung der Rechte des Angeklagten auf Waffengleichheit und ein faires Verfahren zu sehen, so ist diese Berechtigung jedenfalls mit Inkrafttreten von § 140 Abs. 1 Nr. 9 StPO entfallen.

Auch die von der Beschwerde angeführte mögliche kostenrechtliche Beschwer des Angeklagten trifft ihn jedenfalls im Zeitpunkt der Bestellung des Nebenklägerbeistandes weder gegenwärtig noch unmittelbar (vgl. KG aaO). Denn über die Frage, wer welche Kosten zu tragen hat, wird erst mit dem die Instanz abschließenden Urteil entschieden. Dessen Anfechtung sowie die isolierte Anfechtung der Kostenentscheidung gemäß § 464 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 StPO und der Kostenfestsetzung gemäß § 464b Satz 3 StPO stehen dem Angeklagten frei, falls er verurteilt wird. Mit dem Angriff gegen die Kostenfestsetzung kann auch geltend gemacht werden, dass die Bestellung des Beistands gegen ein gesetzliches Verbot verstieß und deshalb die Gebühren und Auslagen für diesen nicht nach § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO i.V.m. § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 7. August 2018 – 4 Ws 175/18, AGS 2018, 459; KK/StPO-Gieg 8. Aufl. § 464a Rn. 9).

2. Ungeachtet dessen fehlt es an der notwendigen Beschwer auch deshalb, weil der Beschwerdeführer nicht die Bestellung eines Nebenklagebeistands an sich, sondern nur dessen Auswahl angreift.

a) Das Verbot der Mehrfachverteidigung nach § 146 StPO dient dem Schutz des Beschuldigten davor, von einem für ihn ungeeigneten Verteidiger verteidigt zu werden (vgl. BGHSt 27, 22, 23). Ein Mitangeklagter kann daher nicht als Verletzung des § 146 StPO rügen, ein anderer sei in der Hauptverhandlung von einem dafür ungeeigneten Verteidiger verteidigt worden (BGH, Beschluss vom 3. Oktober 1984 – 3 StR 358/84, StV 1984, 493; Lüderssen in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 146a Rn. 18). Das gilt auch im Verhältnis zwischen Angeklagtem und Nebenkläger. Eine analoge Anwendung der Vorschrift kann nicht zu einer Veränderung der Schutzrichtung führen. Dementsprechend schützt die Vorschrift auch bei analoger Anwendung auf den Nebenklägerbeistand nur den Nebenkläger selbst. Kostenfragen sind in diesem Zusammenhang ersichtlich irrelevant.

Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob der mit einem Ausschluss verbundene Eingriff in das Grundrecht des betroffenen Rechtsanwalts aus Art. 12 Abs. 1 GG überhaupt ohne ausdrückliche formell-gesetzliche Grundlage zulässig wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 2000 – 1 BvR 1331/99, NStZ 2000, 791, zur Nichtanwendbarkeit von § 146 StPO auf den Zeugenbeistand nach § 68b StPO.)

b) Etwas anders ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt des geltend gemachten Verstoßes gegen §§ 43a Abs. 4 BRAO, 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 BORA. Denn diese Regelungen dienen dem Schutz des individuellen Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Mandant (vgl. BVerfGE 108, 150, 160; BVerfGK 8, 239). Soweit das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen darüber hinaus dem Gemeinwohl in Gestalt der Rechtspflege dient (vgl. BVerfG aaO; BT-Drucks 12/4993, S. 27; BR-Drucks 93/93, S. 81), kann der Beschwerdeführer auch hieraus eine unmittelbare Beeinträchtigung in seinen subjektiven Rechten oder schutzwürdigen Interessen nicht herleiten.

Ein Gedanke zu „Nebenklage II: Keine Beschwerde gegen die Bestellung eines Nebenklägerbeistands, oder: Mehrfachvertretung

  1. Name

    „Bei genauer Betrachtung erweist sich nämlich nicht die Bestellung des Beistands selbst, sondern erst dessen Ausübung von Verfahrensrechten als unmittelbare Belastung für den Angeklagten.“
    Aha. Das OLG würde aber auch umgekehrt kaum anerkennen, dass eine Beschwer schon darin liegt, dass der NKB im Verfahren auftritt.

    Der NK kann die Verletzung der §§ 397, 397a StPO rügen und dem Angeklagten dadurch eine weitere Runde „bescheren“. Diese Gefahr soll nicht beschweren!? Um das Beruhen auszuschließen, wenn sich der NKB tatsächlich des Parteiverrats schuldig gemacht haben sollte, braucht es jedenfalls eine Menge Kreativität. Auf eine analoge Anwendung des § 146 StPO kommt es dabei kaum an, da die Beiordnung gerade eine Entscheidung des Gerichts ist. Es ist doch ein gewisser Unterschied, ob sich nur der NK selbst zur Vertretung durch einen parteiverratenden Anwalt entscheidet oder ob das Gericht daran mitwirkt. Auch der Hinweis auf Art. 12 Abs. 1 GG liegt fern, da allenfalls in der Beiordnung selbst die Schaffung einer geschützten Position liegt. Wenn die rechtswidrig ist, ist sie von Art. 12 Abs. 1 GG nicht geschützt.
    Ob wirklich ein Konflikt besteht, ist Frage der Begründetheit (und uU des Rechtsschutzbedürfnisses), aber nicht der Beschwer.

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