Nach dem gestrigen „Pflichti-Tag“ heute dann ein Tag mit verkehrsrechtlichen Entscheidungen.
Zunächst weise ich in dem Zusammenhang – der Vollständigkeit halber – auf das BGH, Urt. v. 18.06.20220 – 4 StR 482/19 – hin. Das ist die zweite Entscheidung des BGH im sog. Berliner Raserfall. Ich erinnere: Es geht um ein Autorennen im Februar 2016 in der Berliner Innenstadt. Dabei ist es auf dem Kudamm im Kreuzungsbereich mit einer anderen Straße zu einem Zusammenstoß mit dem Pkw eines andern Verkehrsteilnehmer gekommen, der noch an der Unfallstelle verstorben ist.
Das LG Berlin hatte nach einer ersten Hauptverhandlung wegen Mordes verurteilt. Der BGh hatte auf die Revision hin aufgehoben und zurückverwiesen. In der erneuten Hauptverhandlung ist dann wiederum eine Veurteilung wegen Mordes erfolgt. Dagegen dann nochmals die Revision.
Nun hat der BGH im Urt. v. 18.06.2020 die Revision des Angeklagte, der mit dem Fahrzeug des Getöteten zusammengestoßen ist, verworfen. Auf die Revision des anderen am Rennen Beteiligten, der ebenfalls wegen Mordes verurteilt war, hat er hingegen das Urteil aufgehoben und nochmals zurückverwiesen. Da das für BGHSt vorgesehene Urteil recht lang ist, will ich es hier nicht einstellen, sondern verweise auf den Volltext. Ich zitiere hier nur aus der PM 78/2020 des BGH:
„Die Revision des am Unfall unmittelbar beteiligten Angeklagten hat der Senat verworfen. Er hat bei diesem Angeklagten insbesondere den Schuldspruch wegen Mordes bestätigt und lediglich eine Schuldspruchkorrektur vorgenommen.
Das Landgericht hat maßgeblich aus der außergewöhnlichen Gefährlichkeit des Fahrverhaltens des Angeklagten und der damit einhergehenden und von ihm erkannten Unfallträchtigkeit auf die billigende Inkaufnahme eines schweren Verkehrsunfalls mit tödlichen Folgen für den Unfallgegner und damit auf ein bedingt vorsätzliches Handeln dieses Angeklagten geschlossen. Es ist dabei den hohen Anforderungen an die Prüfung der vorsatzkritischen Aspekte gerecht geworden, die dieser Fall in besonderem Maße aufwarf. Die Strafkammer hat insoweit insbesondere bedacht, dass schon wegen der mit einem Unfall verbundenen Eigengefährdung des Angeklagten das Tatbild von einem typischen vorsätzlichen Tötungsdelikt abwich. Auch mit dem Handlungsmotiv des Angeklagten, den Rennsieg davonzutragen, der durch einen Unfall zwangsläufig vereitelt würde, hat es sich ausreichend auseinandergesetzt.
Bei Prüfung der Eigengefahr als vorsatzkritischen Umstand hat das Landgericht zu Recht nur auf das tatsächlich eingetretene Unfallgeschehen abgestellt. Es hat tragfähig begründet, dass der Angeklagte diesen Unfallhergang als möglich erkannte, die hiervon ausgehende Gefahr für sich selbst aber als gering einschätzte und hinnahm. Der Senat hat unter diesen Umständen die Erörterung der Frage, ob dem Angeklagten, als er den Entschluss fasste, das Rennen trotz der erkannten Unfallgefahr fortzusetzen, auch andere Unfallszenarien mit einem möglicherweise für ihn höheren Gefahrenpotential vor Augen standen, für entbehrlich erachtet.
Auch dem Handlungsmotiv des Angeklagten, das Rennen zu gewinnen, hat das Landgericht mit tragfähiger Begründung keine vorsatzausschließende Bedeutung beigemessen. Es hat belegt, dass der Angeklagte erkannte, das Rennen nur bei maximaler Risikosteigerung auch für Dritte unter Zurückstellung aller Bedenken gewinnen zu können, und ihm deshalb die Folgen des bewusst hochriskanten Fahrverhaltens gleichgültig waren.
Auch die Bewertung der Tat als Mord ist im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar weist die Beweiswürdigung des Landgerichts zur subjektiven Seite des Mordmerkmals der Tötung mit gemeingefährlichen Mitteln durchgreifende Rechtsfehler auf. Da das Landgericht die Mordmerkmale der Heimtücke und der Tötung aus niedrigen Beweggründen rechtsfehlerfrei bejaht hat, wirkt sich dies auf den Strafausspruch aber nicht aus.
Das Urteil gegen diesen Angeklagten ist damit rechtskräftig.
Auf die Revision des Mitangeklagten, dessen Fahrzeug nicht mit dem des Unfallopfers kollidierte, hat der Senat das Urteil, soweit es diesen Angeklagten betrifft, insgesamt aufgehoben. Die Verurteilung wegen mittäterschaftlich begangenen Mordes konnte keinen Bestand haben, weil die Beweiswürdigung des Landgerichts die Feststellung eines gemeinsamen, auf die Tötung eines Menschen gerichteten Tatentschlusses nicht trägt. Das Landgericht hat sich lediglich mit dem Vorsatz betreffend einen durch den Mitangeklagten selbst verursachten Unfall auseinandergesetzt. Nicht belegt ist die mittäterschaftliche Zurechnung der Tat des Unfallverursachers. Dass die Angeklagten – wie das Landgericht gemeint hat – während des Zufahrens auf die Kreuzung den auf das Straßenrennen ausgerichteten Tatplan konkludent auf die gemeinsame Tötung eines anderen Menschen erweiterten, liegt angesichts ihrer Fokussierung auf das Rennen auch fern.
Gegen diesen Angeklagten wird das Landgericht deshalb in einem dritten Rechtsgang nochmals zu verhandeln haben.“
Also: Dritter Durchgang
Ich finde ja, die wichtige Erkenntnis aus dem zweiten Urteil kommt zu kurz – der andere ist rechtskräftig wegen Mordes verurteilt. (meines Erachtens vertretbar, was den Vorsatz angeht, aber man muss sich beim Begründen sehr viel Mühe geben)
Ob es einem Verfahren gut tut wenn es dann zum dritten Mal verhandelt wird, sei mal dahingestellt. Was bleibt am Ende? Fahrlässige Tötung für zwei Jahre mit Bewährung wegen langer Verfahrensdauer?
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