Fahrerlaubnisentziehung wegen Drogenkonsum, oder: Angemessene Frist für Gutachten

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Author Orlan

Heute dann mal wieder zwei verkehrsverwaltungsrechtliche Entscheidungen. Zunächst hier der VG Koblenz, Beschl. v. 13.03.2020 – 4 L 181/20.KO – mit dem Dauerbrennerthema: Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Drogenkonsum. Hier hatte der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Betroffenen aber mal Erfolg, was ja recht selten vorkommt. Begründung u.a.: Die gesetzte Frist zur Vorlage des angeforderten Eignungsgutachtens war zu kurz.

“ …… Diese Vorgaben hat der Antragsgegner beachtet und von dem Antragsteller die Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gefordert. Zwar war seit dem letzten nachgewiesenen Drogenkonsum und der Anordnung der Beibringung des Gutachtens ein Zeitraum von über vier Jahren vergangen. Dies steht einer Beibringungsanordnung aber grundsätzlich nicht entgegen; vielmehr ist deren Zulässigkeit in diesen Fällen eine Frage des Einzelfalles unter Einbeziehung aller relevanten Umstände (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2005 – 3 C 25/04 -, juris, Rn. 23 ff.; BayVGH, a.a.O., Rn. 18). Da der Antragsteller in der Vergangenheit wiederholt mit Drogenkonsum auffällig geworden war, durfte der Antragsgegner zumindest im vorliegenden Fall zum Schutz des Straßenverkehrs vor ungeeigneten Kraftfahrzeugführern auch noch mehr als vier Jahrs nach dem letzten nachgewiesenen Drogenkonsum die Beibringung eines Gutachtens vom Antragsteller fordern.

Dem Antragsgegner war es im vorliegenden Fall versagt, den Entzug der Fahrerlaubnis des Antragstellers auf die nicht fristgerechte Beibringung des angeforderten Gutachtens zu stützen.

Wenn – wie hier der Fall – Tatsachen bekannt werden, die Bedenken an der Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen eines Kraftfahrzeuges begründen, hat die Fahrerlaubnisbehörde unter den in §§ 11 bis 14 FeV genannten Voraussetzungen durch die Anordnung der Vorlage von ärztlichen bzw. anderen, näher bezeichneten Gutachten die Eignungszweifel aufzuklären (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 3 StVG i.V.m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV) und je nach dem Ergebnis der Eignungsuntersuchung in einem zweiten Schritt eine Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis zu treffen. Der Schluss auf die Ungeeignetheit eines Fahrerlaubnisinhabers ist gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV zulässig, wenn der Betroffene sich weigert, sich untersuchen zu lassen oder das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Denn wer seine Mitwirkung an der Aufklärung von Eignungsmängeln verweigert, lässt die von einem Kraftfahrzeugführer zu fordernde Einsicht vermissen, dass die Sicherheit des Straßenverkehrs seinen eigenen Belangen vorgeht. Dabei setzt der Schluss von der verweigerten Beibringung des Gutachtens auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen voraus, dass die Anordnung der Untersuchung formell und materiell rechtmäßig erfolgte, sie insbesondere verhältnismäßig war. Dazu genügt ein durch Tatsachen gestützter Verdacht.

Der Antragsgegner hat unter dem 22. November 2019 eine medizinisch-psychologische Untersuchung – MPU – des Antragstellers bei einer Begutachtungsstelle für Fahreignung angeordnet, die grundsätzlich auf § 14 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 11 Abs. 3 Satz 2 FeV gestützt werden konnte. Denn beim Antragsteller liegen – wie bereits ausgeführt – Zweifel an dessen Fahreignung vor.

Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der Gutachtensanforderung bestehen keine Bedenken. Dem Antragsteller sind in der Gutachtensanforderung sämtliche gemäß § 11 FeV erforderlichen Informationen und Hinweise erteilt worden. Die Anforderung legt insbesondere dar, woraus der Antragsgegner seine Bedenken an der Fahreignung des Antragstellers herleitet, bezeichnet die Art des Gutachtens (medizinisch-psychologisches Gutachten), konkretisiert die Fragestellung, nennt die in Betracht kommenden Untersuchungsstellen und verweist auf die Folgen der nicht fristgerechten Vorlage des Gutachtens.

In materieller Hinsicht liegen zwar aufgrund der in der Anordnung aufgeführten Umstände auch nach Auffassung des Gerichts hinreichende Tatsachen vor, welche die Annahme eines Konsums von Amphetamin und weiterer Drogen und damit Zweifel an der Eignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen zu begründen vermögen. Dem Antragsgegner war es jedoch verwehrt, auf Grundlage des § 11 Abs. 8 FeV aufgrund der nicht fristgerechten Vorlage des angeforderten Gutachtens dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu entziehen. Denn die Frist zur Vorlage des Gutachtens war mit ca. drei Monaten zu kurz bemessen.

Die Angemessenheit der Frist hat sich nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichtes Rheinland-Pfalz im Entziehungsverfahren grundsätzlich nur danach zu richten, „wie lange eine amtlich anerkannte Begutachtungsstelle für Fahreignung zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich brauchen wird. Keinesfalls hat sich die Dauer der Frist danach zu richten, wie lange der Betroffene zur Sicherstellung einer positiven Begutachtung benötigt“ (OVG RP, Beschluss vom 21. Juli 2009 – 10 B 10508/09 -). Denn mit dem Gutachten sollen aktuelle Eignungszweifel ausgeräumt werden, sodass sich die Dauer der Vorlagefrist für das Gutachten nicht danach richten muss, wie viel Zeit der Betroffene für den Nachweis seiner Drogenabstinenz benötigt (vgl. Beschluss der Kammer vom 1. Oktober 2019 – 4 L 1015/19.KO -).

 Diese Sachlage ist jedoch zu unterscheiden von den Fällen, in denen durch eine MPU nachgewiesen werden soll, dass eine Fahreignung nach nachgewiesenem Betäubungsmittelkonsum wiedererlangt worden ist (vgl. hierzu BayVGh, a.a.O., Rn. 19 sowie OVG RP, Beschluss vom 21. Juli 2009 – 10 B 10508/09 -). In diesen Fällen muss die Frist zur Vorlage des Gutachtens so bemessen sein, dass sich bis zum Ablauf der Frist der erforderliche Abstinenznachweis führen lässt (vgl. VGH München, a.a.O.). So liegt der Fall hier.

 Dem Betroffenen muss für den Nachweis seiner wiedererlangten Fahreignung bei der Bestimmung der Frist für die Beibringung des Gutachtens ein Zeitraum gewährt werden, welcher es ihm ermöglicht, die in Anlage 4 FeV und den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung genannte einjährige Drogenabstinenz nachzuweisen. Nach Ziff. 3.14.1 der Begutachtungsleitlinien Stand 31. Dezember 2019 (Gültig ab: 1. Februar 2000) ist nach der „Entgiftungs- und Entwöhnungszeit in der Regel eine einjährige Abstinenz durch ärztliche Untersuchungen nachzuweisen“. Dies erfolgt „auf der Basis von mindestens vier unvorhersehbar anberaumten Laboruntersuchungen innerhalb dieser Jahresfrist in unregelmäßigen Abständen“.

 Der Antragsteller hat im Verwaltungsverfahren Drogenscreenings vorgelegt, die ab dem 18. Mai 2018 datieren und vom Ergebnis negativ sind. Dabei kann die Kammer offenlassen, ob diese Screenings den Vorgaben der Begutachtungsleitlinien entsprechen und von einer Begutachtungsstelle anerkannt werden können. Denn der Antragsteller hat es nicht bei der Vorlage dieser Screenings bewenden lassen, sondern nach Auffassung der Kammer alles ihm Mögliche getan, um eine nach den Vorgaben der Begutachtungsleitlinien maßgebliche Drogenabstinenz nachzuweisen. Er hat nach der Anordnung der Gutachtensbeibringung der Durchführung einer MPU durch den TÜV Hessen zugestimmt und ein weiteres Drogenscreening nach den Vorgaben der Begutachtungsleitlinien erstellen lassen. Die Probenentnahme erfolgte am 30. Januar 2020. Da der Antragsteller, wie er selbst ausführt, keinen Einfluss auf die Entnahmezeitpunkte hat und der Antragsgegner auch nicht bereit gewesen ist, die Frist zur Vorlage des Gutachtens zu verlängern, war es dem Antragsteller nicht möglich, innerhalb der Gutachtensfrist seine Abstinenz nachzuweisen. Aus diesem Grund kann ihm nicht vorgeworfen werden, dass nach dem Schreiben des TÜV Hessen vom 20. Februar 2020 eine Begutachtung nicht zustande gekommen ist.“

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