Gutscheine statt Rückerstattung bei Freizeitveranstaltungen, oder: Was ist bei Insolvenz?

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Da erreicht mich gerade die Nachricht des BMJV „Gutscheine statt Rückerstattung bei Freizeitveranstaltungen“. In der heißt es:

„Kabinett beschließt Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht

Die Bundesregierung hat heute die von der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegte Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht beschlossen. Die Koalitionsfraktionen haben nunmehr die Möglichkeit, den Gesetzentwurf aus der Mitte des Deutschen Bundestages einzubringen. Die Formulierungshilfe wurde auf Wunsch der für Veranstaltungen zuständigen Ressorts BKM, BMI und BMBF vom BMJV erstellt.

Die Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz, Christine Lambrecht, erklärt:

„Derzeit muss ein Großteil der geplanten Veranstaltungen wie Konzerte oder Sportereignisse abgesagt werden und Freizeiteinrichtungen bleiben geschlossen. Veranstalter und Betreiber sind mit einer Vielzahl von Rückforderungen konfrontiert und geraten zunehmend in Liquiditätsengpässe. Hierdurch gerät eine ganze Branche mit vielen tausend Arbeitsplätzen in Existenznot und droht nicht wiedergutzumachenden Schaden zu nehmen. Die Vielfalt der Kultur- und Freizeitangebote in unserem Land ist dadurch ernsthaft bedroht. Für Verbraucherinnen und Verbraucher steigt gleichzeitig die Gefahr, dass sie bei einer Pleitewelle mit leeren Händen dastehen. Beides müssen wir verhindern. Aus diesem Grunde wollen wir ermöglichen, dass Freizeitveranstalter und Betreiber von Freizeiteinrichtungen anstelle von Erstattungen gleichwertige Gutscheine ausstellen können. Werden die Gutscheine bis Ende nächsten Jahres nicht eingelöst, wird der volle Wert erstattet. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern geht somit nichts verloren. Für Menschen, die jetzt dringend die Erstattungen benötigen, weil sie sonst ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten können, wird es eine Härtefalllösung geben. Durch diese Regelung erreichen wir in der derzeitigen Ausnahmesituation einen fairen Interessenausgleich ohne unnötige Härten.“

Die heute vom Kabinett beschlossene Formulierungshilfe enthält einen Gesetzentwurf, der Regelungen zum Schutz von Veranstaltern von Musik-, Kultur-, Sport-, oder sonstigen Freizeitveranstaltungen und von Betreibern von Freizeiteirichtungen wie Museen, Schwimmbäder oder Sportstudios vor dem wirtschaftlichen Aus vorsieht. Gleichzeitig werden Verbraucherinnen und Verbraucher davor geschützt, dass ihre Erstattungsansprüche durch Insolvenzen wirtschaftlich wertlos würden.

Nach geltendem Recht können die Inhaberinnen und Inhaber von Eintrittskarten oder Saison- und Jahreskarten eine Erstattung ihrer bereits gezahlten Eintrittsgelder von dem jeweiligen Veranstalter oder Betreiber einer Freizeiteinrichtung verlangen, wenn aufgrund der COVID-19-Pandemie eine Veranstaltung wie ein Konzert oder eine Sportveranstaltung nicht stattfinden konnte oder eine Freizeiteinrichtung geschlossen werden musste. Veranstalter und Freizeiteinrichtungen haben infolge der Krise kaum neue Einnahmen. Müssten sie nun kurzfristig die Eintrittspreise für sämtliche abgesagten Veranstaltungen erstatten, wären viele von ihnen in ihrer Existenz bedroht.

Eine Insolvenzwelle hätte zur Folge, dass die Inhaberinnen und Inhaber von Eintrittskarten oder Nutzungsberechtigungen keine Rückerstattung erhalten würden. Diese Folgen sollen mit dem vorliegenden Entwurf möglichst verhindert werden.

Veranstalter sollen berechtigt sein, der Inhaberin oder dem Inhaber einer Eintrittskarte statt der Erstattung des Eintrittspreises einen Gutschein in Höhe des Eintrittspreises auszustellen. Dieser Wertgutschein kann dann entweder für die Nachholveranstaltung oder alternativ für eine andere Veranstaltung des Veranstalters eingelöst werden. Entsprechend wird dem Betreiber einer Freizeiteinrichtung das Recht gegeben, der oder dem Nutzungsberechtigten einen Gutschein zu übergeben, der dem Wert des nicht genutzten Teils der Berechtigung wie einer Jahreskarte entspricht.

Die Inhaberin oder der Inhaber eines solchen Gutscheins soll jedoch die Auszahlung des Gutscheinwertes verlangen können, wenn die Annahme eines Gutscheins für sie oder ihn aufgrund der persönlichen Lebensverhältnisse unzumutbar ist oder wenn der Gutschein nicht bis zum 31. Dezember 2021 eingelöst wird. In letzterem Fall entspricht der Gutschein einer bloßen Stundung des Erstattungsanspruchs.

Die heute beschlossene Formulierungshilfe geht auf einen Beschluss des sogenannten Corona-Kabinetts vom 2. April 2020 zurück. Die Bundesregierung hatte in dieser Sitzung zusätzlich beschlossen, an die EU-Kommission heranzutreten, um vergleichbare Gutscheinlösungen bei Pauschalreisen und Flugtickets zu ermöglichen. Die Ressorts BMJV, BMWi und BMF haben ein gemeinsames Schreiben zu Pauschalreisen an den zuständigen Kommissar Reynders (DG Just) auf den Weg gebracht. Ein gemeinsames Schreiben der Ressorts BMJV, BMWi und BMVI zu Flugreisen wird über die zuständige Kommissarin Valean (DG Move) an die Kommission gerichtet.

Die heute beschlossene Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Veranstaltungsvertragsrecht ist hier abrufbar.“

So weit, so gut. oder doch nicht gut? M.E. nicht – und das gilt auch für die geplante „Gutscheinlösung“ bei Reisen. Lassen wir die Frage der Zulässigkeit der rückwirkenden Geltung mal außen vor – ich habe da so meine Bedenken – bin da aber nicht näher eingestiegen. Eins ist aber Frau BMJV nicht richtig: „Aus diesem Grunde wollen wir ermöglichen, dass Freizeitveranstalter und Betreiber von Freizeiteinrichtungen anstelle von Erstattungen gleichwertige Gutscheine ausstellen können. Werden die Gutscheine bis Ende nächsten Jahres nicht eingelöst, wird der volle Wert erstattet. Den Verbraucherinnen und Verbrauchern geht somit nichts verloren.“ Das gilt doch nur, wenn es die Veranstalter am Ende des nächsten Jahres noch gibt und die dann zahlungsfähig sind. Was aber, wenn sie insolvent geworden sind. Dann hat der Kunde einen Gutschein, mit dem er sich die Wand tapezieren kann.

Oder sehe ich da etwas falsch?

 

 

11 Gedanken zu „Gutscheine statt Rückerstattung bei Freizeitveranstaltungen, oder: Was ist bei Insolvenz?

  1. Badner in Hessen

    Im Zweifel verschiebt diese Gesetzesänderung nur den Zeitpunkt der Insolvenz nach hinten.
    Aber die Rückerstattung wird den Veranstaltern/Sportstudios nicht das Genick brechen, sondern das Ausbleiben der laufenden Beiträge.

    Und was sollen die persönlichen Lebensumstände sein, die den Gutschein unzumutbar machen?
    Bezug von Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld oder die Inanspruchnahme von Soforthilfen wegen der Corona-Krise?

  2. RichterimOLGBezirkMuenchen

    Sie sehen das mMn richtig – allerdings ist die Alternative ggf. im Einzelfall, dass man die Insolvenz dann eben jetzt sofort hat, was aus Kundensicht dann auf die selben Füße fiele.

    Was freilich sehr SEHR bedenklich ist, ist die Rückwirkung. Das fühlt sich ohne nähere Prüfung bedenklich an.

  3. RichterimOLGBezirkMuenchen

    Ich komme da allerdings zu sehr aus der Strafrechts-Ecke, nulla poene sine lege praevia usw.

    Vielleicht ist das ja bei den Zivilisten anders 🙂

    In der Sache selbst ist mMn die hemdsärmelige Lösung, den Gutschein sofort zu akzeptieren und direkt zeitnah einzulösen. Denn dann minimiert man zumindest das Risiko, dass bis zum Antritt der Reise die Insolvenz kommt.

    Alternativ legt man sich vor Einlösung des Gutscheins eine günstige Reiserücktritts-Versicherung zu und hat einen Hausarzt, der zum richtigen Zeitpunkt die vorgetragenen diffusen Beschwerden als reisehinderlich attestiert… Wer weiß schon, was sich hinter diesem hartnäckigen Husten versteckt… Ich will ja niemanden auf doofe Ideen bringen, aber das Gegenteil dürfte schwer zu beweisen sein…

    Denn und die RRV zahlt in Eur,nicht in Gutscheinen…. 🙂

  4. Ast2913

    Ist nur doof, wenn das rückwirkend gilt für vor Coronsa gebuchte Reisen. Da klappt das nicht mit der Rücktrittsversicherung.

  5. Detlef Burhoff Beitragsautor

    @RichterimOLGBezirkMuenchen
    Vor einem solchen Vorgen warne ich im Hinblick auf die ggf. eintretenden strafechtlichen Folgen.
    @ASt2913
    Die vorgestellte Regelung gilt nicht für Reisen. Und sie greift ja bei einem „Rücktitt“ aus anderen als Krankhietsgründen auch nicht ein. Die Angst vor Krankheit hilft nicht.

  6. RA Gahbler

    Es war ja im Gespräch, dass genau wegen der Insolvenzproblematik der Staat das Risiko übernehmen will, davon lese ich da nichts. Es bleibt abzuwarten, ob die Gerichte weiterhin alles, was der Gesetzgeber mal eben aus der Hüfte schießt, unkritisch abnicken.

  7. RichterimOLGBezirkMuenchen

    Bin ich froh dass ich Leute nicht vor Straftaten warnen muss 🙂 Nur her damit, sonst bin ich ja irgendwann arbeitslos 🙂

    Aber ja, wie meiner durchaus nicht unironischen Darstellung unschwer zu entnehmen war, wäre das natürlich Betrug und das darf man natürlich nicht. Ein Schelm, wer es wirklich täte.

    Aber mal Hand aufs Herz: Versicherungsbetrug ist ein Volkssport der Deutschen. Handy kaputt? Hat der Nachbar aus Versehen fallen lassen…

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