Im „Kessel Buntes“ am heutigen Samstag dann zunächst das OLG Celle, Urt. v. 20.11.2019, 14 U 172/18, das mal wieder Stellung nimmt zur Haftung aus Betriebsgefahr. Entschieden hat das OLG über einen Unfall in einer (Auto)Waschstraße. Dort war es zu seinem Zusammenstoß der Fahrzeuge der Parteien gekommen. Die Beklagte befand sich mit ihrem Fahrzeug in der Waschstraße, wobei ihr Fahrzeug mit einem Förderband durch die Anlage gezogen wurde. Es kam zum Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Klägers, der hinter der Beklagten fuhr. Im Verfahren ist ein Sachverständiger gehört worden. Der hat einen Fehler bei der Waschanlage ausgeschlossen. Der Grund für den Zusammenstoß liege wohl darin, dass die Beklagte die Funktion der Parkbremse an ihrem Pkw vor dem Einfahren in die Waschstraße nicht deaktiviert habe, was während des Transports auf dem Förderband zum Blockieren der Hinterräder geführt habe.
Nach Auffassung des OLG haftet die Beklagte:
1. Haftungsgrund der Beklagten
Es ist bewiesen, dass sich der streitgegenständliche Vorfall beim Betrieb des Beklagtenfahrzeugs im Sinne von § 7 Abs. 1 StVG ereignet hat und von der Beklagten zu 1) gemäß § 18 Abs. 1 StVG verschuldet worden ist. Sie hätte die Funktion der Parkbremse vor dem Transport des Fahrzeugs auf dem Förderband der Waschstraße deaktivieren müssen, was unterblieben ist. Ein Fehler im Betrieb der Waschanlage ist als Ursache für den Schadensfall auszuschließen.
a) Voraussetzung einer Haftung gem. § 7 1 StVG ist, dass eines der dort genannten Rechtsgüter „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ verletzt bzw. beschädigt worden ist. Bei „Waschanlagenunfällen“ bedarf es einer genauen Zuordnung, ob der Schaden dem Betrieb der Anlage oder des Pkw des Unfallgegners zuzurechnen ist (vgl. zur Problematik auch im Hinblick auf die Schadensabrechnung Wessel, DAR 2019, 182).
aa) Eine Haftung aus § 7 StVG scheidet grundsätzlich dann aus, wenn bei dem Pkw des in Anspruch genommenen Unfallgegners die Fortbewegungs- und Transportfunktion keinerlei Rolle gespielt hat (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – VI ZR 265/14, NJW 2015, 1681, Rn. 5 f.; zur entsprechenden Bewertung im Rahmen des EU-Rechts: EuGH, Urteil vom 28. November 2017 – C-514/16, VersR 2018, 156, insb. Rn. 25 ff., 40 f.). Ein Kraftfahrzeug ist dann nicht im Betrieb im Sinn von § 7 1 StVG, wenn es sich mit ausgeschaltetem Motor auf dem Förderband einer Waschstraße befindet und vollständig abhängig von den automatisierten Transportvorgängen innerhalb der Waschstraße ist. (OLG Koblenz, Beschluss vom 3. Juli 2019 – 12 U 57/19, VersR 2019, 1384; Beschluss vom 5. August 2019 – 12 U 57/19, juris-Rn. 5 mwN; so auch schon KG, Urteil vom 28. März 1977 – 12 U 2468/75, VersR 1977, 626). Wird nämlich ein Fahrzeug in einer Waschanlage auf einem Förderband bewegt, hat die Person im Fahrzeuginneren keinen Einfluss auf den Waschvorgang. Das Fahrzeug könnte in gleicher Weise auch mit vorher ausgebauten Motor durch die Anlage gezogen werden. Ein dabei eintretender Schaden wäre nicht mehr „beim Betrieb“ im Sinn des § 7 Absatz 1 StVG entstanden (vgl. LG Dortmund, Urteil vom 14. November 2018 – 21 S 47/18, NJW-RR 2019, 600). In derartigen Fällen käme ein Anspruch aus Werkvertragsrecht gegen den Betreiber der Waschanlage in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 – VII ZR 251/17, NJW 2018, 2956).
bb) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urteil vom 26. März 2019 – VI ZR 236/18, NJW 2019, 2227, Rn. 8 mwN) ist das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs“ entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen (entsprechend die Auslegung der „Verwendung eines Fahrzeugs“ im EU-Recht, vgl. EuGH, Urteil vom 20. Juni 2019 – C-100/18, VersR 2019, 1008). Denn die Haftung nach § 7 1 StVG ist der Preis dafür, dass durch die Verwendung eines Kraftfahrzeugs erlaubterweise eine Gefahrenquelle eröffnet wird; die Vorschrift will daher alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe erfassen. Ein Schaden ist demgemäß bereits dann „bei dem Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden, wenn sich in ihm die von dem Kraftfahrzeug ausgehenden Gefahren ausgewirkt haben, d.h. wenn bei der insoweit gebotenen wertenden Betrachtung das Schadensgeschehen durch das Kraftfahrzeug (mit)geprägt worden ist (BGH, Urteile vom 24. März 2015 – VI ZR 265/14, NJW 2015, 1681 Rn. 5; vom 21. Januar 2014 – VI ZR 253/13, BGHZ 199, 377 Rn. 5; vom 31. Januar 2012 – VI ZR 43/11, BGHZ 192, 261 Rn. 17). Erforderlich ist aber stets, dass es sich bei dem Schaden, für den Ersatz verlangt wird, um eine Auswirkung derjenigen Gefahren handelt, hinsichtlich derer der Verkehr nach dem Sinn der Haftungsvorschrift schadlos gehalten werden soll, d.h. die Schadensfolge muss in den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen worden ist (BGH, Urteile vom 24. März 2015 – VI ZR 265/14, NJW 2015, 1681 Rn. 5; vom 21. Januar 2014 – VI ZR 253/13, BGHZ 199, 377 Rn. 5; vom 31. Januar 2012 – VI ZR 43/11, BGHZ 192, 261 Rn. 17). Für die Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es damit maßgeblich darauf an, dass die Schadensursache in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht (vgl. BGH, Urteile vom 24. März 2015 – VI ZR 265/14, NJW 2015, 1681 Rn. 5; vom 21. Januar 2014 – VI ZR 253/13, BGHZ 199, 377 Rn. 5; vom 26. Februar 2013 – VI ZR 116/12, NJW 2013, 1679 Rn. 15; vom 13. Juli 1982 – VI ZR 113/81, NJW 1982, 2669).
b) Nach diesen Grundsätzen hat sich der im Streit stehende Schadensfall bei dem Betrieb des Pkw der Beklagten ereignet. Der Schaden ist nicht durch eine Fehlfunktion der Waschanlage verursacht worden.
aa) Das folgt aus den Feststellungen des vom Senat eingeholten Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. W. vom 20. Juli 2019 (Anlage zur Akte). Nach den nicht angegriffenen und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen, denen sich der Senat nach einer eigenen kritischen Überprüfung vollinhaltlich anschließt, erfolgte der Kontakt des klägerischen Fahrzeugs mit dem Beklagtenfahrzeug initial über dessen Anhängerkupplung. Das ergebe sich aus dem charakteristischen Beschädigungsbild, das wiederum dafürspreche, dass das Beklagtenfahrzeug bei der Kollision geradegestanden habe. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sei das Beklagtenfahrzeug vor der Kollision derart abgebremst oder anderweitig blockiert worden, dass das klägerische Fahrzeug aufgeschoben worden sei. Ein technischer Defekt der Waschstraße oder andere äußere Einflüsse, welche auf das Beklagtenfahrzeug vor der Kollision eingewirkt und zum Stillstand gebracht haben, könnten anhand des Schadensbildes ausgeschlossen werden. Es sei mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu unterstellen, dass das Blockieren des Beklagtenfahrzeugs allein in der Sphäre der Beklagten gelegen habe. Die Waschstraße verfüge über eine Transporteinrichtung, die aus einem umlaufenden Kunststoffförderband bestehe. Bei Kunststoffförderbändern gebe es keine Störungen, Fehlfunktionen oder Verschleißauffälligkeiten, welche ein Ausscheren von Fahrzeugen begünstigen könnten. Das Ausscheren von Fahrzeugen beim Transport mit Kunststoffförderbändern gehe somit ausschließlich vom Fahrzeug aus. Seit der Einführung von Fahrassistenzsystemen komme es häufiger vor, dass die Hinterräder blockierten. Grund sei immer, dass die Funktion der Parkbremse vor dem Transport nicht deaktiviert worden sei und während des Transports zum Blockieren der Hinterräder führe. Das Beklagtenfahrzeug sei zum Kollisionszeitpunkt nicht ausschließbar aufgrund blockierter Hinterräder quasi im Begriff des Ausscherens gewesen.
Dass die Beklagte zu 1) die Parkbremse vor dem Transport des Fahrzeugs deaktiviert hat, haben die Beklagten nicht vorgetragen. Demzufolge entfällt die Haftung der Beklagten zu 1), die nur Fahrerin des Beklagtenfahrzeugs war und nicht Halterin, auch nicht gemäß § 18 Abs. 1 S. 2 StVG. Denn den Nachweis des fehlenden Verschuldens hat der Fahrzeugführer zu erbringen (Hentschel/König/Dauer, Bearbeiter König zu § 18 StVG Rn. 4 m. w. N.). Hieran fehlt es vorliegend.
bb) Ob ggf. eine unzureichende Information der Anlagenbenutzer durch den Betreiber der Waschstraße (zu den darauf bezogenen Pflichten des Anlagenbetreibers vgl. BGH, Urteil vom 19. Juli 2018 – VII ZR 251/17, NJW 2018, 2956, insb. Rn. 17 ff.) das Schadensgeschehen mitverursacht hat, bedarf hier keiner Entscheidung.
Abrechnen durfte/konnte der Kläger seinen Schaden dann fiktiv.
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