StGB II: Der Gebrauch einer Ausweiskopie, oder: „Allein gegen alle“?

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Die zweite Entscheidudng kommt vom BGH. Es handelt sich um den BGH, v. Beschl. v. 08.05..2019 – 5 StR 146/19, einen sog. Anfragebeschluss zu einer Problematik des Gebrauchesn eines Ausweispapieres im Rechtsverkehr (§ 281 Abs. 1 Satz 1 StGB).

Es geht im Wesentlichen um folgenden Sachverhalt: Das LG hat den Angeklagten wegen Betruges in mehreren Fällen u.a. in Tateinheit mit Missbrauch von Ausweispapieren verurteil. Es hat festgestellt, dass der Angeklagte über das Internet Luxusgüter – zumeist hochwertige Armbanduhren – zum Kauf angeboten hat, obwohl er diese weder liefern konnte noch wollte. Im Vertrauen auf seine falschen Versprechen überwiesen zahlreiche Käufer den vereinbarten Kaufpreis vorab, erhielten jedoch nicht den gekauften Gegenstand. In einem zweiten Tatkomplex schloss er mit der Telekom eine Reihe von Mobilfunk-Rahmenverträgen mit einer Laufzeit von 24 Monaten ab und spiegelte dabei wahrheitswidrig vor, die Verträge würden nach Vertragsschluss von zahlungsfähigen und -willigen Dritten übernommen. In diesem Zusammenhang legte er den Mitarbeitern der Telekom gefälschte Dokumente und Kopien von gefälschten Dokumenten vor, fälschte Unterschriften und erhielt zahlreiche hochwertige Mobiltelefone, ohne dass der Telekom ein entsprechender Gegenwert zufloss. Bei einer Durchsuchung wurden in dem vom Angeklagten genutzten Hotelzimmer diverse für seine Taten genutzte, teils gefälschte Identitätsdokumente gefunden.

Und weiter: Soweit ein jeweils tateinheitlicher Schuldspruch wegen Missbrauchs von Ausweispapieren erfolgt ist, hat die Strafkammer festgestellt, dass der Angeklagte jeweils elektronische Dateien von Personalausweisen anderer Personen übersandt hat, um über seine Identität zu täuschen, denn:

„Der Begriff des Gebrauchens ist nach Auffassung des Senats in § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB wie in § 267 Abs. 1 StGB auszulegen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs macht von einer Urkunde Gebrauch, wer dem zu täuschenden Gegenüber die sinnliche Wahrnehmung der Urkunde ermöglicht (vgl. nur BGH, Urteile vom 20. März 1951 – 2 StR 38/51, BGHSt 1, 117, 120 ; vom 11. Dezember 1951 – 1 StR 567/51 , BGHSt 2, 50, 52 ; vom 21. Dezember 1988 – 2 StR 613/88 , BGHSt 36, 64, 65; vgl. bereits RGSt 41, 144, 146 f.; 66, 298, 312 f.). Dies kann auch dadurch geschehen, dass der Täter dem zu Täuschenden eine Fotokopie oder ein Lichtbild einer – in dieser Weise körperlich tatsächlich vorhandenen – Urkunde zugänglich macht, denn hierdurch wird die sinnliche Wahrnehmung der abgebildeten Urkunde selbst ermöglicht (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urteile vom 30. November 1953 – 1 StR 318/53 , BGHSt 5, 291, 292 ; vom 11. Mai 1971 – 1 StR 387/70 , BGHSt 24, 140, 142 ; vom 23. September 2015 – 2 StR 434/14 , NJW 2016, 884, 886; Beschluss vom 2. Mai 2001 – 2 StR 149/01 , BGHR StGB § 267 Abs. 1 Gebrauchmachen 4 ; vgl. bereits RGSt 69, 228).“

Aber, wenn es so einfach wäre, wäre es schön, denn:

„2. An dieser Auslegung sieht sich der Senat jedenfalls durch die Entscheidung des 4. Strafsenats des Bundesgerichtshofs ( BGH, Urteil vom 4. September 1964 – 4 StR 324/64 , BGHSt 20, 17 ) gehindert.

Der 4. Strafsenat hat entschieden, dass der Begriff des Gebrauchmachens in § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB anders als in § 267 Abs. 1 StGB auszulegen sei. Wer nur die unbeglaubigte Kopie eines Ausweispapiers oder einer diesem gleichgestellten Urkunde vorlege, könne nicht wegen Ausweismissbrauchs bestraft werden. Doch sei er wegen Versuchs strafbar, wenn er bei Vorlegung der Fotokopie bereit sei, auf Verlangen auch die Urschrift vorzuweisen. § 281 StGB stelle jeweils nur den Missbrauch von Urschriften, nicht auch denjenigen von Surrogaten unter Strafe. Nur die Prüfung der Urschrift ermögliche es, die Urkunde in allen Einzelheiten und Besonderheiten vollständig wahrzunehmen und kritisch zu beurteilen, bloße Fotokopien erfüllten diesen Zweck nicht. Das Gesetz setze das Gebrauchmachen von der Urschrift voraus. Der Rechtsverkehr verdiene keinen besonderen Schutz, wenn er nicht die Vorlage der Urschrift fordere.

Das Schrifttum hat sich dieser Entscheidung, in der sich der 4. Strafsenat ausdrücklich gegen die bisherige Rechtsprechung zum Gebrauchmachen von einer Urkunde durch Vorlage einer Fotokopie im Rahmen von § 267 Abs. 1 StGB wendet, ganz überwiegend angeschlossen (vgl. LK-StGB/Zieschang, 12. Aufl., § 281 Rn. 9; Schönke/Schröder/Heine/Schuster, 30. Aufl., § 281 Rn. 5; MüKo-StGB/Erb, 3. Aufl., § 281 Rn. 8; NK-StGB/Puppe/Schumann, 5. Aufl., § 281 Rn. 7; SSW-StGB/Wittig, 4. Aufl., § 281 Rn. 6; Lackner/Kühl/Heger, 29. Aufl., § 281 Rn. 3; Hecker GA 1997, 525, 535 f.; Preuß, JA 2013, 433, 436; a.A. wohl Fischer, 66. Aufl., § 281 Rn. 3 i.V.m. § 267 Rn. 36; BeckOK-StGB/ Weidemann, Stand 1. Mai 2019, § 281 Rn. 6 i.V.m. § 267 Rn. 29).

Und da das den 5. Strafsenat nicht überzeugt – „Allein gegen alle“? – hat er nun bei den anderen Senaten angefragt, ob sie an ihrer Rechtsauffassung festhalten, und zwar wie folgt:

„1. Der Senat beabsichtigt zu entscheiden:

Auch durch Vorlage einer Kopie oder elektronische Übersendung des Bildes eines echten Ausweises kann ein Ausweispapier im Sinne von § 281 Abs. 1 Satz 1 StGB zur Täuschung im Rechtsverkehr gebraucht werden.

2. Der Senat fragt deshalb bei den übrigen Strafsenaten an, ob an etwa entgegenstehender Rechtsprechung festgehalten wird.2

Und wenn die das tun und der 5. Strafsenat an seiner Auffassung festhält, geht es dann zum Großen Senat für Strafsachen.

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