Strafzumessung I: TOA bei Vermögensdelikten, oder: „Der Rechtsfolgenausspruch birgt Rechtsfehler…“

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Heute ist bei mir „Umzugstag“. Und für den habe ich drei Postings zu Entscheidungen vorbereitet, die mit Strafzumessung zu tun haben.

Ich eröffne den Reigen mit dem BGH, Beschl. v. 24.01.2019 – 1 StR 591/18. Das LG hatte den Angeklagten E. u.a. wegen schweren Bandendiebstahls verurteilt. Seine Revision hatte Erfolg.

Auszugehen war von folgenden Urteilsfeststellungen des LG: Danach „suchten der Angeklagte E. und der Mitangeklagte A. gemäß dem vom Mitangeklagten B. entworfenen Tatplan die Wohnungen älterer Menschen auf, um Bargeld und Schmuck zu entwenden; dadurch wollten sich die Angeklagten eine Einnahmequelle von einem gewissen Umfang und einer gewissen Dauer verschaffen. Unter Vorzeigen von Mitarbeiterausweisen des Kabelnetzbetreibers U. erschlichen sich die Angeklagten E. und A. den Zugang zu den Wohnungen, um angeblich Telekommunikationsleitungen zu überprüfen. Während einer der Mittäter die Wohnungsinhaber ablenkte, nahm der andere Bargeld und Schmuck an sich. Bei einer Tat entwendeten die Angeklagten eine EC-Karte nebst zugehöriger Geheimnummer (Fall II. 8.) und hoben damit anschließend unberechtigt 2.000 € ab (Fall II. 12.). In zwei Fällen fanden die Angeklagten keine Tatbeute; in einem Fall (II. 11.) wurde ihnen der Zutritt verwehrt. Insgesamt erbeuteten die drei Angeklagten Bargeld in Höhe von 4.940 € und Schmuck im Wert von 3.950 €. 3.022,30 € an Bargeld und ein „Großteil“ des Schmucks wurden im Tatfahrzeug sichergestellt. Während des Ermittlungsverfahrens entschuldigte sich der bereits damals geständige Angeklagte E. schriftlich bei acht Geschädigten und bot an, den nach Rückgabe der gestohlenen Gegenstände verbliebenen Schaden auszugleichen und zudem jeweils 250 € zu zahlen. Zu diesem Zweck hinterlegte seine Mutter bei seinem Verteidiger 1.000 € zum Ausgleich nach Rückgabe der sichergestellten Tatbeute verbliebener Schäden und weitere 2.000 € mit der unwiderruflichen Anweisung, diesen Betrag an die Tatopfer auszukehren. Mit der formlosen Einziehung des Schmucks erklärten sich die Angeklagten einverstanden.

2. In der Strafzumessung bezüglich des Angeklagten E. hat das Landgericht den vertypten Schuldminderungsgrund des TäterOpfer-Ausgleichs nach § 46a Nr. 1 StGB bereits deswegen abgelehnt, weil für die einzelnen Fälle nach Abzug der zum vollständigen Schadensausgleich erforderlichen Gelder nur „geringe Beträge“ verblieben. Feststellungen dazu, wie sich die acht Geschädigten zur Entschuldigung und zum Zahlungsangebot verhielten, hat es nicht getroffen.

Dem BGH hat der Strafausspruch des LG nicht gepasst:

„Der Rechtsfolgenausspruch birgt Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten E. .

1. Die Strafzumessung hält der sachlichrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Die Erwägung, mit welcher das Landgericht die Voraussetzungen des § 46a Nr. 1 StGB verneint hat, erweist sich als rechtsfehlerhaft.

a) § 46a Nr. 1 StGB bezieht sich vor allem auf den Ausgleich der immateriellen Folgen einer Tat; solche sind auch bei Vermögensdelikten denkbar (BGH, Urteil vom 8. August 2012 – 2 StR 526/11, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 9 Rn. 17; Beschluss vom 23. Juli 2001 – 1 StR 266/01, wistra 2002, 21). Die Vorschrift setzt als „Täter-Opfer-Ausgleich“ einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer voraus, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet und Ausdruck der „Übernahme von Verantwortung“ sein muss (BGH, Beschluss vom 23. Juli 2001 – 1 StR 266/01; Urteil vom 9. Mai 2017 – 1 StR 576/16, NStZ-RR 2017, 198, 199 mwN; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. März 2007 – 2 StR 35/07, StV 2007, 410: Hinterlegung eines Geldbetrages beim Verteidiger; BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 1998 – 1 StR 249/98, NStZ-RR 1998, 297 und vom 28. April 2015 – 3 StR 647/14, juris Rn. 2: kein persönlicher Verzicht des Angeklagten erforderlich). Deswegen sind regelmäßig Feststellungen dazu erforderlich, wie sich das Opfer zu den Bemühungen des Täters gestellt hat (BGH, Urteile vom 24. August 2017 – 3 StR 233/17, juris Rn. 15; vom 23. Dezember 2015 – 2 StR 307/15, juris Rn. 21 und vom 9. September 2004 – 4 StR 199/04, juris Rn. 9). Werden durch eine Straftat mehrere Personen geschädigt, so muss hinsichtlich jedes Geschädigten zumindest eine Variante des § 46a StGB erfüllt sein (BGH, Urteile vom 7. Februar 2018 – 5 StR 535/17, NStZ 2018, 276; vom 22. Juni 2017 – 4 StR 151/17, NStZ-RR 2017, 306 und vom 5. März 2014 – 2 StR 496/13, BGHR StGB § 46a Nr. 1 Ausgleich 10 Rn. 14).

b) Ob der vom Angeklagten bereits im Ermittlungsverfahren und damit keineswegs zu spät angebotene Entschädigungsbetrag in Höhe von jeweils 250 € zusammen mit seinem Entschuldigungsschreiben bei jeder der betreffenden Einzeltaten (§ 52 Abs. 1 StGB) als friedensstiftender Ausgleich oder zumindest als ernsthaftes Erstreben eines solchen zu werten ist, lässt sich nach den lückenhaften Feststellungen infolge der pauschalen Erwägung, die Beträge seien zu gering, nicht beurteilen:

aa) In den Fällen II. 7. und II. 10. der Urteilsgründe stahlen die Angeklagten ausschließlich Schmuck; sollten diese Vermögensgegenstände zu den sichergestellten gehören, stünde der angebotene Entschädigungsbetrag von 250 € zum Ausgleich der immateriellen Folgen zur Verfügung. Nach den bisherigen Urteilsfeststellungen ist nicht sicher anzunehmen, dass ein solcher Betrag auch angesichts des Zutritts in die Privatwohnungen und des Alters der Geschädigten von vornherein zu niedrig bemessen wäre; dass die Tatopfer infolge der ohne Sachbeschädigung ausgeübten Diebstähle dauerhaft in ihrem Sicherheitsgefühl oder sonst psychisch beeinträchtigt sind, ist nicht festgestellt. Zudem ist die Entschuldigung in diese Betrachtung miteinzubeziehen. Ohne Kenntnis der Reaktionen der Geschädigten lässt sich nach alledem nicht beurteilen, ob das Geldangebot zusammen mit der Entschuldigung zur Friedensstiftung geeignet war.

bb) Ähnliches gilt für die Tat II. 11. der Urteilsgründe. Diese Tat war ohnehin nur versucht.

cc) In den Fällen II. 4. und II. 6. der Urteilsgründe kommt ebenfalls in Betracht, dass der Entschädigungsbetrag von jeweils 250 € nicht durch den vorrangigen Ausgleich der materiellen Schäden gebunden ist. Dies ist der Fall, wenn im Fall II. 4. der Urteilsgründe der Schmuck zurückgelangt und bezüglich des jeweils entwendeten Bargeldes aus dem weiteren zur Schadenswiedergutmachung zur Verfügung gestellten Betrag von 1.000 € der Anteil bestritten werden kann, der nicht durch das sichergestellte und zwischen den Geschädigten im Verhältnis der erlittenen Schadenshöhen zu verteilende Bargeld gedeckt ist.“

Schöne Formulierung: „… birgt Rechtsfehler…“

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