Und zum Schluss des Tages dann ein Beschluss, der eine Thematik behandelt, mit der man es nicht jeden Tag zu tun hat. Nämlich die Frage der Verwendung von Erkenntnissen aus einer längerfristigen Observation. Dazu hat das KG im KG, Beschl. v. 20.12.2018 – 3 Ws 309/18 – Stellung genommen.
Nach dem Sachverhaltist der Beschuldigte aufgrund eines Haftbefehls festgenommen worden Vorgeworfen wurden ihm im Haftbefehl 22 Fälle des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, eine falsche Verdächtigung und ein versuchter Einbruchsdiebstahl. Der Verdacht des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis gründete teilweise auf Erkenntnissen, welche polizeilichen Zeugen in einem anderen Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer Straftat nach § 29a BtMG durch längerfristige Observation des Beschuldigten gem. § 163f StPO gewonnen hatten. Der Haftbefehl wurde vor Anklageerhebung außer Vollzug gesetzt. Nachdem die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hatte, beantragte der Verteidiger die Aufhebung des Haftbefehls in Bezug auf diese Fälle, um die Rechtsfrage eines Verwertungsverbots nach § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO höchstrichterlicher Klärung zuzuführen. Das AG hat den Antrag abgelehnt, die dagegen gerichtete Beschwerde hatte beim LG keinen Erfolg. Das KG hat den Haftbefehl aufgehoben.
Das KG führt aus:
Die weitere Beschwerde richte sich zwar nicht gegen den Haftbefehl, sondern ziele darauf ab, im Vorfeld der Hauptverhandlung die im Gerichtsbezirk des KG streitige Rechtsfrage der Anwendbarkeit des § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO zu klären. Das KG hat das jedoch als zulässig angesehen.
Die Beschwerde sei auch begründet, weil – so das KG – wegen der Vorwürfe vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis teilweise eine sich aus § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO ergebendes Beweisverwertungsverbot bestehe. Der Wortlaut der Vorschrift erlaube es, den Terminus „Verdacht bestimmter Straftaten“ im Sinne eines Verdachts auf einen in irgendeiner Form eingeschränkten Kreis von Taten zu verstehen. Der Gesetzgeber habe das Gesamtsystem der strafprozessualen heimlichen Ermittlungsmethoden harmonisieren und systematisieren sowie grundrechtssichernd und dem datenschutzrechtlichen Zweckbindungsgrundsatz entsprechend ausgestalten wollen. Die Gesetzesbegründung führe zu § 101 Abs. 3 StPO aus, dass die in § 101 Abs. 1 StPO aufgeführten Maßnahmen – zu denen auch die längerfristige Observation (§ 163f StPO) zähle – vom Verdacht bestimmter, in den jeweiligen Regelungen näher umschriebener Straftaten abhängig seien und damit das Eingreifen der Verwendungsbeschränkungen in § 477 Abs. 2 StPO auslösen würden. Nach der systematischen, historischen und teleologischen Auslegung werde deutlich, dass unter bestimmte Straftaten im Sinn des § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO nicht nur so genannte Katalogtaten – also konkret und gegebenenfalls enumerativ bezeichnete Straftatbestände – sondern auch generalklauselartig umschriebene Delikte wie Straftaten von erheblich Bedeutung im Sinn des § 163f Abs. 1 StPO zu verstehen seien. Zur Aufklärung des vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis hätte aber eine längerfristige Observation – auch bei serieller Tatbegehung – nicht angeordnet werden dürfen, weil es sich dabei nicht um Straftaten von erheblicher Bedeutung handele. Solche Taten seien nicht dem Bereich mittlerer Kriminalität zuzuordnen und wiesen eine geringe Strafrahmenobergrenze von einem Jahr aus. Zudem entsprächen die vorliegenden Taten einem durchschnittlichen Erscheinungsbild. Zwar gelte das Verwendungsverbot des § 477 Abs. 2 Satz 2 StPO dann nicht, wenn die zufälligen Erkenntnisse, die bei einer zulässig angeordneten Überwachung gewonnen wurden (sog. Zufallsfunde), eine Straftat betreffen und belegen, die im Zusammenhang mit der in der Anordnung bezeichneten Katalog stehe. Indes bestehe ein solch enger innerer Zusammenhang zwischen der Tat nach § 29a BtMG, wegen der die Maßnahme der längerfristigen Observation angeordnet worden sei, und der tatsächlich festgestellten Tat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis offensichtlich nicht. Schließlich sei nicht von einer Einwilligung des Beschuldigten auszugehen.
Es handelt sich – soweit ich das sehe – um die erste obergerichtliche Entscheidung, bei der der vom KG eingeschlagene Weg, wonach unter den Begriff bestimmter Straftaten im Sinn des § 477 Abs. 2 StPO nicht nur konkret und numerisch bezeichnete Katalogtaten, sondern auch generalklauselartig eingegrenzte Delikte wie etwa Straftaten von erheblicher Bedeutung gem. § 163f StPO fallen, beschritten worden ist (zur [längerfristigen] Observation Burhoff, Handbuch für das strafrechtliche Ermittlungsverfahren, 8. Aufl., 2019, Rn 2925 ff.). Zur Bestellung 🙂 hier. Werbemodus aus >>