Die zweite StPO-Entscheidung kommt vom 3. Strafsenat des BGH, und zwar mit dem BGH, Beschl. v. 16.10.2018 – 3 StR 168/18. Ergangen ist sie in einem Revisionsverfahren betreffend ein Urteil des LG Verden. Dort hatte der LG-Präsident den 31.10.2017 als Sitzungstag bestimmt, obwohl der Tag, der sonst nur in einigen Bundesländern Feiertag ist, bundesweit als Feiertag bestimmt worden war. Grund: 500 Jahre Reformation.
In der Revision war dann mit der Verfahrensrüge die vorschriftswidrige Besetzung des Landgerichts beanstandet worden. Der BGH hat die Rüge als unbegründet angesehen,
„…. weil der Präsident des Landgerichts den 31. Oktober 2017 in rechtmäßiger Weise als ordentlichen Sitzungstag der Schwurgerichtskammer festgestellt hat.
Es kann offenbleiben, ob die Feststellung der ordentlichen Sitzungstage der Strafkammer gemäß § 77 Abs. 1 und 3, § 45 Abs. 1 GVG einer vollumfänglichen Rechtmäßigkeits- oder einer bloßen Willkürprüfung unterliegt (zur Unterscheidung: BVerfG, Beschlüsse vom 16. Februar 2005 – 2 BvR 581/03, NJW 2005, 2689, 2690; vom 23. Dezember 2016 – 2 BvR 2023/16, wistra 2017, 187, 189; vom 20. Februar 2018 – 2 BvR 2675/17, NJW 2018, 1155, 1156; BGH, Urteile vom 22. November 2013 – 3 StR 162/13, BGHSt 59, 75, 79 f.; vom 9. April 2009 – 3 StR 376/08, BGHSt 53, 268, 274 ff.; Beschluss vom 10. Juli 2013 – 2 StR 116/13, NStZ 2014, 226, 227), da sie sich auch bei Anlegung des strengeren Maßstabs als rechtsfehlerfrei erweist.
§ 45 GVG dient der Konkretisierung des gesetzlichen Richters (KK-Barthe, StPO, 7. Aufl., § 45 GVG Rn. 1) und gewährleistet durch die weitgehend generell-abstrakte Vorherbestimmung der Zuständigkeit den „gesetzlichen Schöffen“ (MüKoStPO/Schuster, § 45 GVG Rn. 1). Die (vollumfängliche) Überprüfung des Geschäftsverteilungsplans auf Grund einer diesen selbst betreffenden Rüge ist daher an den Gewährleistungen des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen und richtet sich darauf, ob die angewendete Regelung generell-abstrakt ist (BVerfG, Beschlüsse vom 23. Mai 2012 – 2 BvR 610/12 u.a., NStZ 2012, 458, 459; vom 23. Dezember 2016 – 2 BvR 2023/16, wistra 2017, 187, 189; vom 20. Februar 2018 – 2 BvR 2675/17, NJW 2018, 1155, 1156).
Danach ist gegen die Feststellung von Feiertagen als ordentliche Sitzungstage des Schöffengerichts bzw. der Strafkammern rechtlich nichts zu erinnern, weil sie einfachgesetzlich zulässig ist und die generell-abstrakte Festlegung des gesetzlichen Richters im Voraus gewährleistet. Weder die Strafprozessordnung noch das Gerichtsverfassungsgesetz verbieten grundsätzlich die Anberaumung von Hauptverhandlungstagen an Wochenenden oder Feiertagen (LR/Jäger, StPO, 26. Aufl., § 213 Rn. 6; KK-Gmel, StPO, 7. Aufl., § 213 Rn. 4a); gegebenenfalls kann sie sogar geboten sein (BVerfG, Beschluss vom 29. November 2005 – 2 BvR 1737/05, NJW 2006, 668, 670). Die praktische Durchführung solcher in richterlicher Unabhängigkeit festgesetzten Hauptverhandlungstage wird im vorliegenden Fall durch § 9 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Nds.ArbZVO gewährleistet, der es dem Dienstvorgesetzten des nichtrichterlichen Dienstes ermöglicht anzuordnen, dass an Sonntagen, Feiertagen oder an anderen dienstfreien Tagen Dienst zu leisten ist. Die spätere, tatsächliche Anberaumung eines konkreten Hauptverhandlungstermins obliegt gemäß § 213 Abs. 1 StPO ohnehin dem Vorsitzenden.
Schließlich wird die generell-abstrakte Festlegung des gesetzlichen Richters durch die Feststellung von Feiertagen als ordentliche Sitzungstage in keiner Weise beeinträchtigt, da sie genauso zu im Voraus bestimmten Schöffen führt wie die ausschließliche Feststellung von Werktagen.“
Die richterliche Unabhängigkeit stößt bei allgemeinem Brauchtum speziell im Rheinland aber schnell an ihre Grenzen: Ein Amtsrichter wollte an Weiberdonnerstag eine Verkehrs – OWi verhandeln. Schließlich sei er kein Karnevalsfreund. Die Behördenleitung hat ihn dann aber doch zu einer Terminsverlegung bewegt (genötigt…), da schließlich an Weiberdonnerstag spätestens ab 11:11 Uhr das ganze Gericht nicht auf Zugangskontrolle und Rechtspflege sondern auf Karneval ausgelegt sei. Kölle Alaaf!
Wer also im Rheinland an den jecken Tagen einen Termin hat, hat große Chancen, dass es sich hierbei um ein redaktionelles Versehen bei der Planung handelt und dass der Termin gerne verlegt wird… 😉
@ Elmar der Anwalt:
Hat die Strafkammer beim Landgericht Verden wirklich den 31.10.2017 und damit einen Feiertag als ersten Hauptverhandlungstag einer Strafsache bestimmt? Ich weiß es natürlich nicht, vermute aber eher, dass dies nicht der Fall war. Wahrscheinlicher ist, dass die Hauptverhandlung an irgendeinem x-beliebigen Sitzungstag nach dem 31.10.2017 begonnen hat. Das Argument der Verfahrensrüge lautet dann: Wenn der 31.10.2017 kein „zulässiger“ Sitzungstag war, hätten diesem Sitzungstag auch keine Schöffen zugewiesen werden dürfen. Da die Schöffen aber den Sitzungstagen in einer festen Reihenfolge zugeordnet werden (vgl. §§ 77, 45 Abs. 2 GVG), wäre folglich die Besetzung der Kammer mit Schöffen an allen weiteren Sitzungstagen nach dem 31.10.2017 falsch gewesen. Der BGH ist dem mit einer – wie ich finde – überzeugenden Begründung entgegengetreten.