Heute dann mal etwas ganz Anderes im „Kessel Buntes“, nämlich das LG Frankenthal, Urt. v. 10.07.2018, 6 O 322/17. Es geht um einen Streit des Klägers, der Rechtsanwalt ist, mit einem Unternehmen, das Finanzdienstleistungen anbietet. Gestritten wird um eine Werbemail des beklagten Unternehmens. Das hatte dem Kläger am 18.10.2016 um 15:10 Uhr per E-Mail ein Werbeschreiben an die berufliche Adresse gesandt, in welchem für die von der Beklagten angebotenen Versicherungsvermittlungen geworben wurde. Der Rechtsanwalt hatte die Werbung weder bestellt noch sonst in ihren Erhalt eingewilligt. Der Kläger hat das Unternehmen auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das LG Franknethal hat ihm Recht gegeben:
„2. Dem Kläger steht gegen die Beklagte gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1, § 831 BGB ein Anspruch auf Unterlassung der Zusendung elektronischer Post mit Werbeinhalt zu.
Der sogenannte quasinegatorische Unterlassungsanspruch ist ein von der Rechtsprechung ge-schaffener Anspruch, um die Störung aller deliktisch geschützter Rechtspositionen abzuwehren.
Er wird auf eine analoge Anwendung des § 1004 I BGB in Verbindung mit einer schutzgewähren-den Norm gestützt. Für einen solchen Anspruch bedarf es einer zumindest drohenden rechtswid-rigen Verletzung einer in § 823 BGB geschützten Rechtsposition, einer diesbezüglichen Wiederholungsgefahr, sowie der Passivlegitimation des Anspruchsgegners als Handlungs- oder Zustandsstörer. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
a) Neben den in der Vorschrift des § 823 Abs. 1 BGB genannten Rechtsgütem und Rechten wird auch das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt (Wilhelmi, in: Ermann, BGB Kommentar, 15 Auflage, § 823 Rn. 15). Durch die Versendung der E-Mail ist der Kläger in diesem Recht verletzt worden. Unter dem Begriff des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ist alles das zu verstehen, was in seiner Gesamtheit den Gewerbebetrieb zur Entfaltung und Betätigung in der Wirtschaft befähigt, also nicht nur der Bestand des Betriebes als solcher, sondern auch seine einzelnen Erscheinungsformen, wozu der gewerbliche Tätigkeitskreis gehört. Das Unternehmen soll in seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, in seinem Funktionieren geschützt werden (vgl. BGHZ 29, 65 = NJW 1959, 479 ff.). Geschützt werden insoweit auch An-gehörige freier Berufe, die kein eigentliches Gewerbe betreiben, soweit der unmittelbare Eingriff ihre Berufstätigkeit betrifft (Palandt, BGB, 72. Aufl., § 823 Rdziff. 127. m. w. N.). Die hier im Streit stehende Beeinträchtigung ist für den Kläger in dessen anwaltlichem Berufsalltag von solcher Intensität, dass sie als Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bewertet wird. Eine unaufgeforderte E-Mail-Werbung stellt nach ständiger Rechtsprechung eine erhebliche, im Ergebnis nicht hinnehmbare Belästigung des Empfängers dar (Vgl. LG Heidelberg, Urteil vom 20.02.2006, 4 0 67/05; BGH, Urteil vom 11.03.2004, 1 ZR 81/01; auch KG MMR 2002, 685 = CR 2002, 759; LG Berlin MMR 1999, 43; MMR 2000, 704). Dieser Rechtsprechung folgt auch die Kammer. Der Empfänger muss Arbeitszeit aufwenden, um unerwünschte Werbe-E-Mails auszusortieren. Für einen Rechtsanwalt kommt bei der zeitaufwendigen Durchsuchung der E-Mails erschwerend das hohe Haftungsrisiko seiner Berufsgruppe hinzu. Es ist dem Kläger daher nicht möglich eine Löschung einzelner Mails durchzuführen, ohne diese vorher auf Relevanz zu über-prüfen. Die Vorgehensweise des Werbenden beeinträchtigt daher die negative Informationsfrei heit des Empfängers. Auch ist zu berücksichtigen, dass ein Werbender mit sehr geringen eige¬nen Kosten Werbe-E-Mails an eine Vielzahl von Personen gleichzeitig versenden kann. Erachtet man das Versenden von Werbe-E-Mails für zulässig, würde dies zu einer unübersehbaren Flut von Werbe-E-Mails führen. Denn das Versenden von Werbe-E-Mails ist für den Werbenden ungleich billiger als das Versenden von Werbung per Post, so dass dem Werbemedium E-Mail als solchem die Gefahr der Ausuferung innewohnt (vgl. zu diesem Gesichtspunkt auch: BGHZ 103, 203, 208 f. – Btx-Werbung; BGH GRUR 1996, 208, 209 – Telefax-Werbung; BGH, Urteil vom 11. März 2004 — I ZR 81/01 —, Rn. 34, juris).“
Berufung ist beim OLG Zweibrücken anhängig. Mal sehen, was daraus wird.