In der zweiten Gebührenentscheidung geht es um die Reisekosten des auswärtigen Vertrauensanwalts. Das ist auch so ein Thema, bei dem einem manchmal die Haare zu Berge stehen. So für mich auch beim LG Hamburg, Beschl. v. 02.10.2018 – 616 Qs 15/18, der auf der Grundlage folgenden Fakten ergangen ist:
Der ehemalige Angeklagte ist Waffenhändler und betreibt ein Waffenhaus in Hamburg-Eppendorf; er wohnt in Bad Bevensen. Ihm war vorgeworfen worden, einen ihm zur Unbrauchbarmachung anvertrauten Revolver unerlaubt verkauft zu haben. In dem Verfahren wurde der Angeklagte vom Kollegen Nordmann aus Hannover verteidigt, der ihn bereits mehrfach verteidigt hatte. Nach Einspruch gegen einen Strafbefehl ist der Angeklagte freigesprochen worden. Reisekosten gibt es nicht:
„Zu Recht hat das Amtsgericht Hamburg im angegriffenen Beschluss die Erstattung der tatsächlich angefallenen Auslagen abgelehnt. Der Tatvorwurf wiegt nicht derart schwer, dass die Hinzuziehung eines an einem dritten Ort ansässigen Vertrauensanwaltes notwendig gewesen wäre.
„1. Zu den nach § 464a Abs. 2 StPO erstattungsfähigen Auslagen gehören solche, die nach § 91 Abs. 2 ZPO erstattungsfähig sind. Nach den dazu entwickelten Grundsätzen sind Auslagen eines an einem dritten Ort ansässigen Rechtsanwaltes nur in der Höhe der fiktiven Reisekosten eines heimischen Rechtsanwalts erstattungsfähig (BGH NJW 2011, 3520, 3521). Auch ein besonderes, gewachsenes Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Partei rechtfertigt in der Regel keine Ausnahme von diesem Grundsatz (BGH, NJW-RR 2007, 1071). Dies gilt auch für das Strafverfahren. Das besondere Vertrauen kann nur bei schwerwiegenden Vorwürfen, insb. in Verfahren vor dem Schwurgericht, oder bei erheblichen Auswirkungen auf die berufliche und wirtschaftliche Existenz die Wahl eines Verteidigers an drittem Ort notwendig machen (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, § 464 a, Rn. 12 m.w.N.).
2. Nach diesen Grundsätzen war die Hinzuziehung eines Vertrauensanwaltes vorliegend nicht notwendig. Der Vorwurf der Unterschlagung ist nicht schwerwiegend, entsprechend wurde das Verfahren am Amtsgericht vor dem Strafrichter geführt. Daran vermögen auch die möglichen Auswirkungen einer Verurteilung auf die berufliche Existenz nichts zu ändern. Zwar ist es zutreffend, dass der Freigesprochene als Waffenhändler ein erlaubnispflichtiges Gewerbe nach § 21 Abs. 1 S. 1 WaffG führt. Bei einer Verurteilung wegen eines Delikts mit Bezug zu seiner Berufsausübung wäre ein Widerruf der Erlaubnis nach § 45 Abs. 2 WaffG von der zuständigen Behörde zu prüfen gewesen. Dies macht den Vorwurf jedoch nicht zu eine schwerwiegenden. Insofern fehlt es auch unter Berücksichtigung dieser Folgen an er Vergleichbarkeit zu Verfahren vor dem Schwurgericht, in denen die Hinzuziehung notwendig wäre. Denn bereits in Verfahren vor anderen Strafkammern des Landgerichts drohen dem Angeklagten oftmals langjährige Freiheitsstrafen, ohne dass dies die Wahl eines Vertrauensanwaltes rechtfertigen soll. Die dem Freigesprochenen drohenden beruflichen Folgen reichen damit bei einem Tatvorwurf, der ersichtlich nicht in den Bereich der mittleren oder gar schwereren Kriminalität hereinragt, nicht aus. Dies gilt umso mehr, als die beruflichen Folgen bei einem solch n Tatvorwurf keinesfalls zwingend sind. Bereits aus dem Strafbefehl ergibt sich, dass dem Freigesprochenen nur ein Verkauf an einen anderen Waffenhändler vorgeworfen wurde. Dieser geschah zwar gegen den Willen der Eigentümerin der Waffe, war aber unter waffenrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden.“
Den Beschluss kann man – auf der Grundlage der Rechtsprechung der Obergerichte zu dieser Problematik – zusammenfassen unter der Überschrift: Verteidigung durch irgendwen ist ok, Vertrauensanwalt muss nicht sein. Wie gesagt. M.E. und mit den Grundsätzen zum Anwalt des Vertrauens nicht vereinbar, wenn man mit denen Ernst machen wollte. Aber will man das……?
Die Argumentation ist doch in sich unschlüssig!
Erst wird ein besonderes Vertrauensverhältnis und damit die Wahl eines auswärtigen Verteidigers dann bejaht, wenn es zu erheblichen Auswirkungen auf die berufliche und wirtschaftliche Existenz kommen kann. Dann wird auch von möglichen Auswirkungen einer Verurteilung auf die berufliche Existenz gesprochen.
Die Argumentation „wenn er ausserhalb des Schwurgerichts wegen was anderem verurteilt worden wäre, wäre er evtl. auch einige Jahre aus dem Rennen ohne dass ihm ein Anwalt seines Vertrauens zugestanden hätte“ ist daher m.e. völlig daneben – zudem in der zuvor angeführten Argumentation von einer Verurteilung z.B. vor dem Schwurgericht ODER bei erheblichen beruflichen Auswirkungen die Rede ist.
Ob hier wohl einer ZUERST den Wunsch hatte, die Kosten zu kippen und DANN erst nach einer irgendwie gearteten Begründung gesucht hat???