Und als zweite Entscheidung dann der OLG Oldenburg, Beschl. v. 04.06.2018 – 1 Ss 83/18. Wie man am Aktenzeichen sieht, Strafrecht. Und das am Samstag? Ja, ausnahmsweise, denn der Beschluss passt sehr schön zur heutigen „Waschstraßenthematik“. Denn auch in Entscheidung des OLG Oldenburg ging es um eine Waschstraße, und zwar in Zusammenhang mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort (§ 142 StGB).
Das AG hat die Angeklagte wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) verurteilt. Hiergegen wendete sich die Angeklagte mit ihrer auf die Sachrüge gestützten Sprungrevision. Sie hielt die Tatbestandvoraussetzungen von § 142 StGB, insbesondere das Vorliegen eines Unfalls im Straßenverkehr, für nicht gegeben.
Das AG hatte folgende Feststellungen getroffen: Die Angeklagte war am Tattag trotz des deutlich sichtbaren Schildes „Ausfahrt“ mit ihrem Pkw versehentlich von der falschen Seite in die Waschanlage einer Tankstelle eingefahren, da sie die Waschanlage von früheren Besuchen her kannte und sich die Einfahrt etwa ein Jahr zuvor noch auf der anderen Seite der Waschanlage befunden hatte. Bei der Einfahrt stieß die Angeklagte mit ihrem PKW so heftig gegen das Portal der Waschanlage, dass dieses wackelte und die neben der Waschanlage stehende Filialleiterin der Tankstellealarmiert wurde. Die Zeugin ging daraufhin in die Waschanlage und sprach die Angeklagte auf ihren Irrtum an. Die Angeklagte stieg aus ihrem Fahrzeug und erklärte, dass sie schon immer von dieser Seite in die Waschanlage fahre und nun ihr Auto waschen möchte. Anschließend stieg die Angeklagte wieder in ihr Fahrzeug und versuchte rückwärts aus der Waschanlage zu fahren. Dabei stieß sie nochmals gegen das Portal der Waschanlage, stieg erneut aus und sah sich um. Die Angeklagte stieg danach wieder in ihren PKW und setzte weiter zurück, wobei sie zum dritten Mal gegen das Portal der Waschanlage stieß. An der Waschanlage, deren Betrieb aufgrund des Schadens zunächst für mehrere Tage eingestellt werden musste, entstand ein Sachschaden in Höhe von etwa 1.600 EUR. Die Angeklagte war davon gefahren, ohne jegliche Angaben zu ihrer Person zu machen.
Das OLG hat die Voraussetzungen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort gemäß § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB bejakt. Zum öffentlichen Straßenverkehr im Sinne von § 142 StGB gehören außer den öffentlichen Straßen alle Verkehrsflächen, auf denen aufgrund ausdrücklicher oder stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten die Benutzung durch jedermann tatsächlich zugelassen ist. Erfasst seien damit auch private Zufahrtswege, wenn sie einem unbestimmten Personenkreis zur Nutzung offenstehen. Dazu zählen etwa die Zu- und Ausfahrten eines Tankstellengeländes sowie der Tanksäulenbereich selbst (vgl. Fischer, StGB, 65. Aufl., § 142 Rn 8). Das Merkmal der Öffentlichkeit entfalle nur dann, wenn entweder bereits durch die eindeutig ersichtliche Gestaltung der Anlage oder durch eine Einzelkontrolle jedem Nichtberechtigten der Zugang von vornherein unmöglich gemacht wird, oder wenn, falls solche Vorkehrungen nicht getroffen sind, nur solchen Benutzern der Zugang gewährt werden soll, die in einer näheren persönlichen Beziehung zu dem Verfügungsberechtigten stehen (vgl. BayObLG VRS 58, 216). Stehe – wie hier – die Benutzung der mit einer Tankstelle verbundenen automatischen Autowaschanlage jedermann frei, sofern er nur das Entgelt hierfür entrichte, gehöre der vom Kunden zu befahrene Bereich der Autowaschanlage zum Verkehrsgrund im Sinne des Straßenverkehrsrechts (vgl. BayObLG, a.a.O.). Dies gelte nicht nur für die Zu- und Ausfahrt, sondern auch (insoweit vom BayObLG offengelassen) für den Bereich der eigentlichen Waschanlage. Maßgeblich könne insoweit nur sein, ob das Fahrzeug noch aus eigener Kraft und nicht lediglich mit den zur Anlage gehörenden Vorrichtungen bewegt wird (vgl. LG Kleve, Urt. v. 23.12.2016, 5 S 146/15). Soweit das AG Erfurt in seiner Entscheidung vom 6.5.2015 (982 Js 14417/13 47 Cs) die Auffassung vertrete, die Bewegung des Fahrzeugs habe bei Einfahrt in die Waschanlage nicht mehr und bei der Ausfahrt aus dieser noch nicht die verkehrstypische Qualität der Teilnahme am Straßenverkehr erreicht, ist das OLG dem nicht gefolgt. Anders als bei der Einfahrt eines PKW in die Werkhalle eines Reparaturbetriebes, die regelmäßig nur aufgrund der Aufforderung durch den Betriebsinhaber erfolge und deshalb eben nur Personen gestattet sei, die in einer persönlichen Beziehung zu Verfügungsberechtigten stehen, habe die Portalwaschanlage der Tankstelle grundsätzlich jedem zur Benutzung offen gestanden. Ob eine abweichende Beurteilung für den Fall geboten sei, dass sich ein Unfall während des Betriebes der Waschanlage und des eigentlichen Waschvorganges ereigne, könne dahinstehen.
Soweit, so gut. Dürfte wohl passen.
Zur Abrundung: Auf den Einwand der Angeklagten, das AG habe zu Unrecht das Vorliegen eines bedeutenden Schadens im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB bejaht, ist das OLG nicht im Einzelnen eingegangen. Es hat lediglich ausgeführt, dass „ein bedeutender Schaden im Sinne von § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB entstanden ist.“, ohne sich konkret mit der Schadenshöhe – nach den Feststellungen „etwa 1.600 EUR“ – auseinander zu setzen. Schade.
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